Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Römer. Jn beyden Stücken kann es die Deutsche Sprache den alten und besonders meiner nicht gleich thun. Diese ist noch kürzer als die Griechische, weil sie keinen Artikel und keine Partikeln hat. Grieche. Die Partikeln verlängern die Sprache wenig, weil sie sich ganz an die größern Wortmassen anfügen. Der Artikel ist erst später in unsre Sprache gekommen: Homer hat ihn noch nicht, und unsre Dichter waren daher überhaupt nicht so sehr an ihn gebunden. Römer. Und weil sie vieles durch Umendungen der Nennwörter anzeigt, wozu die Griechische Beziehungswörter braucht. Das Deutsche hat nun obendrein die unvollständige Biegung der Zeitwörter, welche ihm oft doppelte Hülfswörter, und die beständige Wiederholung der persönlichen Fürwörter nöthig macht. Redensarten wie: ostendite bellum, pacem habebitis, mögt ihr in der Sylbenzahl kürzen; in wie viele Wörter und Wörtchen müßt ihr sie zerstücken! Eben die vollständige Bestimmtheit, womit wir die Nebenbegriffe und Verhältnisse an den Hauptwörtern bezeichnen, macht auch, daß wir viel auslassen dürfen, ohne, wie ihr, Zweydeutigkeit und Verworrenheit zu befürchten. Dazu kommen nun noch jene zusammendrängenden Wendungen: der bey euch so sehr beschränkte Gebrauch des Partizips, der absolute Ablativ u. s. w. Deutscher. Wir können mehre Hauptbegriffe zu einem Worte vereinigen. Römer. Das ist etwas. Unsre Sprache hat Roͤmer. Jn beyden Stuͤcken kann es die Deutsche Sprache den alten und besonders meiner nicht gleich thun. Diese ist noch kuͤrzer als die Griechische, weil sie keinen Artikel und keine Partikeln hat. Grieche. Die Partikeln verlaͤngern die Sprache wenig, weil sie sich ganz an die groͤßern Wortmassen anfuͤgen. Der Artikel ist erst spaͤter in unsre Sprache gekommen: Homer hat ihn noch nicht, und unsre Dichter waren daher uͤberhaupt nicht so sehr an ihn gebunden. Roͤmer. Und weil sie vieles durch Umendungen der Nennwoͤrter anzeigt, wozu die Griechische Beziehungswoͤrter braucht. Das Deutsche hat nun obendrein die unvollstaͤndige Biegung der Zeitwoͤrter, welche ihm oft doppelte Huͤlfswoͤrter, und die bestaͤndige Wiederholung der persoͤnlichen Fuͤrwoͤrter noͤthig macht. Redensarten wie: ostendite bellum, pacem habebitis, moͤgt ihr in der Sylbenzahl kuͤrzen; in wie viele Woͤrter und Woͤrtchen muͤßt ihr sie zerstuͤcken! Eben die vollstaͤndige Bestimmtheit, womit wir die Nebenbegriffe und Verhaͤltnisse an den Hauptwoͤrtern bezeichnen, macht auch, daß wir viel auslassen duͤrfen, ohne, wie ihr, Zweydeutigkeit und Verworrenheit zu befuͤrchten. Dazu kommen nun noch jene zusammendraͤngenden Wendungen: der bey euch so sehr beschraͤnkte Gebrauch des Partizips, der absolute Ablativ u. s. w. Deutscher. Wir koͤnnen mehre Hauptbegriffe zu einem Worte vereinigen. Roͤmer. Das ist etwas. Unsre Sprache hat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0067" n="56"/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Jn beyden Stuͤcken kann es die Deutsche Sprache den alten und besonders meiner nicht gleich thun. Diese ist noch kuͤrzer als die Griechische, weil sie keinen Artikel und keine Partikeln hat.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche.</hi> Die Partikeln verlaͤngern die Sprache wenig, weil sie sich ganz an die groͤßern Wortmassen anfuͤgen. Der Artikel ist erst spaͤter in unsre Sprache gekommen: Homer hat ihn noch nicht, und unsre Dichter waren daher uͤberhaupt nicht so sehr an ihn gebunden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Und weil sie vieles durch Umendungen der Nennwoͤrter anzeigt, wozu die Griechische Beziehungswoͤrter braucht. Das Deutsche hat nun obendrein die unvollstaͤndige Biegung der Zeitwoͤrter, welche ihm oft doppelte Huͤlfswoͤrter, und die bestaͤndige Wiederholung der persoͤnlichen Fuͤrwoͤrter noͤthig macht. Redensarten wie: <foreign xml:lang="la">ostendite bellum, pacem habebitis,</foreign> moͤgt ihr in der Sylbenzahl kuͤrzen; in wie viele Woͤrter und Woͤrtchen muͤßt ihr sie zerstuͤcken! Eben die vollstaͤndige Bestimmtheit, womit wir die Nebenbegriffe und Verhaͤltnisse an den Hauptwoͤrtern bezeichnen, macht auch, daß wir viel auslassen duͤrfen, ohne, wie ihr, Zweydeutigkeit und Verworrenheit zu befuͤrchten. Dazu kommen nun noch jene zusammendraͤngenden Wendungen: der bey euch so sehr beschraͤnkte Gebrauch des Partizips, der absolute Ablativ u. s. w.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> Wir koͤnnen mehre Hauptbegriffe zu einem Worte vereinigen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Das ist etwas. Unsre Sprache hat<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0067]
Roͤmer. Jn beyden Stuͤcken kann es die Deutsche Sprache den alten und besonders meiner nicht gleich thun. Diese ist noch kuͤrzer als die Griechische, weil sie keinen Artikel und keine Partikeln hat.
Grieche. Die Partikeln verlaͤngern die Sprache wenig, weil sie sich ganz an die groͤßern Wortmassen anfuͤgen. Der Artikel ist erst spaͤter in unsre Sprache gekommen: Homer hat ihn noch nicht, und unsre Dichter waren daher uͤberhaupt nicht so sehr an ihn gebunden.
Roͤmer. Und weil sie vieles durch Umendungen der Nennwoͤrter anzeigt, wozu die Griechische Beziehungswoͤrter braucht. Das Deutsche hat nun obendrein die unvollstaͤndige Biegung der Zeitwoͤrter, welche ihm oft doppelte Huͤlfswoͤrter, und die bestaͤndige Wiederholung der persoͤnlichen Fuͤrwoͤrter noͤthig macht. Redensarten wie: ostendite bellum, pacem habebitis, moͤgt ihr in der Sylbenzahl kuͤrzen; in wie viele Woͤrter und Woͤrtchen muͤßt ihr sie zerstuͤcken! Eben die vollstaͤndige Bestimmtheit, womit wir die Nebenbegriffe und Verhaͤltnisse an den Hauptwoͤrtern bezeichnen, macht auch, daß wir viel auslassen duͤrfen, ohne, wie ihr, Zweydeutigkeit und Verworrenheit zu befuͤrchten. Dazu kommen nun noch jene zusammendraͤngenden Wendungen: der bey euch so sehr beschraͤnkte Gebrauch des Partizips, der absolute Ablativ u. s. w.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/67>, abgerufen am 16.02.2025. |