Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
Horen und Chariten schweben im Reihn um des Ewigen Scheitel,
Tief an des Schemels Rand wühlt Amazonengefecht.
Ruft den Glücklichen aus, dem Zeus den unsterblichen Kranz beut,
Unter der Flöten Getön, stimme sie, Pindaros, an,
Lieblicher Mund des Ruhmes, die Leyerbeherrschenden Hymnen!
"Wem zu sterben verhängt wurde," so rauschet ihr Pfeil,
"Warum säß er daheim, unrühmliches Alter zu nähren,
Alles Schönen beraubt? Auf, und das Schwere versucht!
Das war Pelops Wort, als einst er die Lanz' Oenomars
Meidend, auf eben dem Plan Hippodamia gewann."
Ach! mich täuschte dies Bild, von vielen nur eins, hingaukelnd
Festliches Leben; es floh! seufzet die Oede zurück.
Aber entrissen dem irdischen Sitz, umhauche der Geist uns,
Ewig gilt sein Gesetz, licht wie die Sonn' und geheim.
Nicht vor die Tugend allein ward Schweiß gestellt von den Göttern,
Reinere Schönheit auch wohnet auf einsamer Höh.
Enge windet und steil sich der Pfad hinan zu der spröden,
Aber an üppigem Hang gleitet Entartung hinab.
So stieg Hellas Kunst, die gleich der Lakonischen Jungfrau
Horen und Chariten schweben im Reihn um des Ewigen Scheitel,
Tief an des Schemels Rand wuͤhlt Amazonengefecht.
Ruft den Gluͤcklichen aus, dem Zeus den unsterblichen Kranz beut,
Unter der Floͤten Getoͤn, stimme sie, Pindaros, an,
Lieblicher Mund des Ruhmes, die Leyerbeherrschenden Hymnen!
“Wem zu sterben verhaͤngt wurde,” so rauschet ihr Pfeil,
“Warum saͤß er daheim, unruͤhmliches Alter zu naͤhren,
Alles Schoͤnen beraubt? Auf, und das Schwere versucht!
Das war Pelops Wort, als einst er die Lanz' Oenomars
Meidend, auf eben dem Plan Hippodamia gewann.”
Ach! mich taͤuschte dies Bild, von vielen nur eins, hingaukelnd
Festliches Leben; es floh! seufzet die Oede zuruͤck.
Aber entrissen dem irdischen Sitz, umhauche der Geist uns,
Ewig gilt sein Gesetz, licht wie die Sonn' und geheim.
Nicht vor die Tugend allein ward Schweiß gestellt von den Goͤttern,
Reinere Schoͤnheit auch wohnet auf einsamer Hoͤh.
Enge windet und steil sich der Pfad hinan zu der sproͤden,
Aber an uͤppigem Hang gleitet Entartung hinab.
So stieg Hellas Kunst, die gleich der Lakonischen Jungfrau
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0195" n="185"/>
            <l>Horen und Chariten schweben im Reihn um des Ewigen Scheitel,</l><lb/>
            <l>Tief an des Schemels Rand wu&#x0364;hlt Amazonengefecht.</l><lb/>
            <l>Ruft den Glu&#x0364;cklichen aus, dem Zeus den unsterblichen Kranz beut,</l><lb/>
            <l>Unter der Flo&#x0364;ten Geto&#x0364;n, stimme sie, Pindaros, an,</l><lb/>
            <l>Lieblicher Mund des Ruhmes, die Leyerbeherrschenden Hymnen!</l><lb/>
            <l>&#x201C;Wem zu sterben verha&#x0364;ngt wurde,&#x201D; so rauschet ihr Pfeil,</l><lb/>
            <l>&#x201C;Warum sa&#x0364;ß er daheim, unru&#x0364;hmliches Alter zu na&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Alles Scho&#x0364;nen beraubt? Auf, und das Schwere versucht!</l><lb/>
            <l>Das war Pelops Wort, als einst er die Lanz' Oenomars</l><lb/>
            <l>Meidend, auf eben dem Plan Hippodamia gewann.&#x201D;</l><lb/>
            <l>Ach! mich ta&#x0364;uschte dies Bild, von vielen nur eins, hingaukelnd</l><lb/>
            <l>Festliches Leben; es floh! seufzet die Oede zuru&#x0364;ck.</l><lb/>
            <l>Aber entrissen dem irdischen Sitz, umhauche der Geist uns,</l><lb/>
            <l>Ewig gilt sein Gesetz, licht wie die Sonn' und geheim.</l><lb/>
            <l>Nicht vor die Tugend allein ward Schweiß gestellt von den Go&#x0364;ttern,</l><lb/>
            <l>Reinere Scho&#x0364;nheit auch wohnet auf einsamer Ho&#x0364;h.</l><lb/>
            <l>Enge windet und steil sich der Pfad hinan zu der spro&#x0364;den,</l><lb/>
            <l>Aber an u&#x0364;ppigem Hang gleitet Entartung hinab.</l><lb/>
            <l>So stieg Hellas Kunst, die gleich der Lakonischen Jungfrau</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0195] Horen und Chariten schweben im Reihn um des Ewigen Scheitel, Tief an des Schemels Rand wuͤhlt Amazonengefecht. Ruft den Gluͤcklichen aus, dem Zeus den unsterblichen Kranz beut, Unter der Floͤten Getoͤn, stimme sie, Pindaros, an, Lieblicher Mund des Ruhmes, die Leyerbeherrschenden Hymnen! “Wem zu sterben verhaͤngt wurde,” so rauschet ihr Pfeil, “Warum saͤß er daheim, unruͤhmliches Alter zu naͤhren, Alles Schoͤnen beraubt? Auf, und das Schwere versucht! Das war Pelops Wort, als einst er die Lanz' Oenomars Meidend, auf eben dem Plan Hippodamia gewann.” Ach! mich taͤuschte dies Bild, von vielen nur eins, hingaukelnd Festliches Leben; es floh! seufzet die Oede zuruͤck. Aber entrissen dem irdischen Sitz, umhauche der Geist uns, Ewig gilt sein Gesetz, licht wie die Sonn' und geheim. Nicht vor die Tugend allein ward Schweiß gestellt von den Goͤttern, Reinere Schoͤnheit auch wohnet auf einsamer Hoͤh. Enge windet und steil sich der Pfad hinan zu der sproͤden, Aber an uͤppigem Hang gleitet Entartung hinab. So stieg Hellas Kunst, die gleich der Lakonischen Jungfrau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/195
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/195>, abgerufen am 22.05.2024.