Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.legen zu können, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn und Liebesfähigkeit für sie haben. Daß diese Kräfte cultivirt werden können, daß der Blick vom Auge unsers Geistes immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr empfänglicher für die Musik aller Sphären der allgemeinen Bildung; daß die Religion in diesem Sinne sich also lehren und lernen, obgleich nie erschöpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte über den gewöhnlichen Dienst kleiner Hausgötter ins freye Ganze hinaus zu führen strebt, oder ihr die zwölf großen Götter in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta über das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spüren, als wenn jeder für sich allein mit heißem Bemühen nach Religion gestrebt hätte. Der Gedanke des Universums und seiner Harmonie ist mir Eins und Alles; in diesen Keime sehe ich eine Unendlichkeit guter Gedanken, welche ans Licht zu bringen und auszubilden ich als die eigentliche Bestimmung meines Lebens fühle. Thöricht und beschränkt wäre es, zu wünschen, oder gar zu verlangen, dieser eine Gedanke sollte der Mittelpunkt aller Geister seyn. Doch däucht mir, ist ein gewisser gesetzlich organisirter Wechsel zwischen Jndividualität und Universalität legen zu koͤnnen, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn und Liebesfaͤhigkeit fuͤr sie haben. Daß diese Kraͤfte cultivirt werden koͤnnen, daß der Blick vom Auge unsers Geistes immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr empfaͤnglicher fuͤr die Musik aller Sphaͤren der allgemeinen Bildung; daß die Religion in diesem Sinne sich also lehren und lernen, obgleich nie erschoͤpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte uͤber den gewoͤhnlichen Dienst kleiner Hausgoͤtter ins freye Ganze hinaus zu fuͤhren strebt, oder ihr die zwoͤlf großen Goͤtter in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta uͤber das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spuͤren, als wenn jeder fuͤr sich allein mit heißem Bemuͤhen nach Religion gestrebt haͤtte. Der Gedanke des Universums und seiner Harmonie ist mir Eins und Alles; in diesen Keime sehe ich eine Unendlichkeit guter Gedanken, welche ans Licht zu bringen und auszubilden ich als die eigentliche Bestimmung meines Lebens fuͤhle. Thoͤricht und beschraͤnkt waͤre es, zu wuͤnschen, oder gar zu verlangen, dieser eine Gedanke sollte der Mittelpunkt aller Geister seyn. Doch daͤucht mir, ist ein gewisser gesetzlich organisirter Wechsel zwischen Jndividualitaͤt und Universalitaͤt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0023" n="15"/> legen zu koͤnnen, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn und Liebesfaͤhigkeit fuͤr sie haben. Daß diese Kraͤfte cultivirt werden koͤnnen, daß der Blick vom Auge unsers Geistes immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr empfaͤnglicher fuͤr die Musik aller Sphaͤren der allgemeinen Bildung; daß die Religion in diesem Sinne sich also lehren und lernen, obgleich nie erschoͤpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte uͤber den gewoͤhnlichen Dienst kleiner Hausgoͤtter ins freye Ganze hinaus zu fuͤhren strebt, oder ihr die zwoͤlf großen Goͤtter in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta uͤber das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spuͤren, als wenn jeder fuͤr sich allein mit heißem Bemuͤhen nach Religion gestrebt haͤtte.</p><lb/> <p>Der Gedanke des Universums und seiner Harmonie ist mir Eins und Alles; in diesen Keime sehe ich eine Unendlichkeit guter Gedanken, welche ans Licht zu bringen und auszubilden ich als die eigentliche Bestimmung meines Lebens fuͤhle. Thoͤricht und beschraͤnkt waͤre es, zu wuͤnschen, oder gar zu verlangen, dieser eine Gedanke sollte der Mittelpunkt aller Geister seyn. Doch daͤucht mir, ist ein gewisser gesetzlich organisirter Wechsel zwischen Jndividualitaͤt und Universalitaͤt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0023]
legen zu koͤnnen, muß man sie schon besitzen, sie lieben, oder wenigstens Anlagen, Sinn und Liebesfaͤhigkeit fuͤr sie haben. Daß diese Kraͤfte cultivirt werden koͤnnen, daß der Blick vom Auge unsers Geistes immer weiter, fester und klarer werden soll, und unser inneres Ohr empfaͤnglicher fuͤr die Musik aller Sphaͤren der allgemeinen Bildung; daß die Religion in diesem Sinne sich also lehren und lernen, obgleich nie erschoͤpfen lasse, leuchtet von selbst ein. Aber freilich sind Freundschaft und Liebe die Organe alles sittlichen Unterrichts auch bey diesen Zweigen desselben unentbehrlich. Und gewiß werden zwey Liebende, wenn der Mann die Geliebte uͤber den gewoͤhnlichen Dienst kleiner Hausgoͤtter ins freye Ganze hinaus zu fuͤhren strebt, oder ihr die zwoͤlf großen Goͤtter in Gestalt bekannter Laren zugesellt; und wenn sie gleich einer Priesterin der Vesta uͤber das heilige Feuer auf dem reinen Altare in seiner Brust wacht, beyde zusammen schnellere und weitere Fortschritte spuͤren, als wenn jeder fuͤr sich allein mit heißem Bemuͤhen nach Religion gestrebt haͤtte.
Der Gedanke des Universums und seiner Harmonie ist mir Eins und Alles; in diesen Keime sehe ich eine Unendlichkeit guter Gedanken, welche ans Licht zu bringen und auszubilden ich als die eigentliche Bestimmung meines Lebens fuͤhle. Thoͤricht und beschraͤnkt waͤre es, zu wuͤnschen, oder gar zu verlangen, dieser eine Gedanke sollte der Mittelpunkt aller Geister seyn. Doch daͤucht mir, ist ein gewisser gesetzlich organisirter Wechsel zwischen Jndividualitaͤt und Universalitaͤt
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