Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.ewig zu studiren haben werden, in gewissem Sinne, der materiellen Entstehung nach ein Studium nach Romanen ist, die wohl vor einer strengen Prüfung weder einzeln als Werke, noch zusammen als eine Gattung gelten dürften. Dieß ist der Charakter der wahren Nachbildung, ohne die ein Werk kaum ein Kunstwerk seyn kann! Das Vorbild ist dem Künstler nur Reiz und Mittel, den Gedanken von dem was er bilden will, individueller zu gestalten. So wie Göthe dichtet, das heißt nach Jdeen dichten; in demselben Sinne, wie Plato fodert, daß man nach Jdeen leben soll. Auch der Triumph der Empfindsamkeit geht sehr weit ab vom Gozzi, und in Rücksicht der Jronie weit über ihn hinaus. Wohin Jhr Meisters Lehrjahre stellen wollt, überlasse ich Euch. Bey der künstlichen Geselligkeit, bey der Ausbildung des Verstandes, die in der zweyten Manier den Ton angiebt, fehlt es nicht an Reminiscenzen aus der ersten, und im Hintergrunde regt sich überall der classische Geist, der die dritte Periode charakterisirt. Dieser classische Geist liegt nicht bloß im Aeußerlichen: denn wo ich nicht irre, so ist sogar im Reineke Fuchs das Eigenthümliche des Tons, was der Künstler an das Alte angebildet hat, von derselben Tendenz wie die Form. Metrum, Sprache, Form, Aehnlichkeit der Wendungen und Gleichheit der Ansichten, ferner das meistens südliche Colorit und Costüm, der ruhige weiche ewig zu studiren haben werden, in gewissem Sinne, der materiellen Entstehung nach ein Studium nach Romanen ist, die wohl vor einer strengen Pruͤfung weder einzeln als Werke, noch zusammen als eine Gattung gelten duͤrften. Dieß ist der Charakter der wahren Nachbildung, ohne die ein Werk kaum ein Kunstwerk seyn kann! Das Vorbild ist dem Kuͤnstler nur Reiz und Mittel, den Gedanken von dem was er bilden will, individueller zu gestalten. So wie Goͤthe dichtet, das heißt nach Jdeen dichten; in demselben Sinne, wie Plato fodert, daß man nach Jdeen leben soll. Auch der Triumph der Empfindsamkeit geht sehr weit ab vom Gozzi, und in Ruͤcksicht der Jronie weit uͤber ihn hinaus. Wohin Jhr Meisters Lehrjahre stellen wollt, uͤberlasse ich Euch. Bey der kuͤnstlichen Geselligkeit, bey der Ausbildung des Verstandes, die in der zweyten Manier den Ton angiebt, fehlt es nicht an Reminiscenzen aus der ersten, und im Hintergrunde regt sich uͤberall der classische Geist, der die dritte Periode charakterisirt. Dieser classische Geist liegt nicht bloß im Aeußerlichen: denn wo ich nicht irre, so ist sogar im Reineke Fuchs das Eigenthuͤmliche des Tons, was der Kuͤnstler an das Alte angebildet hat, von derselben Tendenz wie die Form. Metrum, Sprache, Form, Aehnlichkeit der Wendungen und Gleichheit der Ansichten, ferner das meistens suͤdliche Colorit und Costuͤm, der ruhige weiche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0189" n="177"/> ewig zu studiren haben werden, in gewissem Sinne, der materiellen Entstehung nach ein Studium nach Romanen ist, die wohl vor einer strengen Pruͤfung weder einzeln als Werke, noch zusammen als eine Gattung gelten duͤrften.</p><lb/> <p>Dieß ist der Charakter der wahren Nachbildung, ohne die ein Werk kaum ein Kunstwerk seyn kann! Das Vorbild ist dem Kuͤnstler nur Reiz und Mittel, den Gedanken von dem was er bilden will, individueller zu gestalten. So wie Goͤthe dichtet, das heißt nach Jdeen dichten; in demselben Sinne, wie Plato fodert, daß man nach Jdeen leben soll.</p><lb/> <p>Auch der Triumph der Empfindsamkeit geht sehr weit ab vom Gozzi, und in Ruͤcksicht der Jronie weit uͤber ihn hinaus.</p><lb/> <p>Wohin Jhr Meisters Lehrjahre stellen wollt, uͤberlasse ich Euch. Bey der kuͤnstlichen Geselligkeit, bey der Ausbildung des Verstandes, die in der zweyten Manier den Ton angiebt, fehlt es nicht an Reminiscenzen aus der ersten, und im Hintergrunde regt sich uͤberall der classische Geist, der die dritte Periode charakterisirt.</p><lb/> <p>Dieser classische Geist liegt nicht bloß im Aeußerlichen: denn wo ich nicht irre, so ist sogar im Reineke Fuchs das Eigenthuͤmliche des Tons, was der Kuͤnstler an das Alte angebildet hat, von derselben Tendenz wie die Form.</p><lb/> <p>Metrum, Sprache, Form, Aehnlichkeit der Wendungen und Gleichheit der Ansichten, ferner das meistens suͤdliche Colorit und Costuͤm, der ruhige weiche </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0189]
ewig zu studiren haben werden, in gewissem Sinne, der materiellen Entstehung nach ein Studium nach Romanen ist, die wohl vor einer strengen Pruͤfung weder einzeln als Werke, noch zusammen als eine Gattung gelten duͤrften.
Dieß ist der Charakter der wahren Nachbildung, ohne die ein Werk kaum ein Kunstwerk seyn kann! Das Vorbild ist dem Kuͤnstler nur Reiz und Mittel, den Gedanken von dem was er bilden will, individueller zu gestalten. So wie Goͤthe dichtet, das heißt nach Jdeen dichten; in demselben Sinne, wie Plato fodert, daß man nach Jdeen leben soll.
Auch der Triumph der Empfindsamkeit geht sehr weit ab vom Gozzi, und in Ruͤcksicht der Jronie weit uͤber ihn hinaus.
Wohin Jhr Meisters Lehrjahre stellen wollt, uͤberlasse ich Euch. Bey der kuͤnstlichen Geselligkeit, bey der Ausbildung des Verstandes, die in der zweyten Manier den Ton angiebt, fehlt es nicht an Reminiscenzen aus der ersten, und im Hintergrunde regt sich uͤberall der classische Geist, der die dritte Periode charakterisirt.
Dieser classische Geist liegt nicht bloß im Aeußerlichen: denn wo ich nicht irre, so ist sogar im Reineke Fuchs das Eigenthuͤmliche des Tons, was der Kuͤnstler an das Alte angebildet hat, von derselben Tendenz wie die Form.
Metrum, Sprache, Form, Aehnlichkeit der Wendungen und Gleichheit der Ansichten, ferner das meistens suͤdliche Colorit und Costuͤm, der ruhige weiche
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