Schleicher, August: Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar, 1863.gezeigt haben; benachbarte Sprachen müssen sich ähnlicher gezeigt haben; benachbarte Sprachen müssen sich ähnlicher <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0027" n="25"/> gezeigt haben; benachbarte Sprachen müssen sich ähnlicher<lb/> gewesen sein, als Sprachen von Menschen, die in verschie-<lb/> denen Welttheilen lebten. Von einem gedachten Punkte<lb/> aus müssen, je nach der Grösse der Entfernung von diesem<lb/> Punkte, die Sprachen sich in immer stärker werdender Ab-<lb/> weichung von der Sprache des Ausgangspunktes gruppiert<lb/> haben, da mit der räumlichen Entfernung die Verschieden-<lb/> heit des Klimas und der Lebensverhältnisse überhaupt zu-<lb/> zunehmen pflegt. Von jener geforderten regelmässigen<lb/> Vertheilung der Sprachen glauben wir allerdings selbst jetzt<lb/> noch Spuren wahrnehmen zu können. So zeigen z. B. die<lb/> amerikanischen Sprachen, die Sprachen der südlichen Insel-<lb/> welt bei aller Verschiedenheit doch einen unverkennbar ge-<lb/> meinsamen Typus. Ja selbst im asiatisch-europäischen<lb/> Welttheile, dessen sprachliche Verhältnisse durch geschicht-<lb/> liche Vorgänge so stark verändert wurden, sind Gruppen<lb/> wesentlich ähnlicher Sprachstämme nicht zu verkennen.<lb/> Indogermanisch, finnisch, türkisch-tatarisch, mongolisch,<lb/> mandschurisch sowie dekhanisch (tamulisch u. s. f.) zeigen<lb/> z. B. sämmtlich den Sufixbau, d. h. alle Bildungselemente,<lb/> alle Beziehungsausdrücke treten an den Auslaut der Wur-<lb/> zel an, nicht aber vor dieselbe oder in dieselbe (Ausnahmen,<lb/> wie z. B. das Augment des indogermanischen Verbums, sind<lb/> nur scheinbar, was hier nicht genauer dargethan werden<lb/> kann; über das Augment vgl. z. B. Comp. der vgl. Gramm.<lb/> der indog. Spr. §. 292, S. 567). Bezeichnen wir eine be-<lb/> liebige Wurzel mit R (radix), ein oder mehrere beliebige<lb/> Suffixe mit s, Praefixe mit p, Infixe mit i, so können wir<lb/> uns kürzer fassen, indem wir sagen, dass die Wortform der<lb/> sämmtlichen genannten Sprachsippen durch die morpholo-<lb/> gische Formel Rs darstellbar ist; für das Indogermanische<lb/></p> </body> </text> </TEI> [25/0027]
gezeigt haben; benachbarte Sprachen müssen sich ähnlicher
gewesen sein, als Sprachen von Menschen, die in verschie-
denen Welttheilen lebten. Von einem gedachten Punkte
aus müssen, je nach der Grösse der Entfernung von diesem
Punkte, die Sprachen sich in immer stärker werdender Ab-
weichung von der Sprache des Ausgangspunktes gruppiert
haben, da mit der räumlichen Entfernung die Verschieden-
heit des Klimas und der Lebensverhältnisse überhaupt zu-
zunehmen pflegt. Von jener geforderten regelmässigen
Vertheilung der Sprachen glauben wir allerdings selbst jetzt
noch Spuren wahrnehmen zu können. So zeigen z. B. die
amerikanischen Sprachen, die Sprachen der südlichen Insel-
welt bei aller Verschiedenheit doch einen unverkennbar ge-
meinsamen Typus. Ja selbst im asiatisch-europäischen
Welttheile, dessen sprachliche Verhältnisse durch geschicht-
liche Vorgänge so stark verändert wurden, sind Gruppen
wesentlich ähnlicher Sprachstämme nicht zu verkennen.
Indogermanisch, finnisch, türkisch-tatarisch, mongolisch,
mandschurisch sowie dekhanisch (tamulisch u. s. f.) zeigen
z. B. sämmtlich den Sufixbau, d. h. alle Bildungselemente,
alle Beziehungsausdrücke treten an den Auslaut der Wur-
zel an, nicht aber vor dieselbe oder in dieselbe (Ausnahmen,
wie z. B. das Augment des indogermanischen Verbums, sind
nur scheinbar, was hier nicht genauer dargethan werden
kann; über das Augment vgl. z. B. Comp. der vgl. Gramm.
der indog. Spr. §. 292, S. 567). Bezeichnen wir eine be-
liebige Wurzel mit R (radix), ein oder mehrere beliebige
Suffixe mit s, Praefixe mit p, Infixe mit i, so können wir
uns kürzer fassen, indem wir sagen, dass die Wortform der
sämmtlichen genannten Sprachsippen durch die morpholo-
gische Formel Rs darstellbar ist; für das Indogermanische
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