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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Sprachclassen.

Die grammatik der indogermanischen sprachen ist also eine
specielle grammatik; da sie ferner dise sprachen als gewordene
betrachtet und auß iren älteren und ältesten zuständen erklärt,
so ist sie genauer als specielle historische grammatik der indo-
germanischen sprachen zu bezeichnen.

Anm. 1. Es ist üblich die nicht bloß beschreibende, sondern die
sprachformen so vil als möglich erklärende grammatik, da sie in
der regel sich nicht auf betrachtung einer einzelnen sprache be-
schränken kann, vergleichende grammatik zu nennen.
Anm. 2. Das folgende werk umfaßt nur zwei seiten, welche die
sprache der wißenschaftlichen betrachtung bietet, die laute und
die formen. Die function und den sazbau des indogermanischen
sind wir zur zeit noch außer stande in der art wißenschaftlich
zu behandeln, wie wir es bei den mer äußerlichen und leichter
erfaßbaren seiten der sprache, bei den lauten und formen ver-
mögen.

2. descriptive glottik oder sprachbeschreibung.
Aufgabe derselben ist die ermittelung und beschreibung der
sprachlichen sippen oder sprachstämme, d. h. der von einer
ursprache ab stammenden sprachen und die anordnung dersel-
ben nach einem natürlichen systeme.

Eine algemeine ursprache für alle sprachen an zu nemen
ist unmöglich, es gab vilmer eine noch nicht ermittelte große
anzal von ursprachen.

Die sprachen kann man vor der hand am leichtesten nach
irer morphologischen beschaffenheit anordnen. Es gibt 1. spra-
chen, die nur auß ungegliderten unveränderlichen bedeutungs-
lauten bestehen, isolierende sprachen (z. b. das Chinesi-
sche); wir bezeichnen*) einen solchen unveränderlichen bedeu-
tungslaut mit W; auf diser stufe würde das indogermanische
stehen, wenn z. b. das wort ai-mi (griech. eimi) nicht so, son-
dern i oder i ma (formel W oder W + w) lautete; ferner 2.
sprachen, die zu disen unveränderlichen bedeutungslauten vorn,
in der mitte, am ende oder an mereren stellen zugleich bezie-

*) vgl. Aug. Schleicher, zur Morphologie der sprache in Memoires de
l'Acad. Imp. des sciences de St.-Petersb. VII. Serie tome I, No 7, auch in
bes. abdr. Petersb. 1859 und den nachtrag dazu in Kuhn und Schleicher,
Beitr. zur vgl. sprachforschung bd II, pg. 460--463.
Sprachclassen.

Die grammatik der indogermanischen sprachen ist also eine
specielle grammatik; da sie ferner dise sprachen als gewordene
betrachtet und auß iren älteren und ältesten zuständen erklärt,
so ist sie genauer als specielle historische grammatik der indo-
germanischen sprachen zu bezeichnen.

Anm. 1. Es ist üblich die nicht bloß beschreibende, sondern die
sprachformen so vil als möglich erklärende grammatik, da sie in
der regel sich nicht auf betrachtung einer einzelnen sprache be-
schränken kann, vergleichende grammatik zu nennen.
Anm. 2. Das folgende werk umfaßt nur zwei seiten, welche die
sprache der wißenschaftlichen betrachtung bietet, die laute und
die formen. Die function und den sazbau des indogermanischen
sind wir zur zeit noch außer stande in der art wißenschaftlich
zu behandeln, wie wir es bei den mer äußerlichen und leichter
erfaßbaren seiten der sprache, bei den lauten und formen ver-
mögen.

2. descriptive glottik oder sprachbeschreibung.
Aufgabe derselben ist die ermittelung und beschreibung der
sprachlichen sippen oder sprachstämme, d. h. der von einer
ursprache ab stammenden sprachen und die anordnung dersel-
ben nach einem natürlichen systeme.

Eine algemeine ursprache für alle sprachen an zu nemen
ist unmöglich, es gab vilmer eine noch nicht ermittelte große
anzal von ursprachen.

Die sprachen kann man vor der hand am leichtesten nach
irer morphologischen beschaffenheit anordnen. Es gibt 1. spra-
chen, die nur auß ungegliderten unveränderlichen bedeutungs-
lauten bestehen, isolierende sprachen (z. b. das Chinesi-
sche); wir bezeichnen*) einen solchen unveränderlichen bedeu-
tungslaut mit W; auf diser stufe würde das indogermanische
stehen, wenn z. b. das wort ai-mi (griech. εἶμι) nicht so, son-
dern i oder i ma (formel W oder W + w) lautete; ferner 2.
sprachen, die zu disen unveränderlichen bedeutungslauten vorn,
in der mitte, am ende oder an mereren stellen zugleich bezie-

*) vgl. Aug. Schleicher, zur Morphologie der sprache in Mémoires de
l’Acad. Imp. des sciences de St.-Petersb. VII. Série tome I, No 7, auch in
bes. abdr. Petersb. 1859 und den nachtrag dazu in Kuhn und Schleicher,
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[2/0016] Sprachclassen. Die grammatik der indogermanischen sprachen ist also eine specielle grammatik; da sie ferner dise sprachen als gewordene betrachtet und auß iren älteren und ältesten zuständen erklärt, so ist sie genauer als specielle historische grammatik der indo- germanischen sprachen zu bezeichnen. Anm. 1. Es ist üblich die nicht bloß beschreibende, sondern die sprachformen so vil als möglich erklärende grammatik, da sie in der regel sich nicht auf betrachtung einer einzelnen sprache be- schränken kann, vergleichende grammatik zu nennen. Anm. 2. Das folgende werk umfaßt nur zwei seiten, welche die sprache der wißenschaftlichen betrachtung bietet, die laute und die formen. Die function und den sazbau des indogermanischen sind wir zur zeit noch außer stande in der art wißenschaftlich zu behandeln, wie wir es bei den mer äußerlichen und leichter erfaßbaren seiten der sprache, bei den lauten und formen ver- mögen. 2. descriptive glottik oder sprachbeschreibung. Aufgabe derselben ist die ermittelung und beschreibung der sprachlichen sippen oder sprachstämme, d. h. der von einer ursprache ab stammenden sprachen und die anordnung dersel- ben nach einem natürlichen systeme. Eine algemeine ursprache für alle sprachen an zu nemen ist unmöglich, es gab vilmer eine noch nicht ermittelte große anzal von ursprachen. Die sprachen kann man vor der hand am leichtesten nach irer morphologischen beschaffenheit anordnen. Es gibt 1. spra- chen, die nur auß ungegliderten unveränderlichen bedeutungs- lauten bestehen, isolierende sprachen (z. b. das Chinesi- sche); wir bezeichnen *) einen solchen unveränderlichen bedeu- tungslaut mit W; auf diser stufe würde das indogermanische stehen, wenn z. b. das wort ai-mi (griech. εἶμι) nicht so, son- dern i oder i ma (formel W oder W + w) lautete; ferner 2. sprachen, die zu disen unveränderlichen bedeutungslauten vorn, in der mitte, am ende oder an mereren stellen zugleich bezie- *) vgl. Aug. Schleicher, zur Morphologie der sprache in Mémoires de l’Acad. Imp. des sciences de St.-Petersb. VII. Série tome I, No 7, auch in bes. abdr. Petersb. 1859 und den nachtrag dazu in Kuhn und Schleicher, Beitr. zur vgl. sprachforschung bd II, pg. 460—463.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/16>, abgerufen am 22.12.2024.