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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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päischen Philosophie voranschicken, ehe wir den
Einfluß der orientalischen Ideen auf dieselbe deut-
lich machen können. Beim ersten Aufschwunge
der noch ungeschwächten Geisteskraft ist die euro-
päische Philosophie überall Idealismus, worunter
wir nicht blos die Lehre von der Ichheit oder
von der Nichtigkeit des äussern Scheins verstehen,
sondern jede Philosophie, die von dem Begriffe
der selbstthätigen Kraft und lebendiger Wirksam-
keit ausgeht, also auch das System der Stoiker,
des Aristoteles und mancher von den noch ältern
Griechen. Wenn der Begriff des Unendlichen
noch vorhanden, die Kunde der alten Offenbarung
aber schon verlohren ist, was ist natürlicher, als
daß der Mensch alles aus sich selbst zu nehmen
glaubt, alles auf eigne Kraft und Vernunft
gründen will? Alle die höhern Begriffe, die ihn
in Sprache und Religion, in alten Gedichten
und Sagen von Kindheit an umgeben und un-
bewußt angeregt haben, hält er nun für sein
Erzeugniß und sein Eigenthum; denn es waren
nur einzelne Spuren des Göttlichen, deren Zu-
sammenhang für ihn verlohren war. Freilich hat
man noch nicht gefunden, daß eine solche Philo-

paͤiſchen Philoſophie voranſchicken, ehe wir den
Einfluß der orientaliſchen Ideen auf dieſelbe deut-
lich machen koͤnnen. Beim erſten Aufſchwunge
der noch ungeſchwaͤchten Geiſteskraft iſt die euro-
paͤiſche Philoſophie uͤberall Idealismus, worunter
wir nicht blos die Lehre von der Ichheit oder
von der Nichtigkeit des aͤuſſern Scheins verſtehen,
ſondern jede Philoſophie, die von dem Begriffe
der ſelbſtthaͤtigen Kraft und lebendiger Wirkſam-
keit ausgeht, alſo auch das Syſtem der Stoiker,
des Ariſtoteles und mancher von den noch aͤltern
Griechen. Wenn der Begriff des Unendlichen
noch vorhanden, die Kunde der alten Offenbarung
aber ſchon verlohren iſt, was iſt natuͤrlicher, als
daß der Menſch alles aus ſich ſelbſt zu nehmen
glaubt, alles auf eigne Kraft und Vernunft
gruͤnden will? Alle die hoͤhern Begriffe, die ihn
in Sprache und Religion, in alten Gedichten
und Sagen von Kindheit an umgeben und un-
bewußt angeregt haben, haͤlt er nun fuͤr ſein
Erzeugniß und ſein Eigenthum; denn es waren
nur einzelne Spuren des Goͤttlichen, deren Zu-
ſammenhang fuͤr ihn verlohren war. Freilich hat
man noch nicht gefunden, daß eine ſolche Philo-

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[205/0224] paͤiſchen Philoſophie voranſchicken, ehe wir den Einfluß der orientaliſchen Ideen auf dieſelbe deut- lich machen koͤnnen. Beim erſten Aufſchwunge der noch ungeſchwaͤchten Geiſteskraft iſt die euro- paͤiſche Philoſophie uͤberall Idealismus, worunter wir nicht blos die Lehre von der Ichheit oder von der Nichtigkeit des aͤuſſern Scheins verſtehen, ſondern jede Philoſophie, die von dem Begriffe der ſelbſtthaͤtigen Kraft und lebendiger Wirkſam- keit ausgeht, alſo auch das Syſtem der Stoiker, des Ariſtoteles und mancher von den noch aͤltern Griechen. Wenn der Begriff des Unendlichen noch vorhanden, die Kunde der alten Offenbarung aber ſchon verlohren iſt, was iſt natuͤrlicher, als daß der Menſch alles aus ſich ſelbſt zu nehmen glaubt, alles auf eigne Kraft und Vernunft gruͤnden will? Alle die hoͤhern Begriffe, die ihn in Sprache und Religion, in alten Gedichten und Sagen von Kindheit an umgeben und un- bewußt angeregt haben, haͤlt er nun fuͤr ſein Erzeugniß und ſein Eigenthum; denn es waren nur einzelne Spuren des Goͤttlichen, deren Zu- ſammenhang fuͤr ihn verlohren war. Freilich hat man noch nicht gefunden, daß eine ſolche Philo-

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/224>, abgerufen am 28.11.2024.