Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.z. B. und die Zueignung mir würdig scheinen, neben den größten Werken desselben Meisters zu stehn. Jn den vermischten Gedichten überhaupt liebt jeder leicht das Jnteressante. Aber für die würdigen Gesinnungen die hier ausgesprochen sind, lassen sich kaum glücklichere Formen wünschen, und der wahre Kenner müßte im Stande seyn, allein aus einem solchen Stück die Höhe auf der alle stehn, zu errathen. Nur vom Meister muß ich noch einige Worte sagen. Drey Eigenschaften scheinen mir daran die wunderbarsten und die größten. Erstlich, daß die Jndividualität, welche darin erscheint, in verschiedne Strahlen gebrochen, unter mehrere Personen vertheilt ist. Dann der antike Geist, den man bey näherer Bekanntschaft unter der modernen Hülle überall wiedererkennt. Diese große Combination eröffnet eine ganz neue endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen und des Romantischen. Das dritte ist, daß das eine untheilbare Werk in gewissem Sinn doch zugleich ein zwiefaches, doppeltes ist. Jch drücke vielleicht, was ich meyne, am deutlichsten aus, wenn ich sage: das Werk ist zweymal gemacht, in zwey schöpferischen Momenten, aus zwey Jdeen. Die erste war bloß die eines Künstlerromans; nun aber ward das Werk, überrascht von der Tendenz seiner Gattung, plötzlich viel größer als seine erste Absicht, und es kam die Bildungslehre der Lebenskunst hinzu, und ward der Genius des Ganzen. Eine eben so auffallende Duplicität ist sichtbar in den beyden künstlichsten und z. B. und die Zueignung mir wuͤrdig scheinen, neben den groͤßten Werken desselben Meisters zu stehn. Jn den vermischten Gedichten uͤberhaupt liebt jeder leicht das Jnteressante. Aber fuͤr die wuͤrdigen Gesinnungen die hier ausgesprochen sind, lassen sich kaum gluͤcklichere Formen wuͤnschen, und der wahre Kenner muͤßte im Stande seyn, allein aus einem solchen Stuͤck die Hoͤhe auf der alle stehn, zu errathen. Nur vom Meister muß ich noch einige Worte sagen. Drey Eigenschaften scheinen mir daran die wunderbarsten und die groͤßten. Erstlich, daß die Jndividualitaͤt, welche darin erscheint, in verschiedne Strahlen gebrochen, unter mehrere Personen vertheilt ist. Dann der antike Geist, den man bey naͤherer Bekanntschaft unter der modernen Huͤlle uͤberall wiedererkennt. Diese große Combination eroͤffnet eine ganz neue endlose Aussicht auf das, was die hoͤchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen und des Romantischen. Das dritte ist, daß das eine untheilbare Werk in gewissem Sinn doch zugleich ein zwiefaches, doppeltes ist. Jch druͤcke vielleicht, was ich meyne, am deutlichsten aus, wenn ich sage: das Werk ist zweymal gemacht, in zwey schoͤpferischen Momenten, aus zwey Jdeen. Die erste war bloß die eines Kuͤnstlerromans; nun aber ward das Werk, uͤberrascht von der Tendenz seiner Gattung, ploͤtzlich viel groͤßer als seine erste Absicht, und es kam die Bildungslehre der Lebenskunst hinzu, und ward der Genius des Ganzen. Eine eben so auffallende Duplicitaͤt ist sichtbar in den beyden kuͤnstlichsten und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0191" n="179"/> z. B. und die Zueignung mir wuͤrdig scheinen, neben den groͤßten Werken desselben Meisters zu stehn. Jn den vermischten Gedichten uͤberhaupt liebt jeder leicht das Jnteressante. Aber fuͤr die wuͤrdigen Gesinnungen die hier ausgesprochen sind, lassen sich kaum gluͤcklichere Formen wuͤnschen, und der wahre Kenner muͤßte im Stande seyn, allein aus einem solchen Stuͤck die Hoͤhe auf der alle stehn, zu errathen.</p><lb/> <p>Nur vom Meister muß ich noch einige Worte sagen. Drey Eigenschaften scheinen mir daran die wunderbarsten und die groͤßten. Erstlich, daß die Jndividualitaͤt, welche darin erscheint, in verschiedne Strahlen gebrochen, unter mehrere Personen vertheilt ist. Dann der antike Geist, den man bey naͤherer Bekanntschaft unter der modernen Huͤlle uͤberall wiedererkennt. Diese große Combination eroͤffnet eine ganz neue endlose Aussicht auf das, was die hoͤchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen und des Romantischen. Das dritte ist, daß das eine untheilbare Werk in gewissem Sinn doch zugleich ein zwiefaches, doppeltes ist. Jch druͤcke vielleicht, was ich meyne, am deutlichsten aus, wenn ich sage: das Werk ist zweymal gemacht, in zwey schoͤpferischen Momenten, aus zwey Jdeen. Die erste war bloß die eines Kuͤnstlerromans; nun aber ward das Werk, uͤberrascht von der Tendenz seiner Gattung, ploͤtzlich viel groͤßer als seine erste Absicht, und es kam die Bildungslehre der Lebenskunst hinzu, und ward der Genius des Ganzen. Eine eben so auffallende Duplicitaͤt ist sichtbar in den beyden kuͤnstlichsten und </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0191]
z. B. und die Zueignung mir wuͤrdig scheinen, neben den groͤßten Werken desselben Meisters zu stehn. Jn den vermischten Gedichten uͤberhaupt liebt jeder leicht das Jnteressante. Aber fuͤr die wuͤrdigen Gesinnungen die hier ausgesprochen sind, lassen sich kaum gluͤcklichere Formen wuͤnschen, und der wahre Kenner muͤßte im Stande seyn, allein aus einem solchen Stuͤck die Hoͤhe auf der alle stehn, zu errathen.
Nur vom Meister muß ich noch einige Worte sagen. Drey Eigenschaften scheinen mir daran die wunderbarsten und die groͤßten. Erstlich, daß die Jndividualitaͤt, welche darin erscheint, in verschiedne Strahlen gebrochen, unter mehrere Personen vertheilt ist. Dann der antike Geist, den man bey naͤherer Bekanntschaft unter der modernen Huͤlle uͤberall wiedererkennt. Diese große Combination eroͤffnet eine ganz neue endlose Aussicht auf das, was die hoͤchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen und des Romantischen. Das dritte ist, daß das eine untheilbare Werk in gewissem Sinn doch zugleich ein zwiefaches, doppeltes ist. Jch druͤcke vielleicht, was ich meyne, am deutlichsten aus, wenn ich sage: das Werk ist zweymal gemacht, in zwey schoͤpferischen Momenten, aus zwey Jdeen. Die erste war bloß die eines Kuͤnstlerromans; nun aber ward das Werk, uͤberrascht von der Tendenz seiner Gattung, ploͤtzlich viel groͤßer als seine erste Absicht, und es kam die Bildungslehre der Lebenskunst hinzu, und ward der Genius des Ganzen. Eine eben so auffallende Duplicitaͤt ist sichtbar in den beyden kuͤnstlichsten und
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/191>, abgerufen am 16.02.2025. |