Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.unten liegenden orientalischen Teppichs sind durch eine große Falte gebrochen, und eben weil alle Verzierungen, auch der Kleidung, so sehr ins kleine gehn, zeichnen sich die Züge und Umrisse des menschlichen Antlitzes viel bestimmter und reiner daneben ab, als etwa bey überflüssigem Prunk fliegender Gewänder und hingeworfner Falten. Der Ton des Ganzen nähert sich schon ziemlich dem Harmonischen. Die Gesichtsfarben sind durchaus wahr, und besonders am männlichen Theil der Familie schön nach dem Alter unterschieden. Die Köpfe der älteren Frauen stechen gegen die bläulich weißen Tücher nur ein wenig zu braun ab. Jmmer wird der erste Blick weniger anziehen als die nahe Untersuchung, die mit zunehmender Liebe an dieses Bild fesselt. Holbein bewährt sich darin ganz als den sinnreichen Meister von eben so einsichtsvollem, klarem und ruhigem Geiste als kunstgeübter Hand, der das Schöne erkannte und ausdrückte, jedoch auch dem minder Schönen treu oblag, um es durch die innige Wahrheit zu adeln, und das alles ohne Anmaßung und Geräusch." Reinhold. Die Erinnerung an die Zeit, wo wir auf dem Wege waren, eine ächte einheimische Kunst zu bekommen, wenn ungünstige Umstände und die Sucht des Fremden es nicht verhindert hätten, macht mich immer recht wehmüthig. Haben Sie Dank, daß Sie mit so ehrerbietiger Bewunderung bey dem alten Holbein verweilten. Sie haben in der That ein Bild von ihm gewählt, woraus man ihn ganz kennen lernen kann. unten liegenden orientalischen Teppichs sind durch eine große Falte gebrochen, und eben weil alle Verzierungen, auch der Kleidung, so sehr ins kleine gehn, zeichnen sich die Zuͤge und Umrisse des menschlichen Antlitzes viel bestimmter und reiner daneben ab, als etwa bey uͤberfluͤssigem Prunk fliegender Gewaͤnder und hingeworfner Falten. Der Ton des Ganzen naͤhert sich schon ziemlich dem Harmonischen. Die Gesichtsfarben sind durchaus wahr, und besonders am maͤnnlichen Theil der Familie schoͤn nach dem Alter unterschieden. Die Koͤpfe der aͤlteren Frauen stechen gegen die blaͤulich weißen Tuͤcher nur ein wenig zu braun ab. Jmmer wird der erste Blick weniger anziehen als die nahe Untersuchung, die mit zunehmender Liebe an dieses Bild fesselt. Holbein bewaͤhrt sich darin ganz als den sinnreichen Meister von eben so einsichtsvollem, klarem und ruhigem Geiste als kunstgeuͤbter Hand, der das Schoͤne erkannte und ausdruͤckte, jedoch auch dem minder Schoͤnen treu oblag, um es durch die innige Wahrheit zu adeln, und das alles ohne Anmaßung und Geraͤusch.” Reinhold. Die Erinnerung an die Zeit, wo wir auf dem Wege waren, eine aͤchte einheimische Kunst zu bekommen, wenn unguͤnstige Umstaͤnde und die Sucht des Fremden es nicht verhindert haͤtten, macht mich immer recht wehmuͤthig. Haben Sie Dank, daß Sie mit so ehrerbietiger Bewunderung bey dem alten Holbein verweilten. Sie haben in der That ein Bild von ihm gewaͤhlt, woraus man ihn ganz kennen lernen kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="75"/> unten liegenden orientalischen Teppichs sind durch eine große Falte gebrochen, und eben weil alle Verzierungen, auch der Kleidung, so sehr ins kleine gehn, zeichnen sich die Zuͤge und Umrisse des menschlichen Antlitzes viel bestimmter und reiner daneben ab, als etwa bey uͤberfluͤssigem Prunk fliegender Gewaͤnder und hingeworfner Falten. Der Ton des Ganzen naͤhert sich schon ziemlich dem Harmonischen. Die Gesichtsfarben sind durchaus wahr, und besonders am maͤnnlichen Theil der Familie schoͤn nach dem Alter unterschieden. Die Koͤpfe der aͤlteren Frauen stechen gegen die blaͤulich weißen Tuͤcher nur ein wenig zu braun ab. Jmmer wird der erste Blick weniger anziehen als die nahe Untersuchung, die mit zunehmender Liebe an dieses Bild fesselt. Holbein bewaͤhrt sich darin ganz als den sinnreichen Meister von eben so einsichtsvollem, klarem und ruhigem Geiste als kunstgeuͤbter Hand, der das Schoͤne erkannte und ausdruͤckte, jedoch auch dem minder Schoͤnen treu oblag, um es durch die innige Wahrheit zu adeln, und das alles ohne Anmaßung und Geraͤusch.”</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Die Erinnerung an die Zeit, wo wir auf dem Wege waren, eine aͤchte einheimische Kunst zu bekommen, wenn unguͤnstige Umstaͤnde und die Sucht des Fremden es nicht verhindert haͤtten, macht mich immer recht wehmuͤthig. Haben Sie Dank, daß Sie mit so ehrerbietiger Bewunderung bey dem alten Holbein verweilten. Sie haben in der That ein Bild von ihm gewaͤhlt, woraus man ihn ganz kennen lernen kann.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
unten liegenden orientalischen Teppichs sind durch eine große Falte gebrochen, und eben weil alle Verzierungen, auch der Kleidung, so sehr ins kleine gehn, zeichnen sich die Zuͤge und Umrisse des menschlichen Antlitzes viel bestimmter und reiner daneben ab, als etwa bey uͤberfluͤssigem Prunk fliegender Gewaͤnder und hingeworfner Falten. Der Ton des Ganzen naͤhert sich schon ziemlich dem Harmonischen. Die Gesichtsfarben sind durchaus wahr, und besonders am maͤnnlichen Theil der Familie schoͤn nach dem Alter unterschieden. Die Koͤpfe der aͤlteren Frauen stechen gegen die blaͤulich weißen Tuͤcher nur ein wenig zu braun ab. Jmmer wird der erste Blick weniger anziehen als die nahe Untersuchung, die mit zunehmender Liebe an dieses Bild fesselt. Holbein bewaͤhrt sich darin ganz als den sinnreichen Meister von eben so einsichtsvollem, klarem und ruhigem Geiste als kunstgeuͤbter Hand, der das Schoͤne erkannte und ausdruͤckte, jedoch auch dem minder Schoͤnen treu oblag, um es durch die innige Wahrheit zu adeln, und das alles ohne Anmaßung und Geraͤusch.”
Reinhold. Die Erinnerung an die Zeit, wo wir auf dem Wege waren, eine aͤchte einheimische Kunst zu bekommen, wenn unguͤnstige Umstaͤnde und die Sucht des Fremden es nicht verhindert haͤtten, macht mich immer recht wehmuͤthig. Haben Sie Dank, daß Sie mit so ehrerbietiger Bewunderung bey dem alten Holbein verweilten. Sie haben in der That ein Bild von ihm gewaͤhlt, woraus man ihn ganz kennen lernen kann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |