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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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III.
Ueber die natürliche Gleichheit der Menschen.



Wir setzen in der Mittheilung unsrer Gedanken immer als nothwendig voraus, daß wir zu Menschen reden, denen wir uns verständlich machen können; eine Voraussetzung, die wir überhaupt aller Erfahrung zum Grunde legen, und die eben darum auch durch keine Erfahrung aufgehoben werden kann.

Dies zeigt sich nicht deutlicher, als in der fast allgemeinen Klage über Mißdeutung und Mißverstand. Sie wäre selbst gar nicht möglich, wenn jene Voraussetzung nicht gemacht wäre. Aber sie stöhrt auch unsre gesellschaftlichen Zwecke so wenig, daß sie vielmehr jede Anstrengung zur Einigung unsrer Geister nur noch erhöhet und belebet.

So ist es Thatsache der Geschichte alter und neuer Zeiten, und es wäre für unser Nachstreben ein schöner Gewinn, wenn die Menschen auf sie merkten, und so die ganze Erfahrung, in der Beziehung jeder Thatsache auf den handelnden Geist, als Wahrheit dieses Geistes begreifen lernten. Die oft harte und unfreundliche

III.
Ueber die natuͤrliche Gleichheit der Menschen.



Wir setzen in der Mittheilung unsrer Gedanken immer als nothwendig voraus, daß wir zu Menschen reden, denen wir uns verstaͤndlich machen koͤnnen; eine Voraussetzung, die wir uͤberhaupt aller Erfahrung zum Grunde legen, und die eben darum auch durch keine Erfahrung aufgehoben werden kann.

Dies zeigt sich nicht deutlicher, als in der fast allgemeinen Klage uͤber Mißdeutung und Mißverstand. Sie waͤre selbst gar nicht moͤglich, wenn jene Voraussetzung nicht gemacht waͤre. Aber sie stoͤhrt auch unsre gesellschaftlichen Zwecke so wenig, daß sie vielmehr jede Anstrengung zur Einigung unsrer Geister nur noch erhoͤhet und belebet.

So ist es Thatsache der Geschichte alter und neuer Zeiten, und es waͤre fuͤr unser Nachstreben ein schoͤner Gewinn, wenn die Menschen auf sie merkten, und so die ganze Erfahrung, in der Beziehung jeder Thatsache auf den handelnden Geist, als Wahrheit dieses Geistes begreifen lernten. Die oft harte und unfreundliche

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[152/0160] III. Ueber die natuͤrliche Gleichheit der Menschen. Wir setzen in der Mittheilung unsrer Gedanken immer als nothwendig voraus, daß wir zu Menschen reden, denen wir uns verstaͤndlich machen koͤnnen; eine Voraussetzung, die wir uͤberhaupt aller Erfahrung zum Grunde legen, und die eben darum auch durch keine Erfahrung aufgehoben werden kann. Dies zeigt sich nicht deutlicher, als in der fast allgemeinen Klage uͤber Mißdeutung und Mißverstand. Sie waͤre selbst gar nicht moͤglich, wenn jene Voraussetzung nicht gemacht waͤre. Aber sie stoͤhrt auch unsre gesellschaftlichen Zwecke so wenig, daß sie vielmehr jede Anstrengung zur Einigung unsrer Geister nur noch erhoͤhet und belebet. So ist es Thatsache der Geschichte alter und neuer Zeiten, und es waͤre fuͤr unser Nachstreben ein schoͤner Gewinn, wenn die Menschen auf sie merkten, und so die ganze Erfahrung, in der Beziehung jeder Thatsache auf den handelnden Geist, als Wahrheit dieses Geistes begreifen lernten. Die oft harte und unfreundliche

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/160>, abgerufen am 23.05.2024.