Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Jch hatte ja die Wahl. Sie werden nicht böse seyn, wenn ich Sie am meisten in den Jtaliänischen Saal führe. Reinhold. Hier, dächte ich, ließen wir uns nieder: wir können keinen bequemeren und anmuthigeren Sitz finden. Vor uns der ruhige Fluß; jenseits erhebt sich hinter dem grünen Ufer die Ebne in leisen Wellen, dort unten spiegelt sich die Stadt mit der Kuppel der Frauenkirche im Wasser, oberhalb ziehn sich Rebenhügel dicht an der Krümmung hin, mit Landhäusern besäet und oben mit Nadelholz bedeckt. Louise. Jch bin es gern zufrieden. Setzen wir uns, wir werden hier ungestört seyn. Jm Angesicht dieser lachenden Gegend hören Sie vielleicht um so lieber ein paar Beschreibungen von Landschaften, die ich Jhnen gleich zu Anfange geben will. Waller. Wenn die Mahlerey nur nicht grade in diesem Fache gegen die Größe der Natur am meisten verlöre! Alle Landschaftmahlerey ist doch nur eine Art von Miniatur. Reinhold. Weswegen sollte sie? Miniatur besteht darin, wenn ein Gegenstand klein und dabey mit einer Deutlichkeit in seinen Theilen abgebildet wird, die sie nicht haben könnten, wenn die Verkleinerung von der Entfernung herrührte. Dies braucht der Landschaftsmahler so wenig zu thun, daß es vielmehr allen Zauber zerstört, wenn er es sich zu Schulden kommen läßt. Waller. Aber wie muß er einen weiten Horizont, ein hohes Gebirge, den gränzenlosen Ozean auf seiner Leinwand zusammendrängen! Jch hatte ja die Wahl. Sie werden nicht boͤse seyn, wenn ich Sie am meisten in den Jtaliaͤnischen Saal fuͤhre. Reinhold. Hier, daͤchte ich, ließen wir uns nieder: wir koͤnnen keinen bequemeren und anmuthigeren Sitz finden. Vor uns der ruhige Fluß; jenseits erhebt sich hinter dem gruͤnen Ufer die Ebne in leisen Wellen, dort unten spiegelt sich die Stadt mit der Kuppel der Frauenkirche im Wasser, oberhalb ziehn sich Rebenhuͤgel dicht an der Kruͤmmung hin, mit Landhaͤusern besaͤet und oben mit Nadelholz bedeckt. Louise. Jch bin es gern zufrieden. Setzen wir uns, wir werden hier ungestoͤrt seyn. Jm Angesicht dieser lachenden Gegend hoͤren Sie vielleicht um so lieber ein paar Beschreibungen von Landschaften, die ich Jhnen gleich zu Anfange geben will. Waller. Wenn die Mahlerey nur nicht grade in diesem Fache gegen die Groͤße der Natur am meisten verloͤre! Alle Landschaftmahlerey ist doch nur eine Art von Miniatur. Reinhold. Weswegen sollte sie? Miniatur besteht darin, wenn ein Gegenstand klein und dabey mit einer Deutlichkeit in seinen Theilen abgebildet wird, die sie nicht haben koͤnnten, wenn die Verkleinerung von der Entfernung herruͤhrte. Dies braucht der Landschaftsmahler so wenig zu thun, daß es vielmehr allen Zauber zerstoͤrt, wenn er es sich zu Schulden kommen laͤßt. Waller. Aber wie muß er einen weiten Horizont, ein hohes Gebirge, den graͤnzenlosen Ozean auf seiner Leinwand zusammendraͤngen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0062" n="54"/> Jch hatte ja die Wahl. Sie werden nicht boͤse seyn, wenn ich Sie am meisten in den Jtaliaͤnischen Saal fuͤhre.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Hier, daͤchte ich, ließen wir uns nieder: wir koͤnnen keinen bequemeren und anmuthigeren Sitz finden. Vor uns der ruhige Fluß; jenseits erhebt sich hinter dem gruͤnen Ufer die Ebne in leisen Wellen, dort unten spiegelt sich die Stadt mit der Kuppel der Frauenkirche im Wasser, oberhalb ziehn sich Rebenhuͤgel dicht an der Kruͤmmung hin, mit Landhaͤusern besaͤet und oben mit Nadelholz bedeckt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Jch bin es gern zufrieden. Setzen wir uns, wir werden hier ungestoͤrt seyn. Jm Angesicht dieser lachenden Gegend hoͤren Sie vielleicht um so lieber ein paar Beschreibungen von Landschaften, die ich Jhnen gleich zu Anfange geben will.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Wenn die Mahlerey nur nicht grade in diesem Fache gegen die Groͤße der Natur am meisten verloͤre! Alle Landschaftmahlerey ist doch nur eine Art von Miniatur.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Weswegen sollte sie? Miniatur besteht darin, wenn ein Gegenstand klein und dabey mit einer Deutlichkeit in seinen Theilen abgebildet wird, die sie nicht haben koͤnnten, wenn die Verkleinerung von der Entfernung herruͤhrte. Dies braucht der Landschaftsmahler so wenig zu thun, daß es vielmehr allen Zauber zerstoͤrt, wenn er es sich zu Schulden kommen laͤßt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Aber wie muß er einen weiten Horizont, ein hohes Gebirge, den graͤnzenlosen Ozean auf seiner Leinwand zusammendraͤngen!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0062]
Jch hatte ja die Wahl. Sie werden nicht boͤse seyn, wenn ich Sie am meisten in den Jtaliaͤnischen Saal fuͤhre.
Reinhold. Hier, daͤchte ich, ließen wir uns nieder: wir koͤnnen keinen bequemeren und anmuthigeren Sitz finden. Vor uns der ruhige Fluß; jenseits erhebt sich hinter dem gruͤnen Ufer die Ebne in leisen Wellen, dort unten spiegelt sich die Stadt mit der Kuppel der Frauenkirche im Wasser, oberhalb ziehn sich Rebenhuͤgel dicht an der Kruͤmmung hin, mit Landhaͤusern besaͤet und oben mit Nadelholz bedeckt.
Louise. Jch bin es gern zufrieden. Setzen wir uns, wir werden hier ungestoͤrt seyn. Jm Angesicht dieser lachenden Gegend hoͤren Sie vielleicht um so lieber ein paar Beschreibungen von Landschaften, die ich Jhnen gleich zu Anfange geben will.
Waller. Wenn die Mahlerey nur nicht grade in diesem Fache gegen die Groͤße der Natur am meisten verloͤre! Alle Landschaftmahlerey ist doch nur eine Art von Miniatur.
Reinhold. Weswegen sollte sie? Miniatur besteht darin, wenn ein Gegenstand klein und dabey mit einer Deutlichkeit in seinen Theilen abgebildet wird, die sie nicht haben koͤnnten, wenn die Verkleinerung von der Entfernung herruͤhrte. Dies braucht der Landschaftsmahler so wenig zu thun, daß es vielmehr allen Zauber zerstoͤrt, wenn er es sich zu Schulden kommen laͤßt.
Waller. Aber wie muß er einen weiten Horizont, ein hohes Gebirge, den graͤnzenlosen Ozean auf seiner Leinwand zusammendraͤngen!
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