Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.er mir aufstellt, ganz verstehen lassen, ich muß die kleinsten Eigenheiten der Seele kennen, und als wahrer Mensch werde ich mir nicht wünschen können, ein einziger, selbst der Edelste zu seyn; auch muß es mich als Mensch nicht hinreissen, der Nachahmer einer aufgestellten Person zu seyn; der nachahmende Mensch ist weniger als ein Mensch, und darum giebt es kein zur Besserung dienendes Beispiel. Wohl aber kann ein Kunstwerk es hervorbringen, daß ich in mir selber vollendeter werde. Sobald mir aber der Gedanke bei einem Kunstwerk einfällt, ist es nur mein Wunsch, und der Einfluß, den es auf mich hat, nur scheinbar, ja glaube ich gar den wohlthätigen Einfluß zu bemerken, so habe ich das Kunstwerk nicht verstanden, ja nicht einmal genossen. Es schämt sich der Mensch nur seiner Empfindungen, weil er in der heftigsten Leidenschaft fühlt, daß sie vorübergeht, und weil es oft ist, als ob ein Wesen in uns uns zuriefe:laß das Händeringen und die Verzweifelung! du wirst dich bald mit nichtswürdigen Kleinigkeiten wieder beschäftigen, ja gar dich daran erfreuen! Die Menschen, die auf dem untersten Grad der Bildung stehen (die natürlichen Menschen nehme ich aus, sie stehen über und unter den gebildeten zugleich; sie stehen der Stelle die für sie seyn sollte, noch am nächsten, und darum stehen sie über den andern, -- sie haben aber nie um sich geblickt, und die Bemerkung gemacht, daß außer dem Raum, den sie einnehmen, es noch irgend einen Weg geben könnte, wo sich der er mir aufstellt, ganz verstehen lassen, ich muß die kleinsten Eigenheiten der Seele kennen, und als wahrer Mensch werde ich mir nicht wuͤnschen koͤnnen, ein einziger, selbst der Edelste zu seyn; auch muß es mich als Mensch nicht hinreissen, der Nachahmer einer aufgestellten Person zu seyn; der nachahmende Mensch ist weniger als ein Mensch, und darum giebt es kein zur Besserung dienendes Beispiel. Wohl aber kann ein Kunstwerk es hervorbringen, daß ich in mir selber vollendeter werde. Sobald mir aber der Gedanke bei einem Kunstwerk einfaͤllt, ist es nur mein Wunsch, und der Einfluß, den es auf mich hat, nur scheinbar, ja glaube ich gar den wohlthaͤtigen Einfluß zu bemerken, so habe ich das Kunstwerk nicht verstanden, ja nicht einmal genossen. Es schaͤmt sich der Mensch nur seiner Empfindungen, weil er in der heftigsten Leidenschaft fuͤhlt, daß sie voruͤbergeht, und weil es oft ist, als ob ein Wesen in uns uns zuriefe:laß das Haͤnderingen und die Verzweifelung! du wirst dich bald mit nichtswuͤrdigen Kleinigkeiten wieder beschaͤftigen, ja gar dich daran erfreuen! Die Menschen, die auf dem untersten Grad der Bildung stehen (die natuͤrlichen Menschen nehme ich aus, sie stehen uͤber und unter den gebildeten zugleich; sie stehen der Stelle die fuͤr sie seyn sollte, noch am naͤchsten, und darum stehen sie uͤber den andern, — sie haben aber nie um sich geblickt, und die Bemerkung gemacht, daß außer dem Raum, den sie einnehmen, es noch irgend einen Weg geben koͤnnte, wo sich der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0220" n="208"/> er mir aufstellt, ganz verstehen lassen, ich muß die kleinsten Eigenheiten der Seele kennen, und als wahrer Mensch werde ich mir nicht wuͤnschen koͤnnen, ein einziger, selbst der Edelste zu seyn; auch muß es mich als Mensch nicht hinreissen, der Nachahmer einer aufgestellten Person zu seyn; der nachahmende Mensch ist weniger als ein Mensch, und darum giebt es kein zur Besserung dienendes Beispiel.</p><lb/> <p>Wohl aber kann ein Kunstwerk es hervorbringen, daß ich in mir selber vollendeter werde. Sobald mir aber der Gedanke bei einem Kunstwerk einfaͤllt, ist es nur mein Wunsch, und der Einfluß, den es auf mich hat, nur scheinbar, ja glaube ich gar den wohlthaͤtigen Einfluß zu bemerken, so habe ich das Kunstwerk nicht verstanden, ja nicht einmal genossen.</p><lb/> <p>Es schaͤmt sich der Mensch nur seiner Empfindungen, weil er in der heftigsten Leidenschaft fuͤhlt, daß sie voruͤbergeht, und weil es oft ist, als ob ein Wesen in uns uns zuriefe:laß das Haͤnderingen und die Verzweifelung! du wirst dich bald mit nichtswuͤrdigen Kleinigkeiten wieder beschaͤftigen, ja gar dich daran erfreuen!</p><lb/> <p>Die Menschen, die auf dem untersten Grad der Bildung stehen (die natuͤrlichen Menschen nehme ich aus, sie stehen uͤber und unter den gebildeten zugleich; sie stehen der Stelle die fuͤr sie seyn sollte, noch am naͤchsten, und darum stehen sie uͤber den andern, — sie haben aber nie um sich geblickt, und die Bemerkung gemacht, daß außer dem Raum, den sie einnehmen, es noch irgend einen Weg geben koͤnnte, wo sich der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0220]
er mir aufstellt, ganz verstehen lassen, ich muß die kleinsten Eigenheiten der Seele kennen, und als wahrer Mensch werde ich mir nicht wuͤnschen koͤnnen, ein einziger, selbst der Edelste zu seyn; auch muß es mich als Mensch nicht hinreissen, der Nachahmer einer aufgestellten Person zu seyn; der nachahmende Mensch ist weniger als ein Mensch, und darum giebt es kein zur Besserung dienendes Beispiel.
Wohl aber kann ein Kunstwerk es hervorbringen, daß ich in mir selber vollendeter werde. Sobald mir aber der Gedanke bei einem Kunstwerk einfaͤllt, ist es nur mein Wunsch, und der Einfluß, den es auf mich hat, nur scheinbar, ja glaube ich gar den wohlthaͤtigen Einfluß zu bemerken, so habe ich das Kunstwerk nicht verstanden, ja nicht einmal genossen.
Es schaͤmt sich der Mensch nur seiner Empfindungen, weil er in der heftigsten Leidenschaft fuͤhlt, daß sie voruͤbergeht, und weil es oft ist, als ob ein Wesen in uns uns zuriefe:laß das Haͤnderingen und die Verzweifelung! du wirst dich bald mit nichtswuͤrdigen Kleinigkeiten wieder beschaͤftigen, ja gar dich daran erfreuen!
Die Menschen, die auf dem untersten Grad der Bildung stehen (die natuͤrlichen Menschen nehme ich aus, sie stehen uͤber und unter den gebildeten zugleich; sie stehen der Stelle die fuͤr sie seyn sollte, noch am naͤchsten, und darum stehen sie uͤber den andern, — sie haben aber nie um sich geblickt, und die Bemerkung gemacht, daß außer dem Raum, den sie einnehmen, es noch irgend einen Weg geben koͤnnte, wo sich der
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