Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.die ihr eignes schönes Spiel verdammend sich selbst zu ernsthaft und einseitig nimmt. Doch gesteht und erkennet die Philosophie schon, daß sie nur mit Religion anfangen und sich selbst vollenden könne, und die Poesie will nur nach dem Unendlichen streben und verachtet weltliche Nützlichkeit und Cultur, welches die eigentlichen Gegensätze der Religion sind. Der ewige Friede unter den Künstlern ist also nicht mehr fern. Was die Menschen unter den andern Bildungen der Erde, das sind die Künstler unter den Menschen. Gott erblicken wir nicht, aber überall erblicken wir Göttliches; zunächst und am eigentlichsten jedoch in der Mitte eines sinnvollen Menschen, in der Tiefe eines lebendigen Menschenwerks. Die Natur, das Universum kannst du unmittelbar fühlen, unmittelbar denken; nicht also die Gottheit. Nur der Mensch unter Menschen kann göttlich dichten und denken und mit Religion leben. Sich selbst kann niemand auch nur seinem Geiste direkter Mittler seyn, weil dieser schlechthin Objekt seyn muß, dessen Centrum der Anschauende außer sich setzt. Man wählt und setzt sich den Mittler, aber man kann sich nur den wählen und setzen, der sich schon als solchen gesetzt hat. Ein Mittler ist derjenige, der Göttliches in sich wahrnimmt, und sich selbst vernichtend Preis giebt, um dieses Göttliche zu verkündigen, mitzutheilen, und darzustellen allen Menschen in Sitten und Thaten, in Worten und Werken. Erfolgt dieser Trieb nicht, so war das die ihr eignes schoͤnes Spiel verdammend sich selbst zu ernsthaft und einseitig nimmt. Doch gesteht und erkennet die Philosophie schon, daß sie nur mit Religion anfangen und sich selbst vollenden koͤnne, und die Poesie will nur nach dem Unendlichen streben und verachtet weltliche Nuͤtzlichkeit und Cultur, welches die eigentlichen Gegensaͤtze der Religion sind. Der ewige Friede unter den Kuͤnstlern ist also nicht mehr fern. Was die Menschen unter den andern Bildungen der Erde, das sind die Kuͤnstler unter den Menschen. Gott erblicken wir nicht, aber uͤberall erblicken wir Goͤttliches; zunaͤchst und am eigentlichsten jedoch in der Mitte eines sinnvollen Menschen, in der Tiefe eines lebendigen Menschenwerks. Die Natur, das Universum kannst du unmittelbar fuͤhlen, unmittelbar denken; nicht also die Gottheit. Nur der Mensch unter Menschen kann goͤttlich dichten und denken und mit Religion leben. Sich selbst kann niemand auch nur seinem Geiste direkter Mittler seyn, weil dieser schlechthin Objekt seyn muß, dessen Centrum der Anschauende außer sich setzt. Man waͤhlt und setzt sich den Mittler, aber man kann sich nur den waͤhlen und setzen, der sich schon als solchen gesetzt hat. Ein Mittler ist derjenige, der Goͤttliches in sich wahrnimmt, und sich selbst vernichtend Preis giebt, um dieses Goͤttliche zu verkuͤndigen, mitzutheilen, und darzustellen allen Menschen in Sitten und Thaten, in Worten und Werken. Erfolgt dieser Trieb nicht, so war das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="11"/> die ihr eignes schoͤnes Spiel verdammend sich selbst zu ernsthaft und einseitig nimmt. Doch gesteht und erkennet die Philosophie schon, daß sie nur mit Religion anfangen und sich selbst vollenden koͤnne, und die Poesie will nur nach dem Unendlichen streben und verachtet weltliche Nuͤtzlichkeit und Cultur, welches die eigentlichen Gegensaͤtze der Religion sind. Der ewige Friede unter den Kuͤnstlern ist also nicht mehr fern.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Was die Menschen unter den andern Bildungen der Erde, das sind die Kuͤnstler unter den Menschen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Gott erblicken wir nicht, aber uͤberall erblicken wir Goͤttliches; zunaͤchst und am eigentlichsten jedoch in der Mitte eines sinnvollen Menschen, in der Tiefe eines lebendigen Menschenwerks. Die Natur, das Universum kannst du unmittelbar fuͤhlen, unmittelbar denken; nicht also die Gottheit. Nur der Mensch unter Menschen kann goͤttlich dichten und denken und mit Religion leben. Sich selbst kann niemand auch nur seinem Geiste direkter Mittler seyn, weil dieser schlechthin Objekt seyn muß, dessen Centrum der Anschauende außer sich setzt. Man waͤhlt und setzt sich den Mittler, aber man kann sich nur den waͤhlen und setzen, der sich schon als solchen gesetzt hat. Ein Mittler ist derjenige, der Goͤttliches in sich wahrnimmt, und sich selbst vernichtend Preis giebt, um dieses Goͤttliche zu verkuͤndigen, mitzutheilen, und darzustellen allen Menschen in Sitten und Thaten, in Worten und Werken. Erfolgt dieser Trieb nicht, so war das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0019]
die ihr eignes schoͤnes Spiel verdammend sich selbst zu ernsthaft und einseitig nimmt. Doch gesteht und erkennet die Philosophie schon, daß sie nur mit Religion anfangen und sich selbst vollenden koͤnne, und die Poesie will nur nach dem Unendlichen streben und verachtet weltliche Nuͤtzlichkeit und Cultur, welches die eigentlichen Gegensaͤtze der Religion sind. Der ewige Friede unter den Kuͤnstlern ist also nicht mehr fern.
Was die Menschen unter den andern Bildungen der Erde, das sind die Kuͤnstler unter den Menschen.
Gott erblicken wir nicht, aber uͤberall erblicken wir Goͤttliches; zunaͤchst und am eigentlichsten jedoch in der Mitte eines sinnvollen Menschen, in der Tiefe eines lebendigen Menschenwerks. Die Natur, das Universum kannst du unmittelbar fuͤhlen, unmittelbar denken; nicht also die Gottheit. Nur der Mensch unter Menschen kann goͤttlich dichten und denken und mit Religion leben. Sich selbst kann niemand auch nur seinem Geiste direkter Mittler seyn, weil dieser schlechthin Objekt seyn muß, dessen Centrum der Anschauende außer sich setzt. Man waͤhlt und setzt sich den Mittler, aber man kann sich nur den waͤhlen und setzen, der sich schon als solchen gesetzt hat. Ein Mittler ist derjenige, der Goͤttliches in sich wahrnimmt, und sich selbst vernichtend Preis giebt, um dieses Goͤttliche zu verkuͤndigen, mitzutheilen, und darzustellen allen Menschen in Sitten und Thaten, in Worten und Werken. Erfolgt dieser Trieb nicht, so war das
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