und eben dadurch zugleich einfacher und kunstrei- cher ist als diese. Die griechische und römische Sprache declinirt, d. h. sie bestimmt die Verhält- nisse des Substantivs nicht durch angehängte oder vorgesetzte Partikeln, wie größtentheils in den neuern Sprachen geschieht. Doch ist auch ihre Declination nicht vollständig genug, um der Bei- hülfe der Präpositionen ganz entbehren zu kön- nen. Die indische Declination bedarf derselben niemals; für die Verschiedenheiten, welche durch die Präpositionen -- cum, ex, in -- bezeichnet werden, die den lateinischen Ablativ so oft erst näher bestimmen müssen, hat sie eigne Casus. Ob man sagen dürfe, daß die indische Sprache gar keine irregulären Zeitwörter habe, wage ich nicht zu behaupten; gewiß aber ist es, daß dieß in gar keinem Verhältnisse, weder der Zahl noch dem Grade nach, mit der Unregelmäßigkeit der griechischen und römischen Zeitwörter steht. Die Conjugation selbst ist regelmäßiger; der Impera- tiv hat noch eine erste Person und steht in der Reihe der übrigen vollständigen Arten; auch ist die zweite Person des Imperativs nie so abge- kürzt und verstümmelt, wie es im Persischen im-
und eben dadurch zugleich einfacher und kunſtrei- cher iſt als dieſe. Die griechiſche und roͤmiſche Sprache declinirt, d. h. ſie beſtimmt die Verhaͤlt- niſſe des Subſtantivs nicht durch angehaͤngte oder vorgeſetzte Partikeln, wie groͤßtentheils in den neuern Sprachen geſchieht. Doch iſt auch ihre Declination nicht vollſtaͤndig genug, um der Bei- huͤlfe der Praͤpoſitionen ganz entbehren zu koͤn- nen. Die indiſche Declination bedarf derſelben niemals; fuͤr die Verſchiedenheiten, welche durch die Praͤpoſitionen — cum, ex, in — bezeichnet werden, die den lateiniſchen Ablativ ſo oft erſt naͤher beſtimmen muͤſſen, hat ſie eigne Caſus. Ob man ſagen duͤrfe, daß die indiſche Sprache gar keine irregulaͤren Zeitwoͤrter habe, wage ich nicht zu behaupten; gewiß aber iſt es, daß dieß in gar keinem Verhaͤltniſſe, weder der Zahl noch dem Grade nach, mit der Unregelmaͤßigkeit der griechiſchen und roͤmiſchen Zeitwoͤrter ſteht. Die Conjugation ſelbſt iſt regelmaͤßiger; der Impera- tiv hat noch eine erſte Perſon und ſteht in der Reihe der uͤbrigen vollſtaͤndigen Arten; auch iſt die zweite Perſon des Imperativs nie ſo abge- kuͤrzt und verſtuͤmmelt, wie es im Perſiſchen im-
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und eben dadurch zugleich einfacher und kunſtrei-
cher iſt als dieſe. Die griechiſche und roͤmiſche
Sprache declinirt, d. h. ſie beſtimmt die Verhaͤlt-
niſſe des Subſtantivs nicht durch angehaͤngte oder
vorgeſetzte Partikeln, wie groͤßtentheils in den
neuern Sprachen geſchieht. Doch iſt auch ihre
Declination nicht vollſtaͤndig genug, um der Bei-
huͤlfe der Praͤpoſitionen ganz entbehren zu koͤn-
nen. Die indiſche Declination bedarf derſelben
niemals; fuͤr die Verſchiedenheiten, welche durch
die Praͤpoſitionen — cum, ex, in — bezeichnet
werden, die den lateiniſchen Ablativ ſo oft erſt
naͤher beſtimmen muͤſſen, hat ſie eigne Caſus.
Ob man ſagen duͤrfe, daß die indiſche Sprache
gar keine irregulaͤren Zeitwoͤrter habe, wage ich
nicht zu behaupten; gewiß aber iſt es, daß dieß
in gar keinem Verhaͤltniſſe, weder der Zahl noch
dem Grade nach, mit der Unregelmaͤßigkeit der
griechiſchen und roͤmiſchen Zeitwoͤrter ſteht. Die
Conjugation ſelbſt iſt regelmaͤßiger; der Impera-
tiv hat noch eine erſte Perſon und ſteht in der
Reihe der uͤbrigen vollſtaͤndigen Arten; auch iſt
die zweite Perſon des Imperativs nie ſo abge-
kuͤrzt und verſtuͤmmelt, wie es im Perſiſchen im-
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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