sein, und das Verhältniß so zart war, hätte ein einziger Wink, von denen, die unwillkührlich scheinen, und doch bemerkt seyn wollen, im- mer weiter führen, und alles ver- wirren müssen. Darum drängte er alle Liebe in sein Innerstes zurück, und ließ da die Leidenschaft wüthen, brennen und zehren; aber sein Äus- seres war durchaus verwandelt, und so gut gelang ihm der Schein der kindlichsten Unbefangenheit und Un- erfahrenheit und einer gewißen brü- derlichen Härte, die er annahm, da- mit er nicht aus dem Schmeichel- haften ins Zärtliche fallen möchte, daß sie nie den leisesten Argwohn schöpfte. Sie war heiter und leicht in ihrem Glück, sie ahndete nichts,
ſein, und das Verhältniß ſo zart war, hätte ein einziger Wink, von denen, die unwillkührlich ſcheinen, und doch bemerkt ſeyn wollen, im- mer weiter führen, und alles ver- wirren müſſen. Darum drängte er alle Liebe in ſein Innerſtes zurück, und ließ da die Leidenſchaft wüthen, brennen und zehren; aber ſein Äuſ- ſeres war durchaus verwandelt, und ſo gut gelang ihm der Schein der kindlichſten Unbefangenheit und Un- erfahrenheit und einer gewißen brü- derlichen Härte, die er annahm, da- mit er nicht aus dem Schmeichel- haften ins Zärtliche fallen möchte, daß ſie nie den leiſeſten Argwohn ſchöpfte. Sie war heiter und leicht in ihrem Glück, ſie ahndete nichts,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0176"n="171"/>ſein, und das Verhältniß ſo zart<lb/>
war, hätte ein einziger Wink, von<lb/>
denen, die unwillkührlich ſcheinen,<lb/>
und doch bemerkt ſeyn wollen, im-<lb/>
mer weiter führen, und alles ver-<lb/>
wirren müſſen. Darum drängte er<lb/>
alle Liebe in ſein Innerſtes zurück,<lb/>
und ließ da die Leidenſchaft wüthen,<lb/>
brennen und zehren; aber ſein Äuſ-<lb/>ſeres war durchaus verwandelt, und<lb/>ſo gut gelang ihm der Schein der<lb/>
kindlichſten Unbefangenheit und Un-<lb/>
erfahrenheit und einer gewißen brü-<lb/>
derlichen Härte, die er annahm, da-<lb/>
mit er nicht aus dem Schmeichel-<lb/>
haften ins Zärtliche fallen möchte,<lb/>
daß ſie nie den leiſeſten Argwohn<lb/>ſchöpfte. Sie war heiter und leicht<lb/>
in ihrem Glück, ſie ahndete nichts,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[171/0176]
ſein, und das Verhältniß ſo zart
war, hätte ein einziger Wink, von
denen, die unwillkührlich ſcheinen,
und doch bemerkt ſeyn wollen, im-
mer weiter führen, und alles ver-
wirren müſſen. Darum drängte er
alle Liebe in ſein Innerſtes zurück,
und ließ da die Leidenſchaft wüthen,
brennen und zehren; aber ſein Äuſ-
ſeres war durchaus verwandelt, und
ſo gut gelang ihm der Schein der
kindlichſten Unbefangenheit und Un-
erfahrenheit und einer gewißen brü-
derlichen Härte, die er annahm, da-
mit er nicht aus dem Schmeichel-
haften ins Zärtliche fallen möchte,
daß ſie nie den leiſeſten Argwohn
ſchöpfte. Sie war heiter und leicht
in ihrem Glück, ſie ahndete nichts,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/176>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.