Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Sankt Lukas sah ein Traumgesicht: Geh! mach Dich auf und zögre nicht, Das schönste Bild zu mahlen. Von Deinen Händen aufgestellt, Soll einst der ganzen Christenwelt Die Mutter Gottes strahlen. Er fuhr vom Morgenschlaf empor, Noch tönt die Stimm' in seinem Ohr; Er rafft sich aus dem Bette, Nimmt seinen Mantel um und geht, Mit Farbenkasten und Geräth Und Pinsel und Palette. So wandert er mit stillem Tritt, Nun sieht er schon Mariens Hütt' Und klopfet an die Pforte. Er grüßt im Namen unsers Herrn, Sie öffnet und empfängt ihn gern Mit manchem holden Worte. "O Jungfrau, wende Deine Gunst Auf mein bescheidnes Theil der Kunst Die Gott mich üben lassen! Wie hoch gesegnet wär sie nicht, Wenn ich Dein heil'ges Angesicht Jm Bildniß dürfte fassen!" -- Sie sprach darauf demüthiglich:
Ja, Deine Hand erquickte mich Mit meines Sohnes Bilde. Er lächelt mir noch immer zu, Obschon erhöht zur Wonn' und Ruh Der himmlischen Gefilde. Sankt Lukas sah ein Traumgesicht: Geh! mach Dich auf und zoͤgre nicht, Das schoͤnste Bild zu mahlen. Von Deinen Haͤnden aufgestellt, Soll einst der ganzen Christenwelt Die Mutter Gottes strahlen. Er fuhr vom Morgenschlaf empor, Noch toͤnt die Stimm' in seinem Ohr; Er rafft sich aus dem Bette, Nimmt seinen Mantel um und geht, Mit Farbenkasten und Geraͤth Und Pinsel und Palette. So wandert er mit stillem Tritt, Nun sieht er schon Mariens Huͤtt' Und klopfet an die Pforte. Er gruͤßt im Namen unsers Herrn, Sie oͤffnet und empfaͤngt ihn gern Mit manchem holden Worte. “O Jungfrau, wende Deine Gunst Auf mein bescheidnes Theil der Kunst Die Gott mich uͤben lassen! Wie hoch gesegnet waͤr sie nicht, Wenn ich Dein heil'ges Angesicht Jm Bildniß duͤrfte fassen!” — Sie sprach darauf demuͤthiglich:
Ja, Deine Hand erquickte mich Mit meines Sohnes Bilde. Er laͤchelt mir noch immer zu, Obschon erhoͤht zur Wonn' und Ruh Der himmlischen Gefilde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0155" n="147"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sankt Lukas sah ein Traumgesicht:</l><lb/> <l>Geh! mach Dich auf und zoͤgre nicht,</l><lb/> <l>Das schoͤnste Bild zu mahlen.</l><lb/> <l>Von Deinen Haͤnden aufgestellt,</l><lb/> <l>Soll einst der ganzen Christenwelt</l><lb/> <l>Die Mutter Gottes strahlen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Er fuhr vom Morgenschlaf empor,</l><lb/> <l>Noch toͤnt die Stimm' in seinem Ohr;</l><lb/> <l>Er rafft sich aus dem Bette,</l><lb/> <l>Nimmt seinen Mantel um und geht,</l><lb/> <l>Mit Farbenkasten und Geraͤth</l><lb/> <l>Und Pinsel und Palette.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So wandert er mit stillem Tritt,</l><lb/> <l>Nun sieht er schon Mariens Huͤtt'</l><lb/> <l>Und klopfet an die Pforte.</l><lb/> <l>Er gruͤßt im Namen unsers Herrn,</l><lb/> <l>Sie oͤffnet und empfaͤngt ihn gern</l><lb/> <l>Mit manchem holden Worte.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>“O Jungfrau, wende Deine Gunst</l><lb/> <l>Auf mein bescheidnes Theil der Kunst</l><lb/> <l>Die Gott mich uͤben lassen!</l><lb/> <l>Wie hoch gesegnet waͤr sie nicht,</l><lb/> <l>Wenn ich Dein heil'ges Angesicht</l><lb/> <l>Jm Bildniß duͤrfte fassen!” —</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie sprach darauf demuͤthiglich:</l><lb/> <l>Ja, Deine Hand erquickte mich</l><lb/> <l>Mit meines Sohnes Bilde.</l><lb/> <l>Er laͤchelt mir noch immer zu,</l><lb/> <l>Obschon erhoͤht zur Wonn' und Ruh</l><lb/> <l>Der himmlischen Gefilde.</l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0155]
Sankt Lukas sah ein Traumgesicht:
Geh! mach Dich auf und zoͤgre nicht,
Das schoͤnste Bild zu mahlen.
Von Deinen Haͤnden aufgestellt,
Soll einst der ganzen Christenwelt
Die Mutter Gottes strahlen.
Er fuhr vom Morgenschlaf empor,
Noch toͤnt die Stimm' in seinem Ohr;
Er rafft sich aus dem Bette,
Nimmt seinen Mantel um und geht,
Mit Farbenkasten und Geraͤth
Und Pinsel und Palette.
So wandert er mit stillem Tritt,
Nun sieht er schon Mariens Huͤtt'
Und klopfet an die Pforte.
Er gruͤßt im Namen unsers Herrn,
Sie oͤffnet und empfaͤngt ihn gern
Mit manchem holden Worte.
“O Jungfrau, wende Deine Gunst
Auf mein bescheidnes Theil der Kunst
Die Gott mich uͤben lassen!
Wie hoch gesegnet waͤr sie nicht,
Wenn ich Dein heil'ges Angesicht
Jm Bildniß duͤrfte fassen!” —
Sie sprach darauf demuͤthiglich:
Ja, Deine Hand erquickte mich
Mit meines Sohnes Bilde.
Er laͤchelt mir noch immer zu,
Obschon erhoͤht zur Wonn' und Ruh
Der himmlischen Gefilde.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/155>, abgerufen am 17.02.2025. |