Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Dir entringeln die Schlangen um Jlions Held und die Knaben Jhre Gewinde: wir sehn, wie die bewaffnete Kunst Zögernd der Götter Gerichte vollführt; die schonende Hand goß Linde der Anmuth Oel über den duldenden Stein. So hebt Niobe dort die verstummenden Blicke zum Himmel, Groß gewendet; ihr haucht um den geöffneten Mund. Heilige Charis, die zürnet und fleht; ach, wenn sie erstarrt noch Sah Latona so schön, mußte, zu spät, sie verzeihn! Leih den Gestalten dein bildendes Wort; aus verbrüdertem Geiste Freundlich zurückgestrahlt, spiegle sich Kunst in der Kunst. Was der Genius hegt, der schirmende, wohnt in dem Frieden Einer göttlichen Brust frey von der Erde Gewalt. Da verwahrest du sicher, was gern dir Ausonien zeigte, Flüchtend vor der Gefahr wählt' es ein reines Asyl. So bewahrte die Erd' einst diese Zeugen der Vorwelt Sorgsam im Schooße, sie hielt Keime lebendig versteckt Wiedergebohrner Kunst und Begeisterung: endlich erstand sie, Aus der unteren Welt Tiefen dem Leben und Licht, Froh zu der Mutter Umarmung, die längst verlohrene Tochter. Mancher Künstler verstand jenes Heroengeschlechts Unvergängliche Sprache, die Götzen wurden zu Göttern, Und den Bestätigten ward freye Verehrung geweiht, Dir entringeln die Schlangen um Jlions Held und die Knaben Jhre Gewinde: wir sehn, wie die bewaffnete Kunst Zoͤgernd der Goͤtter Gerichte vollfuͤhrt; die schonende Hand goß Linde der Anmuth Oel uͤber den duldenden Stein. So hebt Niobe dort die verstummenden Blicke zum Himmel, Groß gewendet; ihr haucht um den geoͤffneten Mund. Heilige Charis, die zuͤrnet und fleht; ach, wenn sie erstarrt noch Sah Latona so schoͤn, mußte, zu spaͤt, sie verzeihn! Leih den Gestalten dein bildendes Wort; aus verbruͤdertem Geiste Freundlich zuruͤckgestrahlt, spiegle sich Kunst in der Kunst. Was der Genius hegt, der schirmende, wohnt in dem Frieden Einer goͤttlichen Brust frey von der Erde Gewalt. Da verwahrest du sicher, was gern dir Ausonien zeigte, Fluͤchtend vor der Gefahr waͤhlt' es ein reines Asyl. So bewahrte die Erd' einst diese Zeugen der Vorwelt Sorgsam im Schooße, sie hielt Keime lebendig versteckt Wiedergebohrner Kunst und Begeisterung: endlich erstand sie, Aus der unteren Welt Tiefen dem Leben und Licht, Froh zu der Mutter Umarmung, die laͤngst verlohrene Tochter. Mancher Kuͤnstler verstand jenes Heroengeschlechts Unvergaͤngliche Sprache, die Goͤtzen wurden zu Goͤttern, Und den Bestaͤtigten ward freye Verehrung geweiht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0192" n="182"/> <l>Dir entringeln die Schlangen um Jlions Held und die Knaben</l><lb/> <l>Jhre Gewinde: wir sehn, wie die bewaffnete Kunst</l><lb/> <l>Zoͤgernd der Goͤtter Gerichte vollfuͤhrt; die schonende Hand goß</l><lb/> <l>Linde der Anmuth Oel uͤber den duldenden Stein.</l><lb/> <l>So hebt Niobe dort die verstummenden Blicke zum Himmel,</l><lb/> <l>Groß gewendet; ihr haucht um den geoͤffneten Mund.</l><lb/> <l>Heilige Charis, die zuͤrnet und fleht; ach, wenn sie erstarrt noch</l><lb/> <l>Sah Latona so schoͤn, mußte, zu spaͤt, sie verzeihn!</l><lb/> <l>Leih den Gestalten dein bildendes Wort; aus verbruͤdertem Geiste</l><lb/> <l>Freundlich zuruͤckgestrahlt, spiegle sich Kunst in der Kunst.</l><lb/> <l>Was der Genius hegt, der schirmende, wohnt in dem Frieden</l><lb/> <l>Einer goͤttlichen Brust frey von der Erde Gewalt.</l><lb/> <l>Da verwahrest du sicher, was gern dir Ausonien zeigte,</l><lb/> <l>Fluͤchtend vor der Gefahr waͤhlt' es ein reines Asyl.</l><lb/> <l>So bewahrte die Erd' einst diese Zeugen der Vorwelt</l><lb/> <l>Sorgsam im Schooße, sie hielt Keime lebendig versteckt</l><lb/> <l>Wiedergebohrner Kunst und Begeisterung: endlich erstand sie,</l><lb/> <l>Aus der unteren Welt Tiefen dem Leben und Licht,</l><lb/> <l>Froh zu der Mutter Umarmung, die laͤngst verlohrene Tochter.</l><lb/> <l>Mancher Kuͤnstler verstand jenes Heroengeschlechts</l><lb/> <l>Unvergaͤngliche Sprache, die Goͤtzen wurden zu Goͤttern,</l><lb/> <l>Und den Bestaͤtigten ward freye Verehrung geweiht,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0192]
Dir entringeln die Schlangen um Jlions Held und die Knaben
Jhre Gewinde: wir sehn, wie die bewaffnete Kunst
Zoͤgernd der Goͤtter Gerichte vollfuͤhrt; die schonende Hand goß
Linde der Anmuth Oel uͤber den duldenden Stein.
So hebt Niobe dort die verstummenden Blicke zum Himmel,
Groß gewendet; ihr haucht um den geoͤffneten Mund.
Heilige Charis, die zuͤrnet und fleht; ach, wenn sie erstarrt noch
Sah Latona so schoͤn, mußte, zu spaͤt, sie verzeihn!
Leih den Gestalten dein bildendes Wort; aus verbruͤdertem Geiste
Freundlich zuruͤckgestrahlt, spiegle sich Kunst in der Kunst.
Was der Genius hegt, der schirmende, wohnt in dem Frieden
Einer goͤttlichen Brust frey von der Erde Gewalt.
Da verwahrest du sicher, was gern dir Ausonien zeigte,
Fluͤchtend vor der Gefahr waͤhlt' es ein reines Asyl.
So bewahrte die Erd' einst diese Zeugen der Vorwelt
Sorgsam im Schooße, sie hielt Keime lebendig versteckt
Wiedergebohrner Kunst und Begeisterung: endlich erstand sie,
Aus der unteren Welt Tiefen dem Leben und Licht,
Froh zu der Mutter Umarmung, die laͤngst verlohrene Tochter.
Mancher Kuͤnstler verstand jenes Heroengeschlechts
Unvergaͤngliche Sprache, die Goͤtzen wurden zu Goͤttern,
Und den Bestaͤtigten ward freye Verehrung geweiht,
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