Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.ein Trauerspiel. O tödlich harter Zwang! o Schicksal voller Pein!Ach! er ist mein Gemahl, und er muß hülflos seyn! Wie schwerlich kann ihn doch mein Herz verloren sehen! Doch ach! was kann ich thun? es ist um ihn geschehen! Godewin. Jsts möglich? da sein Herr und Richter ihm ver- ziehn, Sprichst du an dessen statt das Urtheil über ihn? Grausame, den Gemahl, um den du mich verlassen, Verdammest du nun selbst so ruhig, zu erblassen. Hilf ihm doch seinem Wohl nicht auch noch wider- stehn. Muß man auch noch zu dir um seine Rettung flehn? Am Abgrund, wo er steht, sollst du ihm Hülfe reichen, Und bist noch weniger, als Ulfo, zu erweichen. Spricht dein Gewissen denn allein für den Canut? Empfiehlt es dir denn nicht auch des Gemahles Blut? Was fürchtest du, wenn ihn dein Bitten wieder- brächte, Daß nur sein stolzes Herz auf neuen Frevel dächte? Wach du für den Gemahl, laß andern ihre Pflicht; Die Wohlfahrt des Canut sey deine Sorge nicht. Kann denn so mancher Arm, der Feinde Fall und Schrecken, Vor eines Menschen Haß nicht unsern König decken? Zum Meuchelmord zu stolz, und zur Gewalt zu schwach, Zieht Ulfons Wut nur ihm, sonst niemand, Schaden nach. Kannst du dem Unglück ihn so sorglos übergeben: Nein! ich bin nicht so hart; Er schenkte mir das Leben. So E
ein Trauerſpiel. O toͤdlich harter Zwang! o Schickſal voller Pein!Ach! er iſt mein Gemahl, und er muß huͤlflos ſeyn! Wie ſchwerlich kann ihn doch mein Herz verloren ſehen! Doch ach! was kann ich thun? es iſt um ihn geſchehen! Godewin. Jſts moͤglich? da ſein Herr und Richter ihm ver- ziehn, Sprichſt du an deſſen ſtatt das Urtheil uͤber ihn? Grauſame, den Gemahl, um den du mich verlaſſen, Verdammeſt du nun ſelbſt ſo ruhig, zu erblaſſen. Hilf ihm doch ſeinem Wohl nicht auch noch wider- ſtehn. Muß man auch noch zu dir um ſeine Rettung flehn? Am Abgrund, wo er ſteht, ſollſt du ihm Huͤlfe reichen, Und biſt noch weniger, als Ulfo, zu erweichen. Spricht dein Gewiſſen denn allein fuͤr den Canut? Empfiehlt es dir denn nicht auch des Gemahles Blut? Was fuͤrchteſt du, wenn ihn dein Bitten wieder- braͤchte, Daß nur ſein ſtolzes Herz auf neuen Frevel daͤchte? Wach du fuͤr den Gemahl, laß andern ihre Pflicht; Die Wohlfahrt des Canut ſey deine Sorge nicht. Kann denn ſo mancher Arm, der Feinde Fall und Schrecken, Vor eines Menſchen Haß nicht unſern Koͤnig decken? Zum Meuchelmord zu ſtolz, und zur Gewalt zu ſchwach, Zieht Ulfons Wut nur ihm, ſonſt niemand, Schaden nach. Kannſt du dem Ungluͤck ihn ſo ſorglos uͤbergeben: Nein! ich bin nicht ſo hart; Er ſchenkte mir das Leben. So E
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ein Trauerſpiel.
O toͤdlich harter Zwang! o Schickſal voller Pein!
Ach! er iſt mein Gemahl, und er muß huͤlflos ſeyn!
Wie ſchwerlich kann ihn doch mein Herz verloren
ſehen!
Doch ach! was kann ich thun? es iſt um ihn geſchehen!
Godewin.
Jſts moͤglich? da ſein Herr und Richter ihm ver-
ziehn,
Sprichſt du an deſſen ſtatt das Urtheil uͤber ihn?
Grauſame, den Gemahl, um den du mich verlaſſen,
Verdammeſt du nun ſelbſt ſo ruhig, zu erblaſſen.
Hilf ihm doch ſeinem Wohl nicht auch noch wider-
ſtehn.
Muß man auch noch zu dir um ſeine Rettung flehn?
Am Abgrund, wo er ſteht, ſollſt du ihm Huͤlfe reichen,
Und biſt noch weniger, als Ulfo, zu erweichen.
Spricht dein Gewiſſen denn allein fuͤr den Canut?
Empfiehlt es dir denn nicht auch des Gemahles Blut?
Was fuͤrchteſt du, wenn ihn dein Bitten wieder-
braͤchte,
Daß nur ſein ſtolzes Herz auf neuen Frevel daͤchte?
Wach du fuͤr den Gemahl, laß andern ihre Pflicht;
Die Wohlfahrt des Canut ſey deine Sorge nicht.
Kann denn ſo mancher Arm, der Feinde Fall und
Schrecken,
Vor eines Menſchen Haß nicht unſern Koͤnig decken?
Zum Meuchelmord zu ſtolz, und zur Gewalt zu ſchwach,
Zieht Ulfons Wut nur ihm, ſonſt niemand, Schaden
nach.
Kannſt du dem Ungluͤck ihn ſo ſorglos uͤbergeben:
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