Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.du dir nun diese Sache denken, so bist du freylich, weil du endlich bist, und zum Behuf einer philosophischen Darstellung genöthigt, dich so auszudrücken, als wenn es eine Zeit gegeben hätte, in welcher blos du allein ohne Gegenstände existirt hättest; und als wenn diese dir hintennach erst gekommen wären; allein dies leugne ich ja bestimmt S. 1.: "Der Zeit nach geht keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung vorher,und mit dieser fängt alle an." -- Dies würde die Antwort sein von dem kantischen Standpunkte aus, wie Fichte antworten würde; und seine durchaus bestimmte Ansicht, welche gar keine Misdeutung zuläßt, gehört hier nicht her. -- Trotz aller Warnung, mischt jedoch Herder den Begriff der Zeit in den Begriff a priori; und wirklich steht S. 21 der Metakritik folgendes sehr überraschende: "Jm gemeinen Gebrauche bezieht sich das Wort a priori nur auf das was folgt, blos in Beziehung hierauf heißts a priori: denn aus dem Leeren schließet sich nichts. Woher das prius sei? -- -- -- wird damit nicht ausgemacht. Sich von sich selbst unabhängig machen, d. i. aus aller ursprünglichen, innern und äußern Erfahrung sich hinauszusetzen, von allem empirischen frei, über sich selbst sich hinauszudenken vermag Niemand, das wäre ein prius vor allem a priori, damit hörte ehe sie anfing, die Menschenvernunft auf." Dieser Satz ist darum unverständlich, weil nicht klar ist: ob das du dir nun diese Sache denken, so bist du freylich, weil du endlich bist, und zum Behuf einer philosophischen Darstellung genoͤthigt, dich so auszudruͤcken, als wenn es eine Zeit gegeben haͤtte, in welcher blos du allein ohne Gegenstaͤnde existirt haͤttest; und als wenn diese dir hintennach erst gekommen waͤren; allein dies leugne ich ja bestimmt S. 1.: “Der Zeit nach geht keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung vorher,und mit dieser faͤngt alle an.” — Dies wuͤrde die Antwort sein von dem kantischen Standpunkte aus, wie Fichte antworten wuͤrde; und seine durchaus bestimmte Ansicht, welche gar keine Misdeutung zulaͤßt, gehoͤrt hier nicht her. — Trotz aller Warnung, mischt jedoch Herder den Begriff der Zeit in den Begriff a priori; und wirklich steht S. 21 der Metakritik folgendes sehr uͤberraschende: “Jm gemeinen Gebrauche bezieht sich das Wort a priori nur auf das was folgt, blos in Beziehung hierauf heißts a priori: denn aus dem Leeren schließet sich nichts. Woher das prius sei? — — — wird damit nicht ausgemacht. Sich von sich selbst unabhaͤngig machen, d. i. aus aller urspruͤnglichen, innern und aͤußern Erfahrung sich hinauszusetzen, von allem empirischen frei, uͤber sich selbst sich hinauszudenken vermag Niemand, das waͤre ein prius vor allem a priori, damit hoͤrte ehe sie anfing, die Menschenvernunft auf.” Dieser Satz ist darum unverstaͤndlich, weil nicht klar ist: ob das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0288" n="276"/> du dir nun diese Sache denken, so bist du freylich, weil du endlich bist, und zum Behuf einer philosophischen Darstellung genoͤthigt, dich so <hi rendition="#g">auszudruͤcken</hi>, als wenn es eine Zeit gegeben haͤtte, in welcher blos du allein ohne Gegenstaͤnde existirt haͤttest; und als wenn diese dir hintennach erst gekommen waͤren; allein dies leugne ich ja bestimmt S. 1.: “<hi rendition="#g">Der Zeit nach geht keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung vorher</hi>,<hi rendition="#g">und mit dieser faͤngt alle an</hi>.” — Dies wuͤrde die Antwort sein von dem kantischen Standpunkte aus, wie Fichte antworten wuͤrde; und seine durchaus bestimmte Ansicht, welche gar keine Misdeutung zulaͤßt, gehoͤrt hier nicht her. — Trotz aller Warnung, mischt jedoch Herder den Begriff der Zeit in den Begriff a priori; und wirklich steht S. 21 der Metakritik folgendes sehr uͤberraschende: “<hi rendition="#g">Jm gemeinen Gebrauche bezieht sich das Wort a priori nur auf das was folgt</hi>, <hi rendition="#g">blos in Beziehung hierauf heißts a priori<hi rendition="#g">: </hi>denn aus dem Leeren schließet sich nichts</hi>. <hi rendition="#g">Woher das prius sei</hi>? — — — <hi rendition="#g">wird damit nicht ausgemacht</hi>.<hi rendition="#g"> Sich von sich selbst unabhaͤngig machen</hi>, <hi rendition="#g">d. i. aus aller urspruͤnglichen</hi>, <hi rendition="#g">innern und aͤußern Erfahrung sich hinauszusetzen</hi>, <hi rendition="#g">von allem empirischen frei</hi>, <hi rendition="#g">uͤber sich selbst sich hinauszudenken vermag Niemand</hi>, <hi rendition="#g">das waͤre ein prius vor allem a priori</hi>, <hi rendition="#g">damit hoͤrte ehe sie anfing</hi>, <hi rendition="#g">die Menschenvernunft auf</hi>.” Dieser Satz ist darum unverstaͤndlich, weil nicht klar ist: ob das </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0288]
du dir nun diese Sache denken, so bist du freylich, weil du endlich bist, und zum Behuf einer philosophischen Darstellung genoͤthigt, dich so auszudruͤcken, als wenn es eine Zeit gegeben haͤtte, in welcher blos du allein ohne Gegenstaͤnde existirt haͤttest; und als wenn diese dir hintennach erst gekommen waͤren; allein dies leugne ich ja bestimmt S. 1.: “Der Zeit nach geht keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung vorher,und mit dieser faͤngt alle an.” — Dies wuͤrde die Antwort sein von dem kantischen Standpunkte aus, wie Fichte antworten wuͤrde; und seine durchaus bestimmte Ansicht, welche gar keine Misdeutung zulaͤßt, gehoͤrt hier nicht her. — Trotz aller Warnung, mischt jedoch Herder den Begriff der Zeit in den Begriff a priori; und wirklich steht S. 21 der Metakritik folgendes sehr uͤberraschende: “Jm gemeinen Gebrauche bezieht sich das Wort a priori nur auf das was folgt, blos in Beziehung hierauf heißts a priori: denn aus dem Leeren schließet sich nichts. Woher das prius sei? — — — wird damit nicht ausgemacht. Sich von sich selbst unabhaͤngig machen, d. i. aus aller urspruͤnglichen, innern und aͤußern Erfahrung sich hinauszusetzen, von allem empirischen frei, uͤber sich selbst sich hinauszudenken vermag Niemand, das waͤre ein prius vor allem a priori, damit hoͤrte ehe sie anfing, die Menschenvernunft auf.” Dieser Satz ist darum unverstaͤndlich, weil nicht klar ist: ob das
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