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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Nichts ist witziger und grotesker als die alte Mythologie und das Christenthum; das macht, weil sie so mystisch sind.



Grade die Jndividualität ist das Ursprüngliche und Ewige im Menschen; an der Personalität ist so viel nicht gelegen. Die Bildung und Entwicklung dieser Jndividualität als höchsten Beruf zu treiben, wäre ein göttlicher Egoismus.



Man redet schon lange von einer Allmacht des Buchstabens, ohne recht zu wissen was man sagt. Es ist Zeit daß es Ernst damit werde, daß der Geist erwache und den verlohrnen Zauberstab wieder ergreife.



Man hat nur so viel Moral, als man Philosophie und Poesie hat.



Die eigentliche Centralanschauung des Christenthums ist die Sünde.



Durch die Künstler wird die Menschheit ein Jndividuum, indem sie Vorwelt und Nachwelt in der Gegenwart verknüpfen. Sie sind das höhere Seelenorgan, wo die Lebensgeister der ganzen äußern Menschheit zusammentreffen und in welchem die innere zunächst wirkt.



Nur durch die Bildung wird der Mensch, der es ganz ist, überall menschlich und von Menschheit durchdrungen.



Nichts ist witziger und grotesker als die alte Mythologie und das Christenthum; das macht, weil sie so mystisch sind.



Grade die Jndividualitaͤt ist das Urspruͤngliche und Ewige im Menschen; an der Personalitaͤt ist so viel nicht gelegen. Die Bildung und Entwicklung dieser Jndividualitaͤt als hoͤchsten Beruf zu treiben, waͤre ein goͤttlicher Egoismus.



Man redet schon lange von einer Allmacht des Buchstabens, ohne recht zu wissen was man sagt. Es ist Zeit daß es Ernst damit werde, daß der Geist erwache und den verlohrnen Zauberstab wieder ergreife.



Man hat nur so viel Moral, als man Philosophie und Poesie hat.



Die eigentliche Centralanschauung des Christenthums ist die Suͤnde.



Durch die Kuͤnstler wird die Menschheit ein Jndividuum, indem sie Vorwelt und Nachwelt in der Gegenwart verknuͤpfen. Sie sind das hoͤhere Seelenorgan, wo die Lebensgeister der ganzen aͤußern Menschheit zusammentreffen und in welchem die innere zunaͤchst wirkt.



Nur durch die Bildung wird der Mensch, der es ganz ist, uͤberall menschlich und von Menschheit durchdrungen.



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[15/0023] Nichts ist witziger und grotesker als die alte Mythologie und das Christenthum; das macht, weil sie so mystisch sind. Grade die Jndividualitaͤt ist das Urspruͤngliche und Ewige im Menschen; an der Personalitaͤt ist so viel nicht gelegen. Die Bildung und Entwicklung dieser Jndividualitaͤt als hoͤchsten Beruf zu treiben, waͤre ein goͤttlicher Egoismus. Man redet schon lange von einer Allmacht des Buchstabens, ohne recht zu wissen was man sagt. Es ist Zeit daß es Ernst damit werde, daß der Geist erwache und den verlohrnen Zauberstab wieder ergreife. Man hat nur so viel Moral, als man Philosophie und Poesie hat. Die eigentliche Centralanschauung des Christenthums ist die Suͤnde. Durch die Kuͤnstler wird die Menschheit ein Jndividuum, indem sie Vorwelt und Nachwelt in der Gegenwart verknuͤpfen. Sie sind das hoͤhere Seelenorgan, wo die Lebensgeister der ganzen aͤußern Menschheit zusammentreffen und in welchem die innere zunaͤchst wirkt. Nur durch die Bildung wird der Mensch, der es ganz ist, uͤberall menschlich und von Menschheit durchdrungen.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/23>, abgerufen am 29.04.2024.