Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Ganze aber ist nicht mit einem andern zu vergleichen, sondern durch die eigne Beziehung seiner freyen Thätigkeit ergeht die nothwendige Forderung, daß alle Verschiedenheit aufhöre. Jn so fern diese nun Statt findet durch das Verhältniß im Staate, sehen wir die Menschen überall in einem ungleichen Kampfe nach Wohlbefinden und höherer Geisteskultur. Tausende erscheinen uns sogar wie im Schlummer ihres Daseyns, wo selbst die Ahnung eines bessern Lebens noch kaum die starre Brust bewegen und erwärmen kann.

Diese Ungleichheit unter den Menschen ist indeß eben so nothwendig, als die Gesellschaft es selbst ist, und weit entfernt uns dieselbe zum Vorwurfe zu machen, kommt es vielmehr nur darauf an, sie still und richtig zu begreifen. Dies liegt auch mit in den Verhältnissen des wirklichen Lebens, wo es keine geringe Absicht ist, das bessere Nachdenken unter uns zu erwecken und es wohlthätig für das gesellschaftliche Leben zu machen. Auch haben es die Menschen von jeher versucht, ihren Zustand des wirklichen Lebens gegen die Wünsche und Forderungen ihres Jnnern zu begreifen, und sie begriffen ihn allgemein nur als eine Störung in der Natur.

Aber die Vorstellung von einer möglichen Gleichheit unter den Menschen hatte dennoch von jeher ein so großes Jnteresse für die Einbildungskraft, daß selbst ihr Widerspruch mit der Erfahrung nicht verhindern konnte, sie zum wenigsten in religiöser Rücksicht unter die Glaubensartikel mit aufzunehmen.

Bei allen Völkern der Erde, die ihren Ursprung

Ganze aber ist nicht mit einem andern zu vergleichen, sondern durch die eigne Beziehung seiner freyen Thaͤtigkeit ergeht die nothwendige Forderung, daß alle Verschiedenheit aufhoͤre. Jn so fern diese nun Statt findet durch das Verhaͤltniß im Staate, sehen wir die Menschen uͤberall in einem ungleichen Kampfe nach Wohlbefinden und hoͤherer Geisteskultur. Tausende erscheinen uns sogar wie im Schlummer ihres Daseyns, wo selbst die Ahnung eines bessern Lebens noch kaum die starre Brust bewegen und erwaͤrmen kann.

Diese Ungleichheit unter den Menschen ist indeß eben so nothwendig, als die Gesellschaft es selbst ist, und weit entfernt uns dieselbe zum Vorwurfe zu machen, kommt es vielmehr nur darauf an, sie still und richtig zu begreifen. Dies liegt auch mit in den Verhaͤltnissen des wirklichen Lebens, wo es keine geringe Absicht ist, das bessere Nachdenken unter uns zu erwecken und es wohlthaͤtig fuͤr das gesellschaftliche Leben zu machen. Auch haben es die Menschen von jeher versucht, ihren Zustand des wirklichen Lebens gegen die Wuͤnsche und Forderungen ihres Jnnern zu begreifen, und sie begriffen ihn allgemein nur als eine Stoͤrung in der Natur.

Aber die Vorstellung von einer moͤglichen Gleichheit unter den Menschen hatte dennoch von jeher ein so großes Jnteresse fuͤr die Einbildungskraft, daß selbst ihr Widerspruch mit der Erfahrung nicht verhindern konnte, sie zum wenigsten in religioͤser Ruͤcksicht unter die Glaubensartikel mit aufzunehmen.

Bei allen Voͤlkern der Erde, die ihren Ursprung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="157"/>
Ganze aber ist nicht mit einem andern zu vergleichen, sondern durch die eigne Beziehung seiner freyen Tha&#x0364;tigkeit ergeht die nothwendige Forderung, daß alle Verschiedenheit aufho&#x0364;re. Jn so fern diese nun Statt findet durch das Verha&#x0364;ltniß im Staate, sehen wir die Menschen u&#x0364;berall in einem ungleichen Kampfe nach Wohlbefinden und ho&#x0364;herer Geisteskultur. Tausende erscheinen uns sogar wie im Schlummer ihres Daseyns, wo selbst die Ahnung eines bessern Lebens noch kaum die starre Brust bewegen und erwa&#x0364;rmen kann.</p><lb/>
          <p>Diese Ungleichheit unter den Menschen ist indeß eben so nothwendig, als die Gesellschaft es selbst ist, und weit entfernt uns dieselbe zum Vorwurfe zu machen, kommt es vielmehr nur darauf an, sie still und richtig zu begreifen. Dies liegt auch mit in den Verha&#x0364;ltnissen des wirklichen Lebens, wo es keine geringe Absicht ist, das bessere Nachdenken unter uns zu erwecken und es wohltha&#x0364;tig fu&#x0364;r das gesellschaftliche Leben zu machen. Auch haben es die Menschen von jeher versucht, ihren Zustand des wirklichen Lebens gegen die Wu&#x0364;nsche und Forderungen ihres Jnnern zu begreifen, und sie begriffen ihn allgemein nur <hi rendition="#g">als eine Sto&#x0364;rung in der Natur</hi>.</p><lb/>
          <p>Aber die Vorstellung von einer mo&#x0364;glichen Gleichheit unter den Menschen hatte dennoch von jeher ein so großes Jnteresse fu&#x0364;r die Einbildungskraft, daß selbst ihr Widerspruch mit der Erfahrung nicht verhindern konnte, sie zum wenigsten in religio&#x0364;ser Ru&#x0364;cksicht unter die Glaubensartikel mit aufzunehmen.</p><lb/>
          <p>Bei allen Vo&#x0364;lkern der Erde, die ihren Ursprung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0165] Ganze aber ist nicht mit einem andern zu vergleichen, sondern durch die eigne Beziehung seiner freyen Thaͤtigkeit ergeht die nothwendige Forderung, daß alle Verschiedenheit aufhoͤre. Jn so fern diese nun Statt findet durch das Verhaͤltniß im Staate, sehen wir die Menschen uͤberall in einem ungleichen Kampfe nach Wohlbefinden und hoͤherer Geisteskultur. Tausende erscheinen uns sogar wie im Schlummer ihres Daseyns, wo selbst die Ahnung eines bessern Lebens noch kaum die starre Brust bewegen und erwaͤrmen kann. Diese Ungleichheit unter den Menschen ist indeß eben so nothwendig, als die Gesellschaft es selbst ist, und weit entfernt uns dieselbe zum Vorwurfe zu machen, kommt es vielmehr nur darauf an, sie still und richtig zu begreifen. Dies liegt auch mit in den Verhaͤltnissen des wirklichen Lebens, wo es keine geringe Absicht ist, das bessere Nachdenken unter uns zu erwecken und es wohlthaͤtig fuͤr das gesellschaftliche Leben zu machen. Auch haben es die Menschen von jeher versucht, ihren Zustand des wirklichen Lebens gegen die Wuͤnsche und Forderungen ihres Jnnern zu begreifen, und sie begriffen ihn allgemein nur als eine Stoͤrung in der Natur. Aber die Vorstellung von einer moͤglichen Gleichheit unter den Menschen hatte dennoch von jeher ein so großes Jnteresse fuͤr die Einbildungskraft, daß selbst ihr Widerspruch mit der Erfahrung nicht verhindern konnte, sie zum wenigsten in religioͤser Ruͤcksicht unter die Glaubensartikel mit aufzunehmen. Bei allen Voͤlkern der Erde, die ihren Ursprung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/165
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/165>, abgerufen am 18.05.2024.