Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Argument, gegen den Ausdruck, oder den Begriff a priori gerichtet sein soll. Er ist, wenn er das erstere ist, eine grammatische Spitzfündigkeit, welche sich durch den Beweis, daß der Philosoph sich seine Kunstsprache bilden könne, widerlegen läßt; und kann in so fern kein Argument gegen die Sache selbst formiren. Dennoch wird, und hier bleibt vor Erstaunen der Verstand stehen, jeder a priorische Begriff, nach der alten Bedeutung des Wortes geprüft; und natürlich auf diese Art unsinnig, leer u. s. w. befunden; dennoch wird das a priori immerfort de tempore verstanden; und daß es so verstanden werden müße, wieder aus dem Correlat, dem posterius bewiesen. S. 47. Z. B. "Wir wollen hier nicht den fremden, untergeschobenen Begriff einer Priorität vor aller Erfahrung ins Spiel bringen." S. 61. Synthetische Urtheile a priori giebt es nicht, denn: "Urtheile unserer Seele vor aller und ohne alle Erfahrung, da sie ganz ohne Jnhalt wären, sind leere, das ist keine Urtheile." S. 69. "Geriethe sie (die Vernunft) endlich so weit ins Wahnreich, daß sie ihren Urtheilen von aller Erfahrung deßhalb Allgemeinheit und Nothwendigkeit zuschriebe, weil sie (nach der misverstandenen Anwendung des Wortes) a priori, d. i. vor aller und abgetrennt von aller Erfahrung waren:so ist sie im Lande vor aller Vernunft. -- -- -- Es ist zu zweifeln, ob es einen ärgern Misbrauch der Argument, gegen den Ausdruck, oder den Begriff a priori gerichtet sein soll. Er ist, wenn er das erstere ist, eine grammatische Spitzfuͤndigkeit, welche sich durch den Beweis, daß der Philosoph sich seine Kunstsprache bilden koͤnne, widerlegen laͤßt; und kann in so fern kein Argument gegen die Sache selbst formiren. Dennoch wird, und hier bleibt vor Erstaunen der Verstand stehen, jeder a priorische Begriff, nach der alten Bedeutung des Wortes gepruͤft; und natuͤrlich auf diese Art unsinnig, leer u. s. w. befunden; dennoch wird das a priori immerfort de tempore verstanden; und daß es so verstanden werden muͤße, wieder aus dem Correlat, dem posterius bewiesen. S. 47. Z. B. “Wir wollen hier nicht den fremden, untergeschobenen Begriff einer Prioritaͤt vor aller Erfahrung ins Spiel bringen.” S. 61. Synthetische Urtheile a priori giebt es nicht, denn: “Urtheile unserer Seele vor aller und ohne alle Erfahrung, da sie ganz ohne Jnhalt waͤren, sind leere, das ist keine Urtheile.” S. 69. “Geriethe sie (die Vernunft) endlich so weit ins Wahnreich, daß sie ihren Urtheilen von aller Erfahrung deßhalb Allgemeinheit und Nothwendigkeit zuschriebe, weil sie (nach der misverstandenen Anwendung des Wortes) a priori, d. i. vor aller und abgetrennt von aller Erfahrung waren:so ist sie im Lande vor aller Vernunft. — — — Es ist zu zweifeln, ob es einen aͤrgern Misbrauch der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0289" n="277"/> Argument, gegen den Ausdruck, oder den Begriff a priori gerichtet sein soll. Er ist, wenn er das erstere ist, eine grammatische Spitzfuͤndigkeit, welche sich durch den Beweis, daß der Philosoph sich seine Kunstsprache bilden koͤnne, widerlegen laͤßt; und kann in so fern kein Argument gegen die Sache selbst formiren. Dennoch wird, und hier bleibt vor Erstaunen der Verstand stehen, jeder a priorische Begriff, nach der alten Bedeutung des Wortes gepruͤft; und natuͤrlich auf diese Art unsinnig, leer u. s. w. befunden; dennoch wird das a priori immerfort de tempore verstanden; und daß es so verstanden werden muͤße, wieder aus dem Correlat, dem posterius bewiesen. S. 47. Z. B. “<hi rendition="#g">Wir wollen hier nicht den fremden</hi>, <hi rendition="#g">untergeschobenen Begriff einer Prioritaͤt vor aller Erfahrung ins Spiel bringen</hi>.” S. 61. Synthetische Urtheile a priori giebt es nicht, denn: “<hi rendition="#g">Urtheile unserer Seele vor aller und ohne alle Erfahrung</hi>, <hi rendition="#g">da sie ganz ohne Jnhalt waͤren</hi>, <hi rendition="#g">sind leere</hi>, <hi rendition="#g">das ist keine Urtheile</hi>.” S. 69. “<hi rendition="#g">Geriethe sie </hi>(die Vernunft) <hi rendition="#g">endlich so weit ins Wahnreich</hi>, <hi rendition="#g">daß sie ihren Urtheilen von aller Erfahrung deßhalb Allgemeinheit und Nothwendigkeit zuschriebe</hi>, <hi rendition="#g">weil sie (nach der misverstandenen Anwendung des Wortes) a priori</hi>, d. i. <hi rendition="#g">vor aller und abgetrennt von aller Erfahrung waren</hi>:<hi rendition="#g">so ist sie im Lande vor aller Vernunft</hi>. — — — <hi rendition="#g">Es ist zu zweifeln</hi>, <hi rendition="#g">ob es einen aͤrgern Misbrauch der </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0289]
Argument, gegen den Ausdruck, oder den Begriff a priori gerichtet sein soll. Er ist, wenn er das erstere ist, eine grammatische Spitzfuͤndigkeit, welche sich durch den Beweis, daß der Philosoph sich seine Kunstsprache bilden koͤnne, widerlegen laͤßt; und kann in so fern kein Argument gegen die Sache selbst formiren. Dennoch wird, und hier bleibt vor Erstaunen der Verstand stehen, jeder a priorische Begriff, nach der alten Bedeutung des Wortes gepruͤft; und natuͤrlich auf diese Art unsinnig, leer u. s. w. befunden; dennoch wird das a priori immerfort de tempore verstanden; und daß es so verstanden werden muͤße, wieder aus dem Correlat, dem posterius bewiesen. S. 47. Z. B. “Wir wollen hier nicht den fremden, untergeschobenen Begriff einer Prioritaͤt vor aller Erfahrung ins Spiel bringen.” S. 61. Synthetische Urtheile a priori giebt es nicht, denn: “Urtheile unserer Seele vor aller und ohne alle Erfahrung, da sie ganz ohne Jnhalt waͤren, sind leere, das ist keine Urtheile.” S. 69. “Geriethe sie (die Vernunft) endlich so weit ins Wahnreich, daß sie ihren Urtheilen von aller Erfahrung deßhalb Allgemeinheit und Nothwendigkeit zuschriebe, weil sie (nach der misverstandenen Anwendung des Wortes) a priori, d. i. vor aller und abgetrennt von aller Erfahrung waren:so ist sie im Lande vor aller Vernunft. — — — Es ist zu zweifeln, ob es einen aͤrgern Misbrauch der
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/289>, abgerufen am 27.07.2024. |