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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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hat eben so viel Poesie als Liebe,
eben so viel Enthusiasmus als Witz:
aber beydes ist zu isolirt in ihr, da-
rum wird sie bisweilen über das
kühne Chaos weiblich erschrecken, und
dem Ganzen etwas mehr Poesie und
etwas weniger Liebe wünschen.

Ich könnte so noch lange fort-
fahren, denn ich strebe aus allen
Kräften nach Menschenkenntniß, und
ich weiß meine Einsamkeit oft nicht
würdiger anzuwenden, als indem ich
darüber reflektire, wie diese oder
jene interessante Frau in diesem oder
jenem interessanten Verhältnisse wohl
seyn und sich verhalten dürfte. Doch
genug für jetzt, sonst möchte es dir
zu viel werden, und die Vielseitig-
keit deinem Propheten übel gerathen.


hat eben ſo viel Poeſie als Liebe,
eben ſo viel Enthuſiasmus als Witz:
aber beydes iſt zu iſolirt in ihr, da-
rum wird ſie bisweilen über das
kühne Chaos weiblich erſchrecken, und
dem Ganzen etwas mehr Poeſie und
etwas weniger Liebe wünſchen.

Ich könnte ſo noch lange fort-
fahren, denn ich ſtrebe aus allen
Kräften nach Menſchenkenntniß, und
ich weiß meine Einſamkeit oft nicht
würdiger anzuwenden, als indem ich
darüber reflektire, wie dieſe oder
jene intereſſante Frau in dieſem oder
jenem intereſſanten Verhältniſſe wohl
ſeyn und ſich verhalten dürfte. Doch
genug für jetzt, ſonſt möchte es dir
zu viel werden, und die Vielſeitig-
keit deinem Propheten übel gerathen.


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[75/0080] hat eben ſo viel Poeſie als Liebe, eben ſo viel Enthuſiasmus als Witz: aber beydes iſt zu iſolirt in ihr, da- rum wird ſie bisweilen über das kühne Chaos weiblich erſchrecken, und dem Ganzen etwas mehr Poeſie und etwas weniger Liebe wünſchen. Ich könnte ſo noch lange fort- fahren, denn ich ſtrebe aus allen Kräften nach Menſchenkenntniß, und ich weiß meine Einſamkeit oft nicht würdiger anzuwenden, als indem ich darüber reflektire, wie dieſe oder jene intereſſante Frau in dieſem oder jenem intereſſanten Verhältniſſe wohl ſeyn und ſich verhalten dürfte. Doch genug für jetzt, ſonſt möchte es dir zu viel werden, und die Vielſeitig- keit deinem Propheten übel gerathen.

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/80>, abgerufen am 22.11.2024.