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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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setzen. Man stelle es sich vor Augen, wie damals
bei den gebildetsten und weisesten Völkern überall
noch einzelne Spuren des göttlichen Lichtes vor-
handen waren, aber alles entstellt und entartet, *)
und oft grade das Edelste auch bei Persern und
Indiern am übelsten angewandt und misdeutet;
und man wird es begreifen, wie nothwendig jene
Strenge und Absonderung, wie natürlich der
Eifer jener Männer nur auf das Eine, alles
andre bei Seite setzend, gerichtet sein mußte, daß
doch nur ja das kostbare Kleinod der göttlichen
Wahrheit nicht vollends untergehe, daß es rein
und unverderbt erhalten werde. Daß manchen
einzelnen Israeliten Jehova nichts als ein bloßer
Nationalgott war, mag sein; daß aber die Pro-
pheten und göttlichen Lehrer selbst es so gemeint,
wird man nirgend zeigen können, man müßte

*) Herrliche Winke darüber finden sich in Herders ältester
Urkunde des Menschengeschlechts
. Nur daß ich
jeden trüben Strom entarteter Mystik nicht so unmit-
telbar
aus dem reinen Quell göttlicher Offenbarung her-
leiten möchte. Sonst aber weht die Fülle des orientali-
schen Geistes in diesem Werke, wie in mehren der frühern
theologischen Schriften Herders. --

ſetzen. Man ſtelle es ſich vor Augen, wie damals
bei den gebildetſten und weiſeſten Voͤlkern uͤberall
noch einzelne Spuren des goͤttlichen Lichtes vor-
handen waren, aber alles entſtellt und entartet, *)
und oft grade das Edelſte auch bei Perſern und
Indiern am uͤbelſten angewandt und misdeutet;
und man wird es begreifen, wie nothwendig jene
Strenge und Abſonderung, wie natuͤrlich der
Eifer jener Maͤnner nur auf das Eine, alles
andre bei Seite ſetzend, gerichtet ſein mußte, daß
doch nur ja das koſtbare Kleinod der goͤttlichen
Wahrheit nicht vollends untergehe, daß es rein
und unverderbt erhalten werde. Daß manchen
einzelnen Iſraeliten Jehova nichts als ein bloßer
Nationalgott war, mag ſein; daß aber die Pro-
pheten und goͤttlichen Lehrer ſelbſt es ſo gemeint,
wird man nirgend zeigen koͤnnen, man muͤßte

*) Herrliche Winke darüber finden ſich in Herders älteſter
Urkunde des Menſchengeſchlechts
. Nur daß ich
jeden trüben Strom entarteter Myſtik nicht ſo unmit-
telbar
aus dem reinen Quell göttlicher Offenbarung her-
leiten möchte. Sonſt aber weht die Fülle des orientali-
ſchen Geiſtes in dieſem Werke, wie in mehren der frühern
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[200/0219] ſetzen. Man ſtelle es ſich vor Augen, wie damals bei den gebildetſten und weiſeſten Voͤlkern uͤberall noch einzelne Spuren des goͤttlichen Lichtes vor- handen waren, aber alles entſtellt und entartet, *) und oft grade das Edelſte auch bei Perſern und Indiern am uͤbelſten angewandt und misdeutet; und man wird es begreifen, wie nothwendig jene Strenge und Abſonderung, wie natuͤrlich der Eifer jener Maͤnner nur auf das Eine, alles andre bei Seite ſetzend, gerichtet ſein mußte, daß doch nur ja das koſtbare Kleinod der goͤttlichen Wahrheit nicht vollends untergehe, daß es rein und unverderbt erhalten werde. Daß manchen einzelnen Iſraeliten Jehova nichts als ein bloßer Nationalgott war, mag ſein; daß aber die Pro- pheten und goͤttlichen Lehrer ſelbſt es ſo gemeint, wird man nirgend zeigen koͤnnen, man muͤßte *) Herrliche Winke darüber finden ſich in Herders älteſter Urkunde des Menſchengeſchlechts. Nur daß ich jeden trüben Strom entarteter Myſtik nicht ſo unmit- telbar aus dem reinen Quell göttlicher Offenbarung her- leiten möchte. Sonſt aber weht die Fülle des orientali- ſchen Geiſtes in dieſem Werke, wie in mehren der frühern theologiſchen Schriften Herders. —

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/219>, abgerufen am 28.11.2024.