Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.entgegenzusetzen. Hier hat sich das Jnnre nur gleichsam selbst ausgehöhlt. Es ist der Gipfel der ausgebildeten Einseitigkeit, dem das Bild reifer Allgemeinheit eines großen Sinnes gegenübersteht. Der Onkel nämlich ruht im Hintergrunde dieses Gemähldes, wie ein gewaltiges Gebäude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhältnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. Es ist eine ganz neue Erscheinung in dieser Suite von Bildungsstücken. Bekenntnisse zu schreiben wäre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit männlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen Welt gebildet, die sich um seinen selbständigen Geist wie um den Mittelpunkt bewegt. Daß auch die Religion hier als angebohrne Liebhaberey dargestellt wird, die sich durch sich selbst freyen Spielraum schafft und stufenweise zur Kunst vollendet, stimmt vollkommen zu dem künstlerischen Geist des Ganzen und es wird dadurch, wie an dem auffallendsten Beyspiele gezeigt, daß er alles so behandeln und behandelt wissen möchte. Die Schonung des Oheims gegen die Tante ist die stärkste Versinnlichung der unglaublichen Toleranz jener großen Männer, in denen sich der Weltgeist des Werks am unmittelbarsten offenbart. Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schönste Beweis, den ein Künstler von der unergründlichen Tiefe seines Vermögens geben entgegenzusetzen. Hier hat sich das Jnnre nur gleichsam selbst ausgehoͤhlt. Es ist der Gipfel der ausgebildeten Einseitigkeit, dem das Bild reifer Allgemeinheit eines großen Sinnes gegenuͤbersteht. Der Onkel naͤmlich ruht im Hintergrunde dieses Gemaͤhldes, wie ein gewaltiges Gebaͤude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhaͤltnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. Es ist eine ganz neue Erscheinung in dieser Suite von Bildungsstuͤcken. Bekenntnisse zu schreiben waͤre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit maͤnnlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen Welt gebildet, die sich um seinen selbstaͤndigen Geist wie um den Mittelpunkt bewegt. Daß auch die Religion hier als angebohrne Liebhaberey dargestellt wird, die sich durch sich selbst freyen Spielraum schafft und stufenweise zur Kunst vollendet, stimmt vollkommen zu dem kuͤnstlerischen Geist des Ganzen und es wird dadurch, wie an dem auffallendsten Beyspiele gezeigt, daß er alles so behandeln und behandelt wissen moͤchte. Die Schonung des Oheims gegen die Tante ist die staͤrkste Versinnlichung der unglaublichen Toleranz jener großen Maͤnner, in denen sich der Weltgeist des Werks am unmittelbarsten offenbart. Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schoͤnste Beweis, den ein Kuͤnstler von der unergruͤndlichen Tiefe seines Vermoͤgens geben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0361" n="172"/> entgegenzusetzen. Hier hat sich das Jnnre nur gleichsam selbst ausgehoͤhlt. Es ist der Gipfel der ausgebildeten Einseitigkeit, dem das Bild reifer Allgemeinheit eines großen Sinnes gegenuͤbersteht. Der Onkel naͤmlich ruht im Hintergrunde dieses Gemaͤhldes, wie ein gewaltiges Gebaͤude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhaͤltnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. Es ist eine ganz neue Erscheinung in dieser Suite von Bildungsstuͤcken. Bekenntnisse zu schreiben waͤre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit maͤnnlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen Welt gebildet, die sich um seinen selbstaͤndigen Geist wie um den Mittelpunkt bewegt.</p><lb/> <p>Daß auch die Religion hier als angebohrne Liebhaberey dargestellt wird, die sich durch sich selbst freyen Spielraum schafft und stufenweise zur Kunst vollendet, stimmt vollkommen zu dem kuͤnstlerischen Geist des Ganzen und es wird dadurch, wie an dem auffallendsten Beyspiele gezeigt, daß er alles so behandeln und behandelt wissen moͤchte. Die Schonung des Oheims gegen die Tante ist die staͤrkste Versinnlichung der unglaublichen Toleranz jener großen Maͤnner, in denen sich der Weltgeist des Werks am unmittelbarsten offenbart. Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schoͤnste Beweis, den ein Kuͤnstler von der unergruͤndlichen Tiefe seines Vermoͤgens geben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0361]
entgegenzusetzen. Hier hat sich das Jnnre nur gleichsam selbst ausgehoͤhlt. Es ist der Gipfel der ausgebildeten Einseitigkeit, dem das Bild reifer Allgemeinheit eines großen Sinnes gegenuͤbersteht. Der Onkel naͤmlich ruht im Hintergrunde dieses Gemaͤhldes, wie ein gewaltiges Gebaͤude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhaͤltnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. Es ist eine ganz neue Erscheinung in dieser Suite von Bildungsstuͤcken. Bekenntnisse zu schreiben waͤre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit maͤnnlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur zu einer klassischen Welt gebildet, die sich um seinen selbstaͤndigen Geist wie um den Mittelpunkt bewegt.
Daß auch die Religion hier als angebohrne Liebhaberey dargestellt wird, die sich durch sich selbst freyen Spielraum schafft und stufenweise zur Kunst vollendet, stimmt vollkommen zu dem kuͤnstlerischen Geist des Ganzen und es wird dadurch, wie an dem auffallendsten Beyspiele gezeigt, daß er alles so behandeln und behandelt wissen moͤchte. Die Schonung des Oheims gegen die Tante ist die staͤrkste Versinnlichung der unglaublichen Toleranz jener großen Maͤnner, in denen sich der Weltgeist des Werks am unmittelbarsten offenbart. Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schoͤnste Beweis, den ein Kuͤnstler von der unergruͤndlichen Tiefe seines Vermoͤgens geben
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