Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Als Repräsentant der Religion aufzutreten, das ist noch frevelhafter wie eine Religion stiften zu wollen.



Keine Thätigkeit ist so menschlich wie die bloß ergänzende, verbindende, befördernde.



Der Künstler darf eben so wenig herrschen als dienen wollen. Er kann nur bilden, nichts als bilden, für den Staat also nur das thun, daß er Herrscher und Diener bilde, daß er Politiker und Oekonomen zu Künstlern erhebe.



Zur Vielseitigkeit gehört nicht allein ein weitumfassendes System, sondern auch Sinn für das Chaos außerhalb desselben, wie zur Menschheit der Sinn für ein Jenseits der Menschheit.



Wie die Römer die einzige Nation, die ganz Nation war, so ist unser Zeitalter das erste wahre Zeitalter.



Die Fülle der Bildung wirst du in unsrer höchsten Poesie finden, aber die Tiefe der Menschheit suche du bey dem Philosophen.



Auch die sogenanten Volkslehrer, die der Staat angestellt hat, sollen wieder Priester werden und geistlich gesinnt: aber sie können es nur dadurch, daß sie sich an die höhere Bildung anschließen.



Als Repraͤsentant der Religion aufzutreten, das ist noch frevelhafter wie eine Religion stiften zu wollen.



Keine Thaͤtigkeit ist so menschlich wie die bloß ergaͤnzende, verbindende, befoͤrdernde.



Der Kuͤnstler darf eben so wenig herrschen als dienen wollen. Er kann nur bilden, nichts als bilden, fuͤr den Staat also nur das thun, daß er Herrscher und Diener bilde, daß er Politiker und Oekonomen zu Kuͤnstlern erhebe.



Zur Vielseitigkeit gehoͤrt nicht allein ein weitumfassendes System, sondern auch Sinn fuͤr das Chaos außerhalb desselben, wie zur Menschheit der Sinn fuͤr ein Jenseits der Menschheit.



Wie die Roͤmer die einzige Nation, die ganz Nation war, so ist unser Zeitalter das erste wahre Zeitalter.



Die Fuͤlle der Bildung wirst du in unsrer hoͤchsten Poesie finden, aber die Tiefe der Menschheit suche du bey dem Philosophen.



Auch die sogenanten Volkslehrer, die der Staat angestellt hat, sollen wieder Priester werden und geistlich gesinnt: aber sie koͤnnen es nur dadurch, daß sie sich an die hoͤhere Bildung anschließen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0022" n="14"/>
          <p>Als Repra&#x0364;sentant der Religion aufzutreten, das ist noch frevelhafter wie eine Religion stiften zu wollen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Keine Tha&#x0364;tigkeit ist so menschlich wie die bloß erga&#x0364;nzende, verbindende, befo&#x0364;rdernde.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Der Ku&#x0364;nstler darf eben so wenig herrschen als dienen wollen. Er kann nur bilden, nichts als bilden, fu&#x0364;r den Staat also nur das thun, daß er Herrscher und Diener bilde, daß er Politiker und Oekonomen zu Ku&#x0364;nstlern erhebe.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Zur Vielseitigkeit geho&#x0364;rt nicht allein ein weitumfassendes System, sondern auch Sinn fu&#x0364;r das Chaos außerhalb desselben, wie zur Menschheit der Sinn fu&#x0364;r ein Jenseits der Menschheit.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wie die Ro&#x0364;mer die einzige Nation, die ganz Nation war, so ist unser Zeitalter das erste wahre Zeitalter.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die Fu&#x0364;lle der Bildung wirst du in unsrer ho&#x0364;chsten Poesie finden, aber die Tiefe der Menschheit suche du bey dem Philosophen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Auch die sogenanten Volkslehrer, die der Staat angestellt hat, sollen wieder Priester werden und geistlich gesinnt: aber sie ko&#x0364;nnen es nur dadurch, daß sie sich an die ho&#x0364;here Bildung anschließen.</p><lb/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] Als Repraͤsentant der Religion aufzutreten, das ist noch frevelhafter wie eine Religion stiften zu wollen. Keine Thaͤtigkeit ist so menschlich wie die bloß ergaͤnzende, verbindende, befoͤrdernde. Der Kuͤnstler darf eben so wenig herrschen als dienen wollen. Er kann nur bilden, nichts als bilden, fuͤr den Staat also nur das thun, daß er Herrscher und Diener bilde, daß er Politiker und Oekonomen zu Kuͤnstlern erhebe. Zur Vielseitigkeit gehoͤrt nicht allein ein weitumfassendes System, sondern auch Sinn fuͤr das Chaos außerhalb desselben, wie zur Menschheit der Sinn fuͤr ein Jenseits der Menschheit. Wie die Roͤmer die einzige Nation, die ganz Nation war, so ist unser Zeitalter das erste wahre Zeitalter. Die Fuͤlle der Bildung wirst du in unsrer hoͤchsten Poesie finden, aber die Tiefe der Menschheit suche du bey dem Philosophen. Auch die sogenanten Volkslehrer, die der Staat angestellt hat, sollen wieder Priester werden und geistlich gesinnt: aber sie koͤnnen es nur dadurch, daß sie sich an die hoͤhere Bildung anschließen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/22
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/22>, abgerufen am 29.04.2024.