Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Ludoviko. Er hat mir durch diese Tücke auf eine indirekte Art mein polemisches Werk über die Theorie der falschen Poesie vorwegnehmen wollen. Andrea. Es wird nur auf Sie ankommen, so habe ich, was Sie thun wollen nur leise angekündigt. Lothario. Da Sie bey Erwähnung der Uebergänge aus Poesie in Philosophie und aus Philosophie in Poesie, des Plato als Dichter erwähnten, wofür die Muse Jhnen lohne, horchte ich nachher auch auf den Namen des Tacitus. Diese durchgebildete Vollendung des Styls, diese gediegene und helle Darstellung, die wir in den großen Historien des Alterthums finden, sollte dem Dichter ein Urbild seyn. Jch bin überzeugt, dieses große Mittel ließe sich noch gebrauchen. Marcus. Und vielleicht ganz neu anwenden. Amalia. Wenn das so fortgeht, wird sich uns, ehe wirs uns versehen, eins nach dem andern in Poesie verwandeln. Jst denn alles Poesie? Lothario. Jede Kunst und jede Wissenschaft die durch die Rede wirkt, wenn sie als Kunst um ihrer selbst willen geübt wird, und wenn sie den höchsten Gipfel erreicht, erscheint als Poesie. Ludoviko. Und jede, die auch nicht in den Worten der Sprache ihr Wesen treibt, hat einen unsichtbaren Geist, und der ist Poesie. Marcus. Jch stimme in vielen ja fast in den meisten Punkten mit Jhnen überein. Nur wünschte ich, Sie hätten noch mehr Rücksicht auf die Dichtarten genommen; oder um mich besser auszudrücken, ich Ludoviko. Er hat mir durch diese Tuͤcke auf eine indirekte Art mein polemisches Werk uͤber die Theorie der falschen Poesie vorwegnehmen wollen. Andrea. Es wird nur auf Sie ankommen, so habe ich, was Sie thun wollen nur leise angekuͤndigt. Lothario. Da Sie bey Erwaͤhnung der Uebergaͤnge aus Poesie in Philosophie und aus Philosophie in Poesie, des Plato als Dichter erwaͤhnten, wofuͤr die Muse Jhnen lohne, horchte ich nachher auch auf den Namen des Tacitus. Diese durchgebildete Vollendung des Styls, diese gediegene und helle Darstellung, die wir in den großen Historien des Alterthums finden, sollte dem Dichter ein Urbild seyn. Jch bin uͤberzeugt, dieses große Mittel ließe sich noch gebrauchen. Marcus. Und vielleicht ganz neu anwenden. Amalia. Wenn das so fortgeht, wird sich uns, ehe wirs uns versehen, eins nach dem andern in Poesie verwandeln. Jst denn alles Poesie? Lothario. Jede Kunst und jede Wissenschaft die durch die Rede wirkt, wenn sie als Kunst um ihrer selbst willen geuͤbt wird, und wenn sie den hoͤchsten Gipfel erreicht, erscheint als Poesie. Ludoviko. Und jede, die auch nicht in den Worten der Sprache ihr Wesen treibt, hat einen unsichtbaren Geist, und der ist Poesie. Marcus. Jch stimme in vielen ja fast in den meisten Punkten mit Jhnen uͤberein. Nur wuͤnschte ich, Sie haͤtten noch mehr Ruͤcksicht auf die Dichtarten genommen; oder um mich besser auszudruͤcken, ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0095" n="87"/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Er hat mir durch diese Tuͤcke auf eine indirekte Art mein polemisches Werk uͤber die Theorie der falschen Poesie vorwegnehmen wollen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Andrea</hi>. Es wird nur auf Sie ankommen, so habe ich, was Sie thun wollen nur leise angekuͤndigt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Da Sie bey Erwaͤhnung der Uebergaͤnge aus Poesie in Philosophie und aus Philosophie in Poesie, des Plato als Dichter erwaͤhnten, wofuͤr die Muse Jhnen lohne, horchte ich nachher auch auf den Namen des Tacitus. Diese durchgebildete Vollendung des Styls, diese gediegene und helle Darstellung, die wir in den großen Historien des Alterthums finden, sollte dem Dichter ein Urbild seyn. Jch bin uͤberzeugt, dieses große Mittel ließe sich noch gebrauchen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Und vielleicht ganz neu anwenden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Amalia</hi>. Wenn das so fortgeht, wird sich uns, ehe wirs uns versehen, eins nach dem andern in Poesie verwandeln. Jst denn alles Poesie?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Jede Kunst und jede Wissenschaft die durch die Rede wirkt, wenn sie als Kunst um ihrer selbst willen geuͤbt wird, und wenn sie den hoͤchsten Gipfel erreicht, erscheint als Poesie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Und jede, die auch nicht in den Worten der Sprache ihr Wesen treibt, hat einen unsichtbaren Geist, und der ist Poesie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Jch stimme in vielen ja fast in den meisten Punkten mit Jhnen uͤberein. Nur wuͤnschte ich, Sie haͤtten noch mehr Ruͤcksicht auf die Dichtarten genommen; oder um mich besser auszudruͤcken, ich </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0095]
Ludoviko. Er hat mir durch diese Tuͤcke auf eine indirekte Art mein polemisches Werk uͤber die Theorie der falschen Poesie vorwegnehmen wollen.
Andrea. Es wird nur auf Sie ankommen, so habe ich, was Sie thun wollen nur leise angekuͤndigt.
Lothario. Da Sie bey Erwaͤhnung der Uebergaͤnge aus Poesie in Philosophie und aus Philosophie in Poesie, des Plato als Dichter erwaͤhnten, wofuͤr die Muse Jhnen lohne, horchte ich nachher auch auf den Namen des Tacitus. Diese durchgebildete Vollendung des Styls, diese gediegene und helle Darstellung, die wir in den großen Historien des Alterthums finden, sollte dem Dichter ein Urbild seyn. Jch bin uͤberzeugt, dieses große Mittel ließe sich noch gebrauchen.
Marcus. Und vielleicht ganz neu anwenden.
Amalia. Wenn das so fortgeht, wird sich uns, ehe wirs uns versehen, eins nach dem andern in Poesie verwandeln. Jst denn alles Poesie?
Lothario. Jede Kunst und jede Wissenschaft die durch die Rede wirkt, wenn sie als Kunst um ihrer selbst willen geuͤbt wird, und wenn sie den hoͤchsten Gipfel erreicht, erscheint als Poesie.
Ludoviko. Und jede, die auch nicht in den Worten der Sprache ihr Wesen treibt, hat einen unsichtbaren Geist, und der ist Poesie.
Marcus. Jch stimme in vielen ja fast in den meisten Punkten mit Jhnen uͤberein. Nur wuͤnschte ich, Sie haͤtten noch mehr Ruͤcksicht auf die Dichtarten genommen; oder um mich besser auszudruͤcken, ich
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/95>, abgerufen am 16.02.2025. |