Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.zu nehmen, denen sie unfehlbar hiedurch von neuem Anstoß geben werden: und auf diese Art könnte der Anstoß so lange hin und her gestoßen werden, daß zuletzt lauter Verstoße gegen die gesunde Vernunft und die freymüthige Mittheilung der Gedanken herauskämen. Das einfachste und unanstößigste in solchen Fällen ist also wohl: ohne alle Rücksicht auf die Schwachen seinen Gang zu gehen, und der besteht hier, wo von einem als unsittlich und irreligiös berüchtigten Gedichte, Parny's Guerre des Dieux die Rede seyn soll, darin, es bloß in poetischer Hinsicht zu beurtheilen. Jn so fern es ein ächtes Kunstwerk ist, werden jene Vorwürfe es nicht treffen; denn die nothwendigen Sphären und Elemente der menschlichen Bildung: Sittlichkeit, Religion, Philosophie und Poesie können niemals zerstörend in einander eingreifen, ihr Widerstreit kann nur scheinbar seyn. Dieser feste Glaube, in dem die ächte Toleranz bestehen möchte, würde an einem Beyspiele bewährt werden, wenn sich fände, daß gerade aus dem poetisch mangelhaften das in Bezug auf Religion und Sittlichkeit tadelnswürdige hervorgeht. Aber wie soll dieß ausgemacht werden, wenn die Ereiferung nicht erlaubt, sich dem Eindrucke des Gedichts mit unbefangner Ruhe zu überlassen? Parny's Werk hat in Frankreich viel Aufsehen gemacht, das National-Jnstitut hat ihm dafür den Preis der Poesie gewissermaßen zuerkannt und ihn doch davon ausgeschlossen, wie Piron ehemals wegen seiner ausschweifenden Verse nicht in die Akademie zu nehmen, denen sie unfehlbar hiedurch von neuem Anstoß geben werden: und auf diese Art koͤnnte der Anstoß so lange hin und her gestoßen werden, daß zuletzt lauter Verstoße gegen die gesunde Vernunft und die freymuͤthige Mittheilung der Gedanken herauskaͤmen. Das einfachste und unanstoͤßigste in solchen Faͤllen ist also wohl: ohne alle Ruͤcksicht auf die Schwachen seinen Gang zu gehen, und der besteht hier, wo von einem als unsittlich und irreligioͤs beruͤchtigten Gedichte, Parny's Guerre des Dieux die Rede seyn soll, darin, es bloß in poetischer Hinsicht zu beurtheilen. Jn so fern es ein aͤchtes Kunstwerk ist, werden jene Vorwuͤrfe es nicht treffen; denn die nothwendigen Sphaͤren und Elemente der menschlichen Bildung: Sittlichkeit, Religion, Philosophie und Poesie koͤnnen niemals zerstoͤrend in einander eingreifen, ihr Widerstreit kann nur scheinbar seyn. Dieser feste Glaube, in dem die aͤchte Toleranz bestehen moͤchte, wuͤrde an einem Beyspiele bewaͤhrt werden, wenn sich faͤnde, daß gerade aus dem poetisch mangelhaften das in Bezug auf Religion und Sittlichkeit tadelnswuͤrdige hervorgeht. Aber wie soll dieß ausgemacht werden, wenn die Ereiferung nicht erlaubt, sich dem Eindrucke des Gedichts mit unbefangner Ruhe zu uͤberlassen? Parny's Werk hat in Frankreich viel Aufsehen gemacht, das National-Jnstitut hat ihm dafuͤr den Preis der Poesie gewissermaßen zuerkannt und ihn doch davon ausgeschlossen, wie Piron ehemals wegen seiner ausschweifenden Verse nicht in die Akademie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0265" n="253"/> zu nehmen, denen sie unfehlbar hiedurch von neuem Anstoß geben werden: und auf diese Art koͤnnte der Anstoß so lange hin und her gestoßen werden, daß zuletzt lauter Verstoße gegen die gesunde Vernunft und die freymuͤthige Mittheilung der Gedanken herauskaͤmen. Das einfachste und unanstoͤßigste in solchen Faͤllen ist also wohl: ohne alle Ruͤcksicht auf die Schwachen seinen Gang zu gehen, und der besteht hier, wo von einem als unsittlich und irreligioͤs beruͤchtigten Gedichte, <hi rendition="#g">Parny's</hi> Guerre des Dieux die Rede seyn soll, darin, es bloß in poetischer Hinsicht zu beurtheilen. Jn so fern es ein aͤchtes Kunstwerk ist, werden jene Vorwuͤrfe es nicht treffen; denn die nothwendigen Sphaͤren und Elemente der menschlichen Bildung: Sittlichkeit, Religion, Philosophie und Poesie koͤnnen niemals zerstoͤrend in einander eingreifen, ihr Widerstreit kann nur scheinbar seyn. Dieser feste Glaube, in dem die aͤchte Toleranz bestehen moͤchte, wuͤrde an einem Beyspiele bewaͤhrt werden, wenn sich faͤnde, daß gerade aus dem poetisch mangelhaften das in Bezug auf Religion und Sittlichkeit tadelnswuͤrdige hervorgeht. Aber wie soll dieß ausgemacht werden, wenn die Ereiferung nicht erlaubt, sich dem Eindrucke des Gedichts mit unbefangner Ruhe zu uͤberlassen?</p><lb/> <p>Parny's Werk hat in Frankreich viel Aufsehen gemacht, das National-Jnstitut hat ihm dafuͤr den Preis der Poesie gewissermaßen zuerkannt und ihn doch davon ausgeschlossen, wie Piron ehemals wegen seiner ausschweifenden Verse nicht in die Akademie </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0265]
zu nehmen, denen sie unfehlbar hiedurch von neuem Anstoß geben werden: und auf diese Art koͤnnte der Anstoß so lange hin und her gestoßen werden, daß zuletzt lauter Verstoße gegen die gesunde Vernunft und die freymuͤthige Mittheilung der Gedanken herauskaͤmen. Das einfachste und unanstoͤßigste in solchen Faͤllen ist also wohl: ohne alle Ruͤcksicht auf die Schwachen seinen Gang zu gehen, und der besteht hier, wo von einem als unsittlich und irreligioͤs beruͤchtigten Gedichte, Parny's Guerre des Dieux die Rede seyn soll, darin, es bloß in poetischer Hinsicht zu beurtheilen. Jn so fern es ein aͤchtes Kunstwerk ist, werden jene Vorwuͤrfe es nicht treffen; denn die nothwendigen Sphaͤren und Elemente der menschlichen Bildung: Sittlichkeit, Religion, Philosophie und Poesie koͤnnen niemals zerstoͤrend in einander eingreifen, ihr Widerstreit kann nur scheinbar seyn. Dieser feste Glaube, in dem die aͤchte Toleranz bestehen moͤchte, wuͤrde an einem Beyspiele bewaͤhrt werden, wenn sich faͤnde, daß gerade aus dem poetisch mangelhaften das in Bezug auf Religion und Sittlichkeit tadelnswuͤrdige hervorgeht. Aber wie soll dieß ausgemacht werden, wenn die Ereiferung nicht erlaubt, sich dem Eindrucke des Gedichts mit unbefangner Ruhe zu uͤberlassen?
Parny's Werk hat in Frankreich viel Aufsehen gemacht, das National-Jnstitut hat ihm dafuͤr den Preis der Poesie gewissermaßen zuerkannt und ihn doch davon ausgeschlossen, wie Piron ehemals wegen seiner ausschweifenden Verse nicht in die Akademie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |