Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.II.Gespräch über die Poesie.
(Fortsetzung.) Nachdem Antonio diese Epistel vorgelesen hatte, fing Camilla an die Güte und Nachsicht der Frauen zu rühmen: daß Amalia ein solches Maaß von Belehrung anzunehmen nicht für zu gering geachtet; und überhaupt wären sie ein Muster von Bescheidenheit, indem sie bey dem Ernst der Männer immer geduldig, und, was noch mehr sagen wolle, ernsthaft blieben, ja sogar einen gewissen Glauben an ihr Kunstwesen hätten. -- Wenn Sie unter der Bescheidenheit diesen Glauben verstehn, setzte Lothario hinzu, diese Voraussetzung einer Vortrefflichkeit, die wir noch nicht selbst besitzen, deren Daseyn und Würde wir aber zu vermuthen anfangen: so dürfte sie wohl die sicherste Grundlage aller edlen Bildung für vorzügliche Frauen seyn. -- Camilla fragte, ob es für die Männer etwa der Stolz und die Selbstzufriedenheit sey; indem sich jeder meistens um so mehr für einzig hielte, je unfähiger II.Gespraͤch uͤber die Poesie.
(Fortsetzung.) Nachdem Antonio diese Epistel vorgelesen hatte, fing Camilla an die Guͤte und Nachsicht der Frauen zu ruͤhmen: daß Amalia ein solches Maaß von Belehrung anzunehmen nicht fuͤr zu gering geachtet; und uͤberhaupt waͤren sie ein Muster von Bescheidenheit, indem sie bey dem Ernst der Maͤnner immer geduldig, und, was noch mehr sagen wolle, ernsthaft blieben, ja sogar einen gewissen Glauben an ihr Kunstwesen haͤtten. — Wenn Sie unter der Bescheidenheit diesen Glauben verstehn, setzte Lothario hinzu, diese Voraussetzung einer Vortrefflichkeit, die wir noch nicht selbst besitzen, deren Daseyn und Wuͤrde wir aber zu vermuthen anfangen: so duͤrfte sie wohl die sicherste Grundlage aller edlen Bildung fuͤr vorzuͤgliche Frauen seyn. — Camilla fragte, ob es fuͤr die Maͤnner etwa der Stolz und die Selbstzufriedenheit sey; indem sich jeder meistens um so mehr fuͤr einzig hielte, je unfaͤhiger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0181" n="169"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Gespraͤch uͤber die Poesie</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p rendition="#c">(<hi rendition="#g">Fortsetzung</hi>.)</p><lb/> <p>Nachdem Antonio diese Epistel vorgelesen hatte, fing Camilla an die Guͤte und Nachsicht der Frauen zu ruͤhmen: daß Amalia ein solches Maaß von Belehrung anzunehmen nicht fuͤr zu gering geachtet; und uͤberhaupt waͤren sie ein Muster von Bescheidenheit, indem sie bey dem Ernst der Maͤnner immer geduldig, und, was noch mehr sagen wolle, ernsthaft blieben, ja sogar einen gewissen Glauben an ihr Kunstwesen haͤtten. — Wenn Sie unter der Bescheidenheit diesen Glauben verstehn, setzte Lothario hinzu, diese Voraussetzung einer Vortrefflichkeit, die wir noch nicht selbst besitzen, deren Daseyn und Wuͤrde wir aber zu vermuthen anfangen: so duͤrfte sie wohl die sicherste Grundlage aller edlen Bildung fuͤr vorzuͤgliche Frauen seyn. — Camilla fragte, ob es fuͤr die Maͤnner etwa der Stolz und die Selbstzufriedenheit sey; indem sich jeder meistens um so mehr fuͤr einzig hielte, je unfaͤhiger </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0181]
II.Gespraͤch uͤber die Poesie.
(Fortsetzung.)
Nachdem Antonio diese Epistel vorgelesen hatte, fing Camilla an die Guͤte und Nachsicht der Frauen zu ruͤhmen: daß Amalia ein solches Maaß von Belehrung anzunehmen nicht fuͤr zu gering geachtet; und uͤberhaupt waͤren sie ein Muster von Bescheidenheit, indem sie bey dem Ernst der Maͤnner immer geduldig, und, was noch mehr sagen wolle, ernsthaft blieben, ja sogar einen gewissen Glauben an ihr Kunstwesen haͤtten. — Wenn Sie unter der Bescheidenheit diesen Glauben verstehn, setzte Lothario hinzu, diese Voraussetzung einer Vortrefflichkeit, die wir noch nicht selbst besitzen, deren Daseyn und Wuͤrde wir aber zu vermuthen anfangen: so duͤrfte sie wohl die sicherste Grundlage aller edlen Bildung fuͤr vorzuͤgliche Frauen seyn. — Camilla fragte, ob es fuͤr die Maͤnner etwa der Stolz und die Selbstzufriedenheit sey; indem sich jeder meistens um so mehr fuͤr einzig hielte, je unfaͤhiger
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/181>, abgerufen am 16.02.2025. |