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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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verlohren habe. Wenn die mosaische Urkunde in
dem Verfolg ihres ältesten geschichtlichen Theils
zwar nicht immer ausführlich erzählt, (denn zur
Befriedigung bloßer Wißbegier und zum histori-
schen Unterricht ward sie nicht gegeben) aber doch
bedeutend auf die Wege und Punkte hinweist,
wie ein Strahl des ursprünglichen Lichtes, da die
Nacht der Sünde und des Aberglaubens alle
Welt umher bedeckte, dennoch durch göttliche
Fügung sei gerettet und erhalten worden; so zei-
gen uns die indischen Urkunden die Entstehung
des Irrthums, die ersten Ausgeburten, deren der
Geist immer mehrere ergrübelte und erdichtete,
nachdem er einmal die Einfalt der göttlichen Er-
kenntniß verlassen und verlohren hatte, von der
aber mitten in Aberglauben und Nacht noch so
herrliche Lichtspuren übrig geblieben sind.

Der Gegensatz des Irrthums zeigt uns die
Wahrheit in einem neuen noch hellern Lichte, und
überhaupt ist die Geschichte der ältesten Philoso-
phie, d. h. der orientalischen Denkart, der schönste
und lehrreichste äussere Commentar für die heilige
Schrift. So wird es z. B. denjenigen, der die
Religionssysteme der ältesten Völker Asiens kennt,

verlohren habe. Wenn die moſaiſche Urkunde in
dem Verfolg ihres aͤlteſten geſchichtlichen Theils
zwar nicht immer ausfuͤhrlich erzaͤhlt, (denn zur
Befriedigung bloßer Wißbegier und zum hiſtori-
ſchen Unterricht ward ſie nicht gegeben) aber doch
bedeutend auf die Wege und Punkte hinweist,
wie ein Strahl des urſpruͤnglichen Lichtes, da die
Nacht der Suͤnde und des Aberglaubens alle
Welt umher bedeckte, dennoch durch goͤttliche
Fuͤgung ſei gerettet und erhalten worden; ſo zei-
gen uns die indiſchen Urkunden die Entſtehung
des Irrthums, die erſten Ausgeburten, deren der
Geiſt immer mehrere ergruͤbelte und erdichtete,
nachdem er einmal die Einfalt der goͤttlichen Er-
kenntniß verlaſſen und verlohren hatte, von der
aber mitten in Aberglauben und Nacht noch ſo
herrliche Lichtſpuren uͤbrig geblieben ſind.

Der Gegenſatz des Irrthums zeigt uns die
Wahrheit in einem neuen noch hellern Lichte, und
uͤberhaupt iſt die Geſchichte der aͤlteſten Philoſo-
phie, d. h. der orientaliſchen Denkart, der ſchoͤnſte
und lehrreichſte aͤuſſere Commentar fuͤr die heilige
Schrift. So wird es z. B. denjenigen, der die
Religionsſyſteme der aͤlteſten Voͤlker Aſiens kennt,

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[198/0217] verlohren habe. Wenn die moſaiſche Urkunde in dem Verfolg ihres aͤlteſten geſchichtlichen Theils zwar nicht immer ausfuͤhrlich erzaͤhlt, (denn zur Befriedigung bloßer Wißbegier und zum hiſtori- ſchen Unterricht ward ſie nicht gegeben) aber doch bedeutend auf die Wege und Punkte hinweist, wie ein Strahl des urſpruͤnglichen Lichtes, da die Nacht der Suͤnde und des Aberglaubens alle Welt umher bedeckte, dennoch durch goͤttliche Fuͤgung ſei gerettet und erhalten worden; ſo zei- gen uns die indiſchen Urkunden die Entſtehung des Irrthums, die erſten Ausgeburten, deren der Geiſt immer mehrere ergruͤbelte und erdichtete, nachdem er einmal die Einfalt der goͤttlichen Er- kenntniß verlaſſen und verlohren hatte, von der aber mitten in Aberglauben und Nacht noch ſo herrliche Lichtſpuren uͤbrig geblieben ſind. Der Gegenſatz des Irrthums zeigt uns die Wahrheit in einem neuen noch hellern Lichte, und uͤberhaupt iſt die Geſchichte der aͤlteſten Philoſo- phie, d. h. der orientaliſchen Denkart, der ſchoͤnſte und lehrreichſte aͤuſſere Commentar fuͤr die heilige Schrift. So wird es z. B. denjenigen, der die Religionsſyſteme der aͤlteſten Voͤlker Aſiens kennt,

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/217>, abgerufen am 27.11.2024.