Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Reinhold. Es drängt sich von selbst zusammen. Blicken Sie nur durch eine kleine Fensterscheibe oder durch die hohle Hand ins Freye hinaus, und welche Menge von großen Gegenständen wird Jhr Auge umfassen. Waller. Dennoch giebt mir das Bild nie den Eindruck einer furchtbaren und unermeßlichen Größe wie der Gegenstand in der Natur. Reinhold. Weil sie uns da so umgeben, oder wir uns ihnen so nähern können, daß sie von allen Seiten über den Sehwinkel hinausgehen und das Auge erst allmählig ihre ganze Ausdehnung durchläuft. Dicht unter herabdrohenden Felsenmassen haben wir freylich den Maßstab unsrer eignen Kleinheit sehr bey der Hand. Louise. Sie haben Recht: es ist ordentlich schauerlich, daß die Welt so groß ist. Wenn ich Abends den gestirnten Himmel sehe, und mir die erstaunlichen Entfernungen denke, so wird mir zu Muthe, wie jemanden, der auf einem kleinen Kahn mitten auf dem weiten Meere schwebt. Reinhold. Sie denken die Entfernungen auch nur, Sie sehen sie nicht. Die Mahlerey unternimmt ja nicht die Gegenstände abzubilden wie sie sind, sondern wie sie erscheinen. Wie groß erscheint denn die Landschaft vor uns? Jhre Antwort würde hier noch ziemlich ruhig ausfallen, nicht weil Sie den Umfang wirklich sehen, sondern weil Sie ihn historisch wissen. Die Entfernung der Stadt haben wir ungefähr mit den Füßen ausgemessen, und am äußersten Horizont Reinhold. Es draͤngt sich von selbst zusammen. Blicken Sie nur durch eine kleine Fensterscheibe oder durch die hohle Hand ins Freye hinaus, und welche Menge von großen Gegenstaͤnden wird Jhr Auge umfassen. Waller. Dennoch giebt mir das Bild nie den Eindruck einer furchtbaren und unermeßlichen Groͤße wie der Gegenstand in der Natur. Reinhold. Weil sie uns da so umgeben, oder wir uns ihnen so naͤhern koͤnnen, daß sie von allen Seiten uͤber den Sehwinkel hinausgehen und das Auge erst allmaͤhlig ihre ganze Ausdehnung durchlaͤuft. Dicht unter herabdrohenden Felsenmassen haben wir freylich den Maßstab unsrer eignen Kleinheit sehr bey der Hand. Louise. Sie haben Recht: es ist ordentlich schauerlich, daß die Welt so groß ist. Wenn ich Abends den gestirnten Himmel sehe, und mir die erstaunlichen Entfernungen denke, so wird mir zu Muthe, wie jemanden, der auf einem kleinen Kahn mitten auf dem weiten Meere schwebt. Reinhold. Sie denken die Entfernungen auch nur, Sie sehen sie nicht. Die Mahlerey unternimmt ja nicht die Gegenstaͤnde abzubilden wie sie sind, sondern wie sie erscheinen. Wie groß erscheint denn die Landschaft vor uns? Jhre Antwort wuͤrde hier noch ziemlich ruhig ausfallen, nicht weil Sie den Umfang wirklich sehen, sondern weil Sie ihn historisch wissen. Die Entfernung der Stadt haben wir ungefaͤhr mit den Fuͤßen ausgemessen, und am aͤußersten Horizont <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0063" n="55"/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Es draͤngt sich von selbst zusammen. Blicken Sie nur durch eine kleine Fensterscheibe oder durch die hohle Hand ins Freye hinaus, und welche Menge von großen Gegenstaͤnden wird Jhr Auge umfassen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Dennoch giebt mir das Bild nie den Eindruck einer furchtbaren und unermeßlichen Groͤße wie der Gegenstand in der Natur.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Weil sie uns da so umgeben, oder wir uns ihnen so naͤhern koͤnnen, daß sie von allen Seiten uͤber den Sehwinkel hinausgehen und das Auge erst allmaͤhlig ihre ganze Ausdehnung durchlaͤuft. Dicht unter herabdrohenden Felsenmassen haben wir freylich den Maßstab unsrer eignen Kleinheit sehr bey der Hand.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Sie haben Recht: es ist ordentlich schauerlich, daß die Welt so groß ist. Wenn ich Abends den gestirnten Himmel sehe, und mir die erstaunlichen Entfernungen denke, so wird mir zu Muthe, wie jemanden, der auf einem kleinen Kahn mitten auf dem weiten Meere schwebt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Sie denken die Entfernungen auch nur, Sie sehen sie nicht. Die Mahlerey unternimmt ja nicht die Gegenstaͤnde abzubilden wie sie sind, sondern wie sie erscheinen. Wie groß erscheint denn die Landschaft vor uns? Jhre Antwort wuͤrde hier noch ziemlich ruhig ausfallen, nicht weil Sie den Umfang wirklich sehen, sondern weil Sie ihn historisch wissen. Die Entfernung der Stadt haben wir ungefaͤhr mit den Fuͤßen ausgemessen, und am aͤußersten Horizont </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0063]
Reinhold. Es draͤngt sich von selbst zusammen. Blicken Sie nur durch eine kleine Fensterscheibe oder durch die hohle Hand ins Freye hinaus, und welche Menge von großen Gegenstaͤnden wird Jhr Auge umfassen.
Waller. Dennoch giebt mir das Bild nie den Eindruck einer furchtbaren und unermeßlichen Groͤße wie der Gegenstand in der Natur.
Reinhold. Weil sie uns da so umgeben, oder wir uns ihnen so naͤhern koͤnnen, daß sie von allen Seiten uͤber den Sehwinkel hinausgehen und das Auge erst allmaͤhlig ihre ganze Ausdehnung durchlaͤuft. Dicht unter herabdrohenden Felsenmassen haben wir freylich den Maßstab unsrer eignen Kleinheit sehr bey der Hand.
Louise. Sie haben Recht: es ist ordentlich schauerlich, daß die Welt so groß ist. Wenn ich Abends den gestirnten Himmel sehe, und mir die erstaunlichen Entfernungen denke, so wird mir zu Muthe, wie jemanden, der auf einem kleinen Kahn mitten auf dem weiten Meere schwebt.
Reinhold. Sie denken die Entfernungen auch nur, Sie sehen sie nicht. Die Mahlerey unternimmt ja nicht die Gegenstaͤnde abzubilden wie sie sind, sondern wie sie erscheinen. Wie groß erscheint denn die Landschaft vor uns? Jhre Antwort wuͤrde hier noch ziemlich ruhig ausfallen, nicht weil Sie den Umfang wirklich sehen, sondern weil Sie ihn historisch wissen. Die Entfernung der Stadt haben wir ungefaͤhr mit den Fuͤßen ausgemessen, und am aͤußersten Horizont
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