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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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seyn durfte! Sie war des weisen Künstlers werth, der seine Personen nicht mit fremden Zierlichkeiten verkleidete, sondern ihre eigne Sitte und Art ausdrückte, und sie wahrhaft auf die Nachwelt brachte. So hat Holbein einen Bürgermeister von Basel, Jakob Meyer, mit den Seinigen gemahlt, wie alle sich der Mutter Gottes und dem Jesuskinde weihen. Diese steht in der Mitte unter einer Blende, zu ihrer Rechten kniet der Vater mit zwey Söhnen, zur Linken die Schwiegermutter, Frau und Tochter. Der Vater, zunächst an der Jungfrau, nach ihr hin, doch etwas mehr vorwärts gewandt; wie es scheint, (denn er wird großentheils verdeckt) auf beyden Knien liegend. Seine Kleidung ist schwarz mit Pelz gefüttert. Der Kopf mit dem kurz abgeschnittnen dunklen Haar drückt sich in den Nacken, das Kinn tritt vor, die gehobnen Hände greifen fest in einander. Jn seinen Geberden ist eine kräftige Jnbrunst, ohne alle Frömmeley und Abgeschiedenheit von der Welt. Man sieht wohl, er faßt diese heilige Pflicht so herzhaft an wie jede irdische, und der biedre, wackre Bürger trägt die rüstige Thätigkeit seines Lebens in seine Andacht über, zugleich mit aller Würde, die ihn begleitet, wann er zu Rathe sitzt. Es ist ein herrliches unbekümmertes Zutrauen in dem Kopfe; das Gebet scheint die gesunde natürliche Farbe noch ein wenig erhöht zu haben. Kein Zug ist schlaff; sie drücken alle das wohl und recht gemeynte der Handlung aus, ohne daß doch einer überflüssig angestrengt würde. Dieß giebt ihm ein schönes Gleichgewicht, und eben das wahre Ansehen von schlichter bürgerlicher

seyn durfte! Sie war des weisen Kuͤnstlers werth, der seine Personen nicht mit fremden Zierlichkeiten verkleidete, sondern ihre eigne Sitte und Art ausdruͤckte, und sie wahrhaft auf die Nachwelt brachte. So hat Holbein einen Buͤrgermeister von Basel, Jakob Meyer, mit den Seinigen gemahlt, wie alle sich der Mutter Gottes und dem Jesuskinde weihen. Diese steht in der Mitte unter einer Blende, zu ihrer Rechten kniet der Vater mit zwey Soͤhnen, zur Linken die Schwiegermutter, Frau und Tochter. Der Vater, zunaͤchst an der Jungfrau, nach ihr hin, doch etwas mehr vorwaͤrts gewandt; wie es scheint, (denn er wird großentheils verdeckt) auf beyden Knien liegend. Seine Kleidung ist schwarz mit Pelz gefuͤttert. Der Kopf mit dem kurz abgeschnittnen dunklen Haar druͤckt sich in den Nacken, das Kinn tritt vor, die gehobnen Haͤnde greifen fest in einander. Jn seinen Geberden ist eine kraͤftige Jnbrunst, ohne alle Froͤmmeley und Abgeschiedenheit von der Welt. Man sieht wohl, er faßt diese heilige Pflicht so herzhaft an wie jede irdische, und der biedre, wackre Buͤrger traͤgt die ruͤstige Thaͤtigkeit seines Lebens in seine Andacht uͤber, zugleich mit aller Wuͤrde, die ihn begleitet, wann er zu Rathe sitzt. Es ist ein herrliches unbekuͤmmertes Zutrauen in dem Kopfe; das Gebet scheint die gesunde natuͤrliche Farbe noch ein wenig erhoͤht zu haben. Kein Zug ist schlaff; sie druͤcken alle das wohl und recht gemeynte der Handlung aus, ohne daß doch einer uͤberfluͤssig angestrengt wuͤrde. Dieß giebt ihm ein schoͤnes Gleichgewicht, und eben das wahre Ansehen von schlichter buͤrgerlicher

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[70/0078] seyn durfte! Sie war des weisen Kuͤnstlers werth, der seine Personen nicht mit fremden Zierlichkeiten verkleidete, sondern ihre eigne Sitte und Art ausdruͤckte, und sie wahrhaft auf die Nachwelt brachte. So hat Holbein einen Buͤrgermeister von Basel, Jakob Meyer, mit den Seinigen gemahlt, wie alle sich der Mutter Gottes und dem Jesuskinde weihen. Diese steht in der Mitte unter einer Blende, zu ihrer Rechten kniet der Vater mit zwey Soͤhnen, zur Linken die Schwiegermutter, Frau und Tochter. Der Vater, zunaͤchst an der Jungfrau, nach ihr hin, doch etwas mehr vorwaͤrts gewandt; wie es scheint, (denn er wird großentheils verdeckt) auf beyden Knien liegend. Seine Kleidung ist schwarz mit Pelz gefuͤttert. Der Kopf mit dem kurz abgeschnittnen dunklen Haar druͤckt sich in den Nacken, das Kinn tritt vor, die gehobnen Haͤnde greifen fest in einander. Jn seinen Geberden ist eine kraͤftige Jnbrunst, ohne alle Froͤmmeley und Abgeschiedenheit von der Welt. Man sieht wohl, er faßt diese heilige Pflicht so herzhaft an wie jede irdische, und der biedre, wackre Buͤrger traͤgt die ruͤstige Thaͤtigkeit seines Lebens in seine Andacht uͤber, zugleich mit aller Wuͤrde, die ihn begleitet, wann er zu Rathe sitzt. Es ist ein herrliches unbekuͤmmertes Zutrauen in dem Kopfe; das Gebet scheint die gesunde natuͤrliche Farbe noch ein wenig erhoͤht zu haben. Kein Zug ist schlaff; sie druͤcken alle das wohl und recht gemeynte der Handlung aus, ohne daß doch einer uͤberfluͤssig angestrengt wuͤrde. Dieß giebt ihm ein schoͤnes Gleichgewicht, und eben das wahre Ansehen von schlichter buͤrgerlicher

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/78>, abgerufen am 21.11.2024.