Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

hören müssen, und die mir nun weit klarer geworden sind als zuvor. Die Jdealisten versicherten mich aller Orten, Spinosa sey wohl gut, nur sey er durch und durch unverständlich. Jn den kritischen Schriften fand ich dagegen, jedes Werk des Genie's sey zwar dem Auge klar, dem Verstande aber ewig geheim. Nach Jhrer Ansicht gehören diese Aussprüche zusammen, und ich ergötze mich aufrichtig an ihrer absichtslosen Symmetrie.

Lothario. Jch möchte unsern Freund darüber zur Rede stellen, daß er die Physik so einzig zu nennen schien, da er sich doch stillschweigends überall auf die Historie gründete, die wohl der eigentliche Quell seiner Mythologie seyn dürfte, eben so sehr als die Physik; wenn es anders erlaubt ist, einen alten Namen für etwas zu brauchen, was eben auch noch nicht existirt. Jhre Ansicht des Zeitalters indessen scheint mir so etwas, was den Namen einer historischen Ansicht in meinem Sinne verdient.

Ludoviko. Man knüpft da zunächst an, wo man die ersten Spuren des Lebens wahrnimmt. Das ist jetzt in der Physik.

Marcus. Jhr Gang war etwas rasch. Jm einzelnen würde ich Sie oft bitten müssen, mir mit Erläuterungen Stand zu halten. Jm Ganzen aber hat Jhre Theorie mir eine neue Aussicht über die didaktische, oder wie unser Philologe sie nennt, über die didaskalische Gattung gegeben. Jch sehe nun ein, wie dieses Kreuz aller bisherigen Eintheilungen nothwendig zur Poesie gehört. Denn unstreitig ist das

hoͤren muͤssen, und die mir nun weit klarer geworden sind als zuvor. Die Jdealisten versicherten mich aller Orten, Spinosa sey wohl gut, nur sey er durch und durch unverstaͤndlich. Jn den kritischen Schriften fand ich dagegen, jedes Werk des Genie's sey zwar dem Auge klar, dem Verstande aber ewig geheim. Nach Jhrer Ansicht gehoͤren diese Ausspruͤche zusammen, und ich ergoͤtze mich aufrichtig an ihrer absichtslosen Symmetrie.

Lothario. Jch moͤchte unsern Freund daruͤber zur Rede stellen, daß er die Physik so einzig zu nennen schien, da er sich doch stillschweigends uͤberall auf die Historie gruͤndete, die wohl der eigentliche Quell seiner Mythologie seyn duͤrfte, eben so sehr als die Physik; wenn es anders erlaubt ist, einen alten Namen fuͤr etwas zu brauchen, was eben auch noch nicht existirt. Jhre Ansicht des Zeitalters indessen scheint mir so etwas, was den Namen einer historischen Ansicht in meinem Sinne verdient.

Ludoviko. Man knuͤpft da zunaͤchst an, wo man die ersten Spuren des Lebens wahrnimmt. Das ist jetzt in der Physik.

Marcus. Jhr Gang war etwas rasch. Jm einzelnen wuͤrde ich Sie oft bitten muͤssen, mir mit Erlaͤuterungen Stand zu halten. Jm Ganzen aber hat Jhre Theorie mir eine neue Aussicht uͤber die didaktische, oder wie unser Philologe sie nennt, uͤber die didaskalische Gattung gegeben. Jch sehe nun ein, wie dieses Kreuz aller bisherigen Eintheilungen nothwendig zur Poesie gehoͤrt. Denn unstreitig ist das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0114" n="106"/>
ho&#x0364;ren mu&#x0364;ssen, und die mir nun weit klarer geworden sind als zuvor. Die Jdealisten versicherten mich aller Orten, Spinosa sey wohl gut, nur sey er durch und durch unversta&#x0364;ndlich. Jn den kritischen Schriften fand ich dagegen, jedes Werk des Genie's sey zwar dem Auge klar, dem Verstande aber ewig geheim. Nach Jhrer Ansicht geho&#x0364;ren diese Ausspru&#x0364;che zusammen, und ich ergo&#x0364;tze mich aufrichtig an ihrer absichtslosen Symmetrie.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Jch mo&#x0364;chte unsern Freund daru&#x0364;ber zur Rede stellen, daß er die Physik so einzig zu nennen schien, da er sich doch stillschweigends u&#x0364;berall auf die Historie gru&#x0364;ndete, die wohl der eigentliche Quell seiner Mythologie seyn du&#x0364;rfte, eben so sehr als die Physik; wenn es anders erlaubt ist, einen alten Namen fu&#x0364;r etwas zu brauchen, was eben auch noch nicht existirt. Jhre Ansicht des Zeitalters indessen scheint mir so etwas, was den Namen einer historischen Ansicht in meinem Sinne verdient.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Man knu&#x0364;pft da zuna&#x0364;chst an, wo man die ersten Spuren des Lebens wahrnimmt. Das ist jetzt in der Physik.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Jhr Gang war etwas rasch. Jm einzelnen wu&#x0364;rde ich Sie oft bitten mu&#x0364;ssen, mir mit Erla&#x0364;uterungen Stand zu halten. Jm Ganzen aber hat Jhre Theorie mir eine neue Aussicht u&#x0364;ber die didaktische, oder wie unser Philologe sie nennt, u&#x0364;ber die didaskalische Gattung gegeben. Jch sehe nun ein, wie dieses Kreuz aller bisherigen Eintheilungen nothwendig zur Poesie geho&#x0364;rt. Denn unstreitig ist das
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0114] hoͤren muͤssen, und die mir nun weit klarer geworden sind als zuvor. Die Jdealisten versicherten mich aller Orten, Spinosa sey wohl gut, nur sey er durch und durch unverstaͤndlich. Jn den kritischen Schriften fand ich dagegen, jedes Werk des Genie's sey zwar dem Auge klar, dem Verstande aber ewig geheim. Nach Jhrer Ansicht gehoͤren diese Ausspruͤche zusammen, und ich ergoͤtze mich aufrichtig an ihrer absichtslosen Symmetrie. Lothario. Jch moͤchte unsern Freund daruͤber zur Rede stellen, daß er die Physik so einzig zu nennen schien, da er sich doch stillschweigends uͤberall auf die Historie gruͤndete, die wohl der eigentliche Quell seiner Mythologie seyn duͤrfte, eben so sehr als die Physik; wenn es anders erlaubt ist, einen alten Namen fuͤr etwas zu brauchen, was eben auch noch nicht existirt. Jhre Ansicht des Zeitalters indessen scheint mir so etwas, was den Namen einer historischen Ansicht in meinem Sinne verdient. Ludoviko. Man knuͤpft da zunaͤchst an, wo man die ersten Spuren des Lebens wahrnimmt. Das ist jetzt in der Physik. Marcus. Jhr Gang war etwas rasch. Jm einzelnen wuͤrde ich Sie oft bitten muͤssen, mir mit Erlaͤuterungen Stand zu halten. Jm Ganzen aber hat Jhre Theorie mir eine neue Aussicht uͤber die didaktische, oder wie unser Philologe sie nennt, uͤber die didaskalische Gattung gegeben. Jch sehe nun ein, wie dieses Kreuz aller bisherigen Eintheilungen nothwendig zur Poesie gehoͤrt. Denn unstreitig ist das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/114
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/114>, abgerufen am 04.12.2024.