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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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ob sie stark oder sanft klingen? Jch denke niemand von euch findet Wörter wie aotos oder ouata weich.

Jtaliäner. Wegen des Weichlichen laß mich nur die Klage gegen ihn führen. Klopstock ist hierin mit niemanden übler umgegangen als mit meiner Sprache.

Deutscher."Sie zerfließt auch beynah, und ist obendrein einförmig. Jhre Schlußsylben wechseln meistens nur mit den vier Vokalen a, e, i, o."

Jtaliäner. Wer fragt nach übelklingender Mannichfaltigkeit? Und hast du ein Recht, mir diesen Wechsel als Einförmigkeit vorzurücken, da du fast keinen schließenden Vokal als E kennst?

Deutscher. "Dieser Fehler wird durch die einförmige Sylbenzeit noch auffallender; denn deine Endungen sind fast immer weiblich"

Jtaliäner. Durch die dreyerley Akzente (amd, amando, amabile) werden die Schlußfälle der Wörter mannichfaltig genug. Den weiblichen hört man freylich am oftesten, aber er fällt weniger auf, weil der Schlußvokal sich so oft in den anfangenden des nächsten Worts verschmelzt. Das Vorurtheil, als ob die Weichheit durchgängig in unsrer Sprache herrschte, hat Rousseau schon wiederlegt, und man muß sich wundern, dergleichen Behauptungen immer wieder gebracht zu sehn. Wenn ich dir nun zeigte, daß meine Sprache das Starke der Gegenstände weit besser als deine bezeichnet?

Deutscher. Das wäre!

ob sie stark oder sanft klingen? Jch denke niemand von euch findet Woͤrter wie ἄωτος oder ὄυατα weich.

Jtaliaͤner. Wegen des Weichlichen laß mich nur die Klage gegen ihn fuͤhren. Klopstock ist hierin mit niemanden uͤbler umgegangen als mit meiner Sprache.

Deutscher.„Sie zerfließt auch beynah, und ist obendrein einfoͤrmig. Jhre Schlußsylben wechseln meistens nur mit den vier Vokalen a, e, i, o.“

Jtaliaͤner. Wer fragt nach uͤbelklingender Mannichfaltigkeit? Und hast du ein Recht, mir diesen Wechsel als Einfoͤrmigkeit vorzuruͤcken, da du fast keinen schließenden Vokal als E kennst?

Deutscher. „Dieser Fehler wird durch die einfoͤrmige Sylbenzeit noch auffallender; denn deine Endungen sind fast immer weiblich“

Jtaliaͤner. Durch die dreyerley Akzente (amd, amàndo, amàbile) werden die Schlußfaͤlle der Woͤrter mannichfaltig genug. Den weiblichen hoͤrt man freylich am oftesten, aber er faͤllt weniger auf, weil der Schlußvokal sich so oft in den anfangenden des naͤchsten Worts verschmelzt. Das Vorurtheil, als ob die Weichheit durchgaͤngig in unsrer Sprache herrschte, hat Rousseau schon wiederlegt, und man muß sich wundern, dergleichen Behauptungen immer wieder gebracht zu sehn. Wenn ich dir nun zeigte, daß meine Sprache das Starke der Gegenstaͤnde weit besser als deine bezeichnet?

Deutscher. Das waͤre!

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[29/0040] ob sie stark oder sanft klingen? Jch denke niemand von euch findet Woͤrter wie ἄωτος oder ὄυατα weich. Jtaliaͤner. Wegen des Weichlichen laß mich nur die Klage gegen ihn fuͤhren. Klopstock ist hierin mit niemanden uͤbler umgegangen als mit meiner Sprache. Deutscher.„Sie zerfließt auch beynah, und ist obendrein einfoͤrmig. Jhre Schlußsylben wechseln meistens nur mit den vier Vokalen a, e, i, o.“ Jtaliaͤner. Wer fragt nach uͤbelklingender Mannichfaltigkeit? Und hast du ein Recht, mir diesen Wechsel als Einfoͤrmigkeit vorzuruͤcken, da du fast keinen schließenden Vokal als E kennst? Deutscher. „Dieser Fehler wird durch die einfoͤrmige Sylbenzeit noch auffallender; denn deine Endungen sind fast immer weiblich“ Jtaliaͤner. Durch die dreyerley Akzente (amd, amàndo, amàbile) werden die Schlußfaͤlle der Woͤrter mannichfaltig genug. Den weiblichen hoͤrt man freylich am oftesten, aber er faͤllt weniger auf, weil der Schlußvokal sich so oft in den anfangenden des naͤchsten Worts verschmelzt. Das Vorurtheil, als ob die Weichheit durchgaͤngig in unsrer Sprache herrschte, hat Rousseau schon wiederlegt, und man muß sich wundern, dergleichen Behauptungen immer wieder gebracht zu sehn. Wenn ich dir nun zeigte, daß meine Sprache das Starke der Gegenstaͤnde weit besser als deine bezeichnet? Deutscher. Das waͤre!

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/40>, abgerufen am 30.04.2024.