Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.herabstürzenden Strahle dir einen beiweitem interessantern Anblick gewähren. So vor allen die Dosa im Val-Pomat am Griesgletscher, und die Vera auf dem schauerlich erhabenen Simplon. Selbst der Reichenbach im Haßli und die Aar in Guttannen sind von vielen in dieser Rücksicht vorgezogen worden. Gewiß laden sie dein Auge freundlicher ein, und du nahst ihnen vertrauender. Aber an Kraft des Falles und an Größe des Eindrucks gleicht dennoch keiner dem erhabenen Rheinstrom. Siehe ihn zur Zeit, wenn am erwärmenden Sonnenlichte seine Quellen sich reichlicher von den Gebirgen ergiessen. Dann strömet er eine Gewalt, der nichts widerstehen mag, und in dieser stürzt sich sein muthiger Wandel mit der Eile des Blitzes und dem Laute des Donners vom jähen Felsen herab. Tief in den Abgrund stürmet der Strahl mit der schäumenden Kraft des Stromes, und tausendfach gebrochen, und getrieben im Drange der ewigströmenden Gewalt, kreiset und wirbelt das zerstäubte Gewässer hoch empor über den Felsen. Die Lüfte erschüttern im jähen Wandel des Stromes, und vom Sturme ergriffen schweben kühn und herrlich die lichten Silberwogen des zerstäubten Gewässers daher im Blaue des Himmels, und der Farbenschmuck der Jris strahlet mit stillem Glanze in diesem wallenden Lichte. Staunend und stumm, und fest wie im Winke eines allmächtigen Zaubers, stehst du am Ufer. Es glüht deine Stirn, es glänzet dein Auge, und jeder herabstuͤrzenden Strahle dir einen beiweitem interessantern Anblick gewaͤhren. So vor allen die Dosa im Val-Pomat am Griesgletscher, und die Vera auf dem schauerlich erhabenen Simplon. Selbst der Reichenbach im Haßli und die Aar in Guttannen sind von vielen in dieser Ruͤcksicht vorgezogen worden. Gewiß laden sie dein Auge freundlicher ein, und du nahst ihnen vertrauender. Aber an Kraft des Falles und an Groͤße des Eindrucks gleicht dennoch keiner dem erhabenen Rheinstrom. Siehe ihn zur Zeit, wenn am erwaͤrmenden Sonnenlichte seine Quellen sich reichlicher von den Gebirgen ergiessen. Dann stroͤmet er eine Gewalt, der nichts widerstehen mag, und in dieser stuͤrzt sich sein muthiger Wandel mit der Eile des Blitzes und dem Laute des Donners vom jaͤhen Felsen herab. Tief in den Abgrund stuͤrmet der Strahl mit der schaͤumenden Kraft des Stromes, und tausendfach gebrochen, und getrieben im Drange der ewigstroͤmenden Gewalt, kreiset und wirbelt das zerstaͤubte Gewaͤsser hoch empor uͤber den Felsen. Die Luͤfte erschuͤttern im jaͤhen Wandel des Stromes, und vom Sturme ergriffen schweben kuͤhn und herrlich die lichten Silberwogen des zerstaͤubten Gewaͤssers daher im Blaue des Himmels, und der Farbenschmuck der Jris strahlet mit stillem Glanze in diesem wallenden Lichte. Staunend und stumm, und fest wie im Winke eines allmaͤchtigen Zaubers, stehst du am Ufer. Es gluͤht deine Stirn, es glaͤnzet dein Auge, und jeder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0053" n="45"/> herabstuͤrzenden Strahle dir einen beiweitem interessantern Anblick gewaͤhren. So vor allen die <hi rendition="#g">Dosa</hi> im Val-Pomat am Griesgletscher, und die <hi rendition="#g">Vera</hi> auf dem schauerlich erhabenen Simplon. Selbst der <hi rendition="#g">Reichenbach</hi> im Haßli und die <hi rendition="#g">Aar</hi> in Guttannen sind von vielen in dieser Ruͤcksicht vorgezogen worden. Gewiß laden sie dein Auge freundlicher ein, und du nahst ihnen vertrauender. Aber an Kraft des Falles und an Groͤße des Eindrucks gleicht dennoch keiner dem erhabenen Rheinstrom.</p><lb/> <p>Siehe ihn zur Zeit, wenn am erwaͤrmenden Sonnenlichte seine Quellen sich reichlicher von den Gebirgen ergiessen. Dann stroͤmet er eine Gewalt, der nichts widerstehen mag, und in dieser stuͤrzt sich sein muthiger Wandel mit der Eile des Blitzes und dem Laute des Donners vom jaͤhen Felsen herab. Tief in den Abgrund stuͤrmet der Strahl mit der schaͤumenden Kraft des Stromes, und tausendfach gebrochen, und getrieben im Drange der ewigstroͤmenden Gewalt, kreiset und wirbelt das zerstaͤubte Gewaͤsser hoch empor uͤber den Felsen. Die Luͤfte erschuͤttern im jaͤhen Wandel des Stromes, und vom Sturme ergriffen schweben kuͤhn und herrlich die lichten Silberwogen des zerstaͤubten Gewaͤssers daher im Blaue des Himmels, und der Farbenschmuck der Jris strahlet mit stillem Glanze in diesem wallenden Lichte.</p><lb/> <p>Staunend und stumm, und fest wie im Winke eines allmaͤchtigen Zaubers, stehst du am Ufer. Es gluͤht deine Stirn, es glaͤnzet dein Auge, und jeder </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0053]
herabstuͤrzenden Strahle dir einen beiweitem interessantern Anblick gewaͤhren. So vor allen die Dosa im Val-Pomat am Griesgletscher, und die Vera auf dem schauerlich erhabenen Simplon. Selbst der Reichenbach im Haßli und die Aar in Guttannen sind von vielen in dieser Ruͤcksicht vorgezogen worden. Gewiß laden sie dein Auge freundlicher ein, und du nahst ihnen vertrauender. Aber an Kraft des Falles und an Groͤße des Eindrucks gleicht dennoch keiner dem erhabenen Rheinstrom.
Siehe ihn zur Zeit, wenn am erwaͤrmenden Sonnenlichte seine Quellen sich reichlicher von den Gebirgen ergiessen. Dann stroͤmet er eine Gewalt, der nichts widerstehen mag, und in dieser stuͤrzt sich sein muthiger Wandel mit der Eile des Blitzes und dem Laute des Donners vom jaͤhen Felsen herab. Tief in den Abgrund stuͤrmet der Strahl mit der schaͤumenden Kraft des Stromes, und tausendfach gebrochen, und getrieben im Drange der ewigstroͤmenden Gewalt, kreiset und wirbelt das zerstaͤubte Gewaͤsser hoch empor uͤber den Felsen. Die Luͤfte erschuͤttern im jaͤhen Wandel des Stromes, und vom Sturme ergriffen schweben kuͤhn und herrlich die lichten Silberwogen des zerstaͤubten Gewaͤssers daher im Blaue des Himmels, und der Farbenschmuck der Jris strahlet mit stillem Glanze in diesem wallenden Lichte.
Staunend und stumm, und fest wie im Winke eines allmaͤchtigen Zaubers, stehst du am Ufer. Es gluͤht deine Stirn, es glaͤnzet dein Auge, und jeder
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