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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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und alles Natur seyn würde, das kann man sagen, aber ein Wort, um das Wesen dieses Karakters zu bezeichnen, wird vergebens gesucht.



Wie die Novelle in jedem Punkt ihres Seyns und ihres Werdens neu und frappant seyn muß, so sollte vielleicht das poetische Mährchen und vorzüglich die Romanze unendlich bizarr seyn; denn sie will nicht bloß die Fantasie interessiren, sondern auch den Geist bezaubern und das Gemüth reizen; und das Wesen des Bizarren scheint eben in gewissen willkührlichen und seltsamen Verknüpfungen und Verwechslungen des Denkens, Dichtens und Handelns zu bestehn. Es giebt eine Bizarrerie der Begeisterung, die sich mit der höchsten Bildung und Freyheit verträgt, und das Tragische nicht bloß verstärkt, sondern verschönert und gleichsam vergöttlicht; wie in Goethe's Braut von Korinth, die Epoche in der Geschichte der Poesie macht. Das Rührende darin ist zerreißend und doch verführerisch lockend. Einige Stellen könnte man fast bürlesk nennen, und eben in diesen erscheint das Schreckliche zermalmend groß.



Es giebt unvermeidliche Lagen und Verhältnisse, die man nur dadurch liberal behandeln kann, daß man sie durch einen kühnen Akt der Willkühr verwandelt und durchaus als Poesie betrachtet. Also sollen alle gebildete Menschen im Nothfalle Poeten seyn können, und daraus läßt sich eben so gut folgern, daß der

und alles Natur seyn wuͤrde, das kann man sagen, aber ein Wort, um das Wesen dieses Karakters zu bezeichnen, wird vergebens gesucht.



Wie die Novelle in jedem Punkt ihres Seyns und ihres Werdens neu und frappant seyn muß, so sollte vielleicht das poetische Maͤhrchen und vorzuͤglich die Romanze unendlich bizarr seyn; denn sie will nicht bloß die Fantasie interessiren, sondern auch den Geist bezaubern und das Gemuͤth reizen; und das Wesen des Bizarren scheint eben in gewissen willkuͤhrlichen und seltsamen Verknuͤpfungen und Verwechslungen des Denkens, Dichtens und Handelns zu bestehn. Es giebt eine Bizarrerie der Begeisterung, die sich mit der hoͤchsten Bildung und Freyheit vertraͤgt, und das Tragische nicht bloß verstaͤrkt, sondern verschoͤnert und gleichsam vergoͤttlicht; wie in Goethe's Braut von Korinth, die Epoche in der Geschichte der Poesie macht. Das Ruͤhrende darin ist zerreißend und doch verfuͤhrerisch lockend. Einige Stellen koͤnnte man fast buͤrlesk nennen, und eben in diesen erscheint das Schreckliche zermalmend groß.



Es giebt unvermeidliche Lagen und Verhaͤltnisse, die man nur dadurch liberal behandeln kann, daß man sie durch einen kuͤhnen Akt der Willkuͤhr verwandelt und durchaus als Poesie betrachtet. Also sollen alle gebildete Menschen im Nothfalle Poeten seyn koͤnnen, und daraus laͤßt sich eben so gut folgern, daß der

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[139/0328] und alles Natur seyn wuͤrde, das kann man sagen, aber ein Wort, um das Wesen dieses Karakters zu bezeichnen, wird vergebens gesucht. Wie die Novelle in jedem Punkt ihres Seyns und ihres Werdens neu und frappant seyn muß, so sollte vielleicht das poetische Maͤhrchen und vorzuͤglich die Romanze unendlich bizarr seyn; denn sie will nicht bloß die Fantasie interessiren, sondern auch den Geist bezaubern und das Gemuͤth reizen; und das Wesen des Bizarren scheint eben in gewissen willkuͤhrlichen und seltsamen Verknuͤpfungen und Verwechslungen des Denkens, Dichtens und Handelns zu bestehn. Es giebt eine Bizarrerie der Begeisterung, die sich mit der hoͤchsten Bildung und Freyheit vertraͤgt, und das Tragische nicht bloß verstaͤrkt, sondern verschoͤnert und gleichsam vergoͤttlicht; wie in Goethe's Braut von Korinth, die Epoche in der Geschichte der Poesie macht. Das Ruͤhrende darin ist zerreißend und doch verfuͤhrerisch lockend. Einige Stellen koͤnnte man fast buͤrlesk nennen, und eben in diesen erscheint das Schreckliche zermalmend groß. Es giebt unvermeidliche Lagen und Verhaͤltnisse, die man nur dadurch liberal behandeln kann, daß man sie durch einen kuͤhnen Akt der Willkuͤhr verwandelt und durchaus als Poesie betrachtet. Also sollen alle gebildete Menschen im Nothfalle Poeten seyn koͤnnen, und daraus laͤßt sich eben so gut folgern, daß der

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/328>, abgerufen am 22.11.2024.