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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Leichtigkeit. Aber auch die wenigen andern Ueberbleibsel, die glaubwürdig mit Bions Namen auf uns gekommen sind, athmen eine süße Jnnigkeit, sind überaus lieblich und liebevoll. Derselbe Geist lebte allem Anschein nach in seinen andern Gedichten, die nun verloren sind. Sie gehören zu denen, die mit den Gesängen der Sappho auf Anstiften der Geistlichen zu Constantinopel vertilgt wurden.

Sein und des Philetas Schüler, Theokritos, ist nicht selten pikant genug in kräftiger Darstellung üppiger Hirten, aber zärtliches Gefühl kannte er nicht. Er suchte weit mehr das Lokale, wobey ihn Sophrons Mimen begünstigten, deren Nachahmung für seine Manier entscheidend gewesen seyn mag.

Wegen der gerühmten Simplicität, die jedoch eigentlich nur in der genauen Nachahmung der rohen aber nichts weniger als unschuldigen Natur, die er darstellt, liegt, nicht in der Art, wie er darstellt, könnte es bey dem ersten unreifen Nachdenken scheinen, Theokritos sey der ältere, hie und da noch harte und herbe Künstler seiner Gattung. Forscht man weiter, so wird das allgemeine Gesetz der natürlichen Ausbildung für die künstliche der gelehrten Epoche hellenischer Poesie näher bestimmt, und wir wundern uns nicht den roheren Theokritos auf den zierlich vollendeten Bion folgen zu sehn, da ja auch in der Elegie dieses Zeitalters Hermesianar, dessen feine Ausbildung wohl von keinem der andern erreicht wurde, älter war als

Leichtigkeit. Aber auch die wenigen andern Ueberbleibsel, die glaubwuͤrdig mit Bions Namen auf uns gekommen sind, athmen eine suͤße Jnnigkeit, sind uͤberaus lieblich und liebevoll. Derselbe Geist lebte allem Anschein nach in seinen andern Gedichten, die nun verloren sind. Sie gehoͤren zu denen, die mit den Gesaͤngen der Sappho auf Anstiften der Geistlichen zu Constantinopel vertilgt wurden.

Sein und des Philetas Schuͤler, Theokritos, ist nicht selten pikant genug in kraͤftiger Darstellung uͤppiger Hirten, aber zaͤrtliches Gefuͤhl kannte er nicht. Er suchte weit mehr das Lokale, wobey ihn Sophrons Mimen beguͤnstigten, deren Nachahmung fuͤr seine Manier entscheidend gewesen seyn mag.

Wegen der geruͤhmten Simplicitaͤt, die jedoch eigentlich nur in der genauen Nachahmung der rohen aber nichts weniger als unschuldigen Natur, die er darstellt, liegt, nicht in der Art, wie er darstellt, koͤnnte es bey dem ersten unreifen Nachdenken scheinen, Theokritos sey der aͤltere, hie und da noch harte und herbe Kuͤnstler seiner Gattung. Forscht man weiter, so wird das allgemeine Gesetz der natuͤrlichen Ausbildung fuͤr die kuͤnstliche der gelehrten Epoche hellenischer Poesie naͤher bestimmt, und wir wundern uns nicht den roheren Theokritos auf den zierlich vollendeten Bion folgen zu sehn, da ja auch in der Elegie dieses Zeitalters Hermesianar, dessen feine Ausbildung wohl von keinem der andern erreicht wurde, aͤlter war als

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[229/0241] Leichtigkeit. Aber auch die wenigen andern Ueberbleibsel, die glaubwuͤrdig mit Bions Namen auf uns gekommen sind, athmen eine suͤße Jnnigkeit, sind uͤberaus lieblich und liebevoll. Derselbe Geist lebte allem Anschein nach in seinen andern Gedichten, die nun verloren sind. Sie gehoͤren zu denen, die mit den Gesaͤngen der Sappho auf Anstiften der Geistlichen zu Constantinopel vertilgt wurden. Sein und des Philetas Schuͤler, Theokritos, ist nicht selten pikant genug in kraͤftiger Darstellung uͤppiger Hirten, aber zaͤrtliches Gefuͤhl kannte er nicht. Er suchte weit mehr das Lokale, wobey ihn Sophrons Mimen beguͤnstigten, deren Nachahmung fuͤr seine Manier entscheidend gewesen seyn mag. Wegen der geruͤhmten Simplicitaͤt, die jedoch eigentlich nur in der genauen Nachahmung der rohen aber nichts weniger als unschuldigen Natur, die er darstellt, liegt, nicht in der Art, wie er darstellt, koͤnnte es bey dem ersten unreifen Nachdenken scheinen, Theokritos sey der aͤltere, hie und da noch harte und herbe Kuͤnstler seiner Gattung. Forscht man weiter, so wird das allgemeine Gesetz der natuͤrlichen Ausbildung fuͤr die kuͤnstliche der gelehrten Epoche hellenischer Poesie naͤher bestimmt, und wir wundern uns nicht den roheren Theokritos auf den zierlich vollendeten Bion folgen zu sehn, da ja auch in der Elegie dieses Zeitalters Hermesianar, dessen feine Ausbildung wohl von keinem der andern erreicht wurde, aͤlter war als

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/241>, abgerufen am 21.11.2024.