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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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die der Griechen mit dem Epos an und löste sich wieder darin auf.

Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische nicht sowohl eine Gattung ist als ein Element der Poesie, das mehr oder minder herrschen und zurücktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Jhnen nach meiner Ansicht einleuchtend seyn, daß und warum ich fordre, alle Poesie solle romantisch seyn; den Roman aber, in sofern er eine besondre Gattung seyn will, verabscheue.

Sie verlangten gestern, da der Streit eben am lebhaftesten wurde, eine Definition, was ein Roman sey; mit einer Art, als wüßten Sie schon, Sie würden keine befriedigende Antwort bekommen. Jch halte dieses Problem eben nicht für unauflöslich. Ein Roman ist ein romantisches Buch. -- Sie werden das für eine nichtssagende Tautologie ausgeben. Aber ich will Sie zuerst nur darauf aufmerksam machen, daß man sich bey einem Buche schon ein Werk, ein für sich bestehendes Ganze denkt. Alsdann liegt ein sehr wichtiger Gegensatz gegen das Schauspiel darin, welches bestimmt ist angeschaut zu werden: der Roman hingegen war es von den ältesten Zeiten für die Lektüre, und daraus lassen sich fast alle Verschiedenheiten in der Manier der Darstellung beyder Formen herleiten. Das Schauspiel soll auch romantisch seyn, wie alle Dichtkunst; aber ein Roman ists nur unter gewissen Einschränkungen, ein angewandter Roman. Der dramatische Zusammenhang der Geschichte macht den Roman im Gegentheil noch keineswegs zum Ganzen, zum

die der Griechen mit dem Epos an und loͤste sich wieder darin auf.

Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische nicht sowohl eine Gattung ist als ein Element der Poesie, das mehr oder minder herrschen und zuruͤcktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Jhnen nach meiner Ansicht einleuchtend seyn, daß und warum ich fordre, alle Poesie solle romantisch seyn; den Roman aber, in sofern er eine besondre Gattung seyn will, verabscheue.

Sie verlangten gestern, da der Streit eben am lebhaftesten wurde, eine Definition, was ein Roman sey; mit einer Art, als wuͤßten Sie schon, Sie wuͤrden keine befriedigende Antwort bekommen. Jch halte dieses Problem eben nicht fuͤr unaufloͤslich. Ein Roman ist ein romantisches Buch. — Sie werden das fuͤr eine nichtssagende Tautologie ausgeben. Aber ich will Sie zuerst nur darauf aufmerksam machen, daß man sich bey einem Buche schon ein Werk, ein fuͤr sich bestehendes Ganze denkt. Alsdann liegt ein sehr wichtiger Gegensatz gegen das Schauspiel darin, welches bestimmt ist angeschaut zu werden: der Roman hingegen war es von den aͤltesten Zeiten fuͤr die Lektuͤre, und daraus lassen sich fast alle Verschiedenheiten in der Manier der Darstellung beyder Formen herleiten. Das Schauspiel soll auch romantisch seyn, wie alle Dichtkunst; aber ein Roman ists nur unter gewissen Einschraͤnkungen, ein angewandter Roman. Der dramatische Zusammenhang der Geschichte macht den Roman im Gegentheil noch keineswegs zum Ganzen, zum

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[123/0131] die der Griechen mit dem Epos an und loͤste sich wieder darin auf. Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische nicht sowohl eine Gattung ist als ein Element der Poesie, das mehr oder minder herrschen und zuruͤcktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Jhnen nach meiner Ansicht einleuchtend seyn, daß und warum ich fordre, alle Poesie solle romantisch seyn; den Roman aber, in sofern er eine besondre Gattung seyn will, verabscheue. Sie verlangten gestern, da der Streit eben am lebhaftesten wurde, eine Definition, was ein Roman sey; mit einer Art, als wuͤßten Sie schon, Sie wuͤrden keine befriedigende Antwort bekommen. Jch halte dieses Problem eben nicht fuͤr unaufloͤslich. Ein Roman ist ein romantisches Buch. — Sie werden das fuͤr eine nichtssagende Tautologie ausgeben. Aber ich will Sie zuerst nur darauf aufmerksam machen, daß man sich bey einem Buche schon ein Werk, ein fuͤr sich bestehendes Ganze denkt. Alsdann liegt ein sehr wichtiger Gegensatz gegen das Schauspiel darin, welches bestimmt ist angeschaut zu werden: der Roman hingegen war es von den aͤltesten Zeiten fuͤr die Lektuͤre, und daraus lassen sich fast alle Verschiedenheiten in der Manier der Darstellung beyder Formen herleiten. Das Schauspiel soll auch romantisch seyn, wie alle Dichtkunst; aber ein Roman ists nur unter gewissen Einschraͤnkungen, ein angewandter Roman. Der dramatische Zusammenhang der Geschichte macht den Roman im Gegentheil noch keineswegs zum Ganzen, zum

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/131>, abgerufen am 15.05.2024.