Mavors und Ares u. s. w. für eine und dieselbe Gottheit zu halten. Aber auch von einer helle- nischen Stadt zur andern, welch ein Unterschied! zwischen Korinth und Athen, oder zwischen Do- riern in Sparta und Sicilien! Das Bild, ein- zelne Züge der Geschichte, der Nahme selbst ei- ner Gottheit, ist oft weit verbreitet, erhält sich zum Erstaunen lange, sogar bei getrennten Völ- kern; aber der Sinn, die Bedeutung ist doch eigentlich allein wesentlich, und wie gestaltet sich diese fast immer und überall anders? Daher ge- hört wenigstens ein sehr großer Vorrath von Thatsachen und Quellen dazu, um das einzige zu versuchen, was hier Aufschluß geben kann, eine ausführliche Darstellung des Ganzen nehm- lich, nach allen seinen Einzelnheiten, nach den Abstufungen der innern Entwicklung und äussern Einmischung bis auf jede Spur allmähliger Ver- änderung. Um dies für die indische Mythologie leisten zu können, sind unsre Hülfsmittel durch- aus noch nicht vollständig genug.
Wir verlassen also hier den vergleichenden Weg des ersten Buchs, und geben statt einer vergleichenden Analyse der Mythologieen, wozu
Mavors und Ares u. ſ. w. fuͤr eine und dieſelbe Gottheit zu halten. Aber auch von einer helle- niſchen Stadt zur andern, welch ein Unterſchied! zwiſchen Korinth und Athen, oder zwiſchen Do- riern in Sparta und Sicilien! Das Bild, ein- zelne Zuͤge der Geſchichte, der Nahme ſelbſt ei- ner Gottheit, iſt oft weit verbreitet, erhaͤlt ſich zum Erſtaunen lange, ſogar bei getrennten Voͤl- kern; aber der Sinn, die Bedeutung iſt doch eigentlich allein weſentlich, und wie geſtaltet ſich dieſe faſt immer und uͤberall anders? Daher ge- hoͤrt wenigſtens ein ſehr großer Vorrath von Thatſachen und Quellen dazu, um das einzige zu verſuchen, was hier Aufſchluß geben kann, eine ausfuͤhrliche Darſtellung des Ganzen nehm- lich, nach allen ſeinen Einzelnheiten, nach den Abſtufungen der innern Entwicklung und aͤuſſern Einmiſchung bis auf jede Spur allmaͤhliger Ver- aͤnderung. Um dies fuͤr die indiſche Mythologie leiſten zu koͤnnen, ſind unſre Huͤlfsmittel durch- aus noch nicht vollſtaͤndig genug.
Wir verlaſſen alſo hier den vergleichenden Weg des erſten Buchs, und geben ſtatt einer vergleichenden Analyſe der Mythologieen, wozu
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Mavors und Ares u. ſ. w. fuͤr eine und dieſelbe
Gottheit zu halten. Aber auch von einer helle-
niſchen Stadt zur andern, welch ein Unterſchied!
zwiſchen Korinth und Athen, oder zwiſchen Do-
riern in Sparta und Sicilien! Das Bild, ein-
zelne Zuͤge der Geſchichte, der Nahme ſelbſt ei-
ner Gottheit, iſt oft weit verbreitet, erhaͤlt ſich
zum Erſtaunen lange, ſogar bei getrennten Voͤl-
kern; aber der Sinn, die Bedeutung iſt doch
eigentlich allein weſentlich, und wie geſtaltet ſich
dieſe faſt immer und uͤberall anders? Daher ge-
hoͤrt wenigſtens ein ſehr großer Vorrath von
Thatſachen und Quellen dazu, um das einzige
zu verſuchen, was hier Aufſchluß geben kann,
eine ausfuͤhrliche Darſtellung des Ganzen nehm-
lich, nach allen ſeinen Einzelnheiten, nach den
Abſtufungen der innern Entwicklung und aͤuſſern
Einmiſchung bis auf jede Spur allmaͤhliger Ver-
aͤnderung. Um dies fuͤr die indiſche Mythologie
leiſten zu koͤnnen, ſind unſre Huͤlfsmittel durch-
aus noch nicht vollſtaͤndig genug.
Wir verlaſſen alſo hier den vergleichenden
Weg des erſten Buchs, und geben ſtatt einer
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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