Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
Entschlummert war die Gottesbraut
Wie Blumen, wann der Abend thaut;
Sie wollten sie begraben,
Da ward sie in verklärtem Licht
Vor der Apostel Angesicht
Gen Himmel aufgehaben.
Erstaunt und froh schaut er umher,
Die Blick' erreichen sie nicht mehr
Die er nach droben sendet.
Obschon im Geist von ihr erfüllt,
Wagt er die Hand nicht an ihr Bild:
So blieb es unvollendet.
Und war auch so der Frommen Lust,
Und regt' auch so in jeder Brust
Ein heiliges Beginnen.
Es kamen Pilger fern und nah,
Und wer die Demuthsvolle sah,
Ward hoher Segnung innen.
Vieltausendfältig konterfeyt
Erschien sie aller Christenheit
Mit eben diesen Zügen.
Es mußte manch Jahrhundert lang
Der Andacht und dem Liebesdrang
Ein schwacher Umriß gnügen.
Doch endlich kam Sankt Raphael,
Jn seinen Augen glänzten hell
Die himmlischen Gestalten.
Herabgesandt von sel'gen Höhn,
Hatt' er die Hehre selbst gesehn
An Gottes Throne walten.
Entschlummert war die Gottesbraut
Wie Blumen, wann der Abend thaut;
Sie wollten sie begraben,
Da ward sie in verklaͤrtem Licht
Vor der Apostel Angesicht
Gen Himmel aufgehaben.
Erstaunt und froh schaut er umher,
Die Blick' erreichen sie nicht mehr
Die er nach droben sendet.
Obschon im Geist von ihr erfuͤllt,
Wagt er die Hand nicht an ihr Bild:
So blieb es unvollendet.
Und war auch so der Frommen Lust,
Und regt' auch so in jeder Brust
Ein heiliges Beginnen.
Es kamen Pilger fern und nah,
Und wer die Demuthsvolle sah,
Ward hoher Segnung innen.
Vieltausendfaͤltig konterfeyt
Erschien sie aller Christenheit
Mit eben diesen Zuͤgen.
Es mußte manch Jahrhundert lang
Der Andacht und dem Liebesdrang
Ein schwacher Umriß gnuͤgen.
Doch endlich kam Sankt Raphael,
Jn seinen Augen glaͤnzten hell
Die himmlischen Gestalten.
Herabgesandt von sel'gen Hoͤhn,
Hatt' er die Hehre selbst gesehn
An Gottes Throne walten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0158" n="150"/>
            <lg n="16">
              <l>Entschlummert war die Gottesbraut</l><lb/>
              <l>Wie Blumen, wann der Abend thaut;</l><lb/>
              <l>Sie wollten sie begraben,</l><lb/>
              <l>Da ward sie in verkla&#x0364;rtem Licht</l><lb/>
              <l>Vor der Apostel Angesicht</l><lb/>
              <l>Gen Himmel aufgehaben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>Erstaunt und froh schaut er umher,</l><lb/>
              <l>Die Blick' erreichen sie nicht mehr</l><lb/>
              <l>Die er nach droben sendet.</l><lb/>
              <l>Obschon im Geist von ihr erfu&#x0364;llt,</l><lb/>
              <l>Wagt er die Hand nicht an ihr Bild:</l><lb/>
              <l>So blieb es unvollendet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Und war auch so der Frommen Lust,</l><lb/>
              <l>Und regt' auch so in jeder Brust</l><lb/>
              <l>Ein heiliges Beginnen.</l><lb/>
              <l>Es kamen Pilger fern und nah,</l><lb/>
              <l>Und wer die Demuthsvolle sah,</l><lb/>
              <l>Ward hoher Segnung innen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Vieltausendfa&#x0364;ltig konterfeyt</l><lb/>
              <l>Erschien sie aller Christenheit</l><lb/>
              <l>Mit eben diesen Zu&#x0364;gen.</l><lb/>
              <l>Es mußte manch Jahrhundert lang</l><lb/>
              <l>Der Andacht und dem Liebesdrang</l><lb/>
              <l>Ein schwacher Umriß gnu&#x0364;gen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="20">
              <l>Doch endlich kam Sankt Raphael,</l><lb/>
              <l>Jn seinen Augen gla&#x0364;nzten hell</l><lb/>
              <l>Die himmlischen Gestalten.</l><lb/>
              <l>Herabgesandt von sel'gen Ho&#x0364;hn,</l><lb/>
              <l>Hatt' er die Hehre selbst gesehn</l><lb/>
              <l>An Gottes Throne walten.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0158] Entschlummert war die Gottesbraut Wie Blumen, wann der Abend thaut; Sie wollten sie begraben, Da ward sie in verklaͤrtem Licht Vor der Apostel Angesicht Gen Himmel aufgehaben. Erstaunt und froh schaut er umher, Die Blick' erreichen sie nicht mehr Die er nach droben sendet. Obschon im Geist von ihr erfuͤllt, Wagt er die Hand nicht an ihr Bild: So blieb es unvollendet. Und war auch so der Frommen Lust, Und regt' auch so in jeder Brust Ein heiliges Beginnen. Es kamen Pilger fern und nah, Und wer die Demuthsvolle sah, Ward hoher Segnung innen. Vieltausendfaͤltig konterfeyt Erschien sie aller Christenheit Mit eben diesen Zuͤgen. Es mußte manch Jahrhundert lang Der Andacht und dem Liebesdrang Ein schwacher Umriß gnuͤgen. Doch endlich kam Sankt Raphael, Jn seinen Augen glaͤnzten hell Die himmlischen Gestalten. Herabgesandt von sel'gen Hoͤhn, Hatt' er die Hehre selbst gesehn An Gottes Throne walten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/158
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/158>, abgerufen am 23.11.2024.