Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrgenommene nicht göttlich oder nicht eigen. Vermitteln und Vermitteltwerden ist das ganze höhere Leben des Menschen, und jeder Künstler ist Mittler für alle übrigen.



Ein Künstler ist, wer sein Centrum in sich selbst hat. Wem es da fehlt, der muß einen bestimmten Führer und Mittler außer sich wählen, natürlich nicht auf immer sondern nur fürs erste. Denn ohne lebendiges Centrum kann der Mensch nicht seyn, und hat er es noch nicht in sich, so darf er es nur in einem Menschen suchen, und nur ein Mensch und dessen Centrum kann das seinige reizen und wecken.



Poesie und Philosophie sind, je nachdem man es nimmt, verschiedne Sphären, verschiedne Formen, oder auch die Factoren der Religion. Denn versucht es nur beyde wirklich zu verbinden, und ihr werdet nichts anders erhalten als Religion.



Gott ist jedes schlechthin Ursprüngliche und Höchste, also das Jndividuum selbst in der höchsten Potenz. Aber sind nicht auch die Natur und die Welt Jndividuen?



Wo die Philosophie aufhört, muß die Poesie anfangen. Einen gemeinen Standpunkt, eine nur im Gegensatz der Kunst und Bildung natürliche Denkart, ein bloßes Leben soll es gar nicht geben; d. h. es soll kein Reich der Rohheit jenseits der Gränzen der Bildung

Wahrgenommene nicht goͤttlich oder nicht eigen. Vermitteln und Vermitteltwerden ist das ganze hoͤhere Leben des Menschen, und jeder Kuͤnstler ist Mittler fuͤr alle uͤbrigen.



Ein Kuͤnstler ist, wer sein Centrum in sich selbst hat. Wem es da fehlt, der muß einen bestimmten Fuͤhrer und Mittler außer sich waͤhlen, natuͤrlich nicht auf immer sondern nur fuͤrs erste. Denn ohne lebendiges Centrum kann der Mensch nicht seyn, und hat er es noch nicht in sich, so darf er es nur in einem Menschen suchen, und nur ein Mensch und dessen Centrum kann das seinige reizen und wecken.



Poesie und Philosophie sind, je nachdem man es nimmt, verschiedne Sphaͤren, verschiedne Formen, oder auch die Factoren der Religion. Denn versucht es nur beyde wirklich zu verbinden, und ihr werdet nichts anders erhalten als Religion.



Gott ist jedes schlechthin Urspruͤngliche und Hoͤchste, also das Jndividuum selbst in der hoͤchsten Potenz. Aber sind nicht auch die Natur und die Welt Jndividuen?



Wo die Philosophie aufhoͤrt, muß die Poesie anfangen. Einen gemeinen Standpunkt, eine nur im Gegensatz der Kunst und Bildung natuͤrliche Denkart, ein bloßes Leben soll es gar nicht geben; d. h. es soll kein Reich der Rohheit jenseits der Graͤnzen der Bildung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="12"/>
Wahrgenommene nicht go&#x0364;ttlich oder nicht eigen. Vermitteln und Vermitteltwerden ist das ganze ho&#x0364;here Leben des Menschen, und jeder Ku&#x0364;nstler ist Mittler fu&#x0364;r alle u&#x0364;brigen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Ein Ku&#x0364;nstler ist, wer sein Centrum in sich selbst hat. Wem es da fehlt, der muß einen bestimmten Fu&#x0364;hrer und Mittler außer sich wa&#x0364;hlen, natu&#x0364;rlich nicht auf immer sondern nur fu&#x0364;rs erste. Denn ohne lebendiges Centrum kann der Mensch nicht seyn, und hat er es noch nicht in sich, so darf er es nur in einem Menschen suchen, und nur ein Mensch und dessen Centrum kann das seinige reizen und wecken.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Poesie und Philosophie sind, je nachdem man es nimmt, verschiedne Spha&#x0364;ren, verschiedne Formen, oder auch die Factoren der Religion. Denn versucht es nur beyde wirklich zu verbinden, und ihr werdet nichts anders erhalten als Religion.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Gott ist jedes schlechthin Urspru&#x0364;ngliche und Ho&#x0364;chste, also das Jndividuum selbst in der ho&#x0364;chsten Potenz. Aber sind nicht auch die Natur und die Welt Jndividuen?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wo die Philosophie aufho&#x0364;rt, muß die Poesie anfangen. Einen gemeinen Standpunkt, eine nur im Gegensatz der Kunst und Bildung natu&#x0364;rliche Denkart, ein bloßes Leben soll es gar nicht geben; d. h. es soll kein Reich der Rohheit jenseits der Gra&#x0364;nzen der Bildung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0020] Wahrgenommene nicht goͤttlich oder nicht eigen. Vermitteln und Vermitteltwerden ist das ganze hoͤhere Leben des Menschen, und jeder Kuͤnstler ist Mittler fuͤr alle uͤbrigen. Ein Kuͤnstler ist, wer sein Centrum in sich selbst hat. Wem es da fehlt, der muß einen bestimmten Fuͤhrer und Mittler außer sich waͤhlen, natuͤrlich nicht auf immer sondern nur fuͤrs erste. Denn ohne lebendiges Centrum kann der Mensch nicht seyn, und hat er es noch nicht in sich, so darf er es nur in einem Menschen suchen, und nur ein Mensch und dessen Centrum kann das seinige reizen und wecken. Poesie und Philosophie sind, je nachdem man es nimmt, verschiedne Sphaͤren, verschiedne Formen, oder auch die Factoren der Religion. Denn versucht es nur beyde wirklich zu verbinden, und ihr werdet nichts anders erhalten als Religion. Gott ist jedes schlechthin Urspruͤngliche und Hoͤchste, also das Jndividuum selbst in der hoͤchsten Potenz. Aber sind nicht auch die Natur und die Welt Jndividuen? Wo die Philosophie aufhoͤrt, muß die Poesie anfangen. Einen gemeinen Standpunkt, eine nur im Gegensatz der Kunst und Bildung natuͤrliche Denkart, ein bloßes Leben soll es gar nicht geben; d. h. es soll kein Reich der Rohheit jenseits der Graͤnzen der Bildung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/20
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/20>, abgerufen am 03.12.2024.