Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.Indogerman. ursprache. Vocale. Anm. 1. In einer älteren lebensperiode der indogermanischen ur- sprache felten wol die drei aspiraten und die vocalischen doppel- laute mit a (also aa, ai, au); dem ursprünglichsten, noch nicht flectierenden sprachstande giengen die sämtlichen vocalischen doppellaute ab. Ursprünglich besaß also das indogermanische warscheinlich sechs momentane laute, nämlich drei stumme und drei tönende; sechs consonantische dauerlaute, nämlich drei spiranten und drei so genante liquidae, d. h. die beiden nasale n, m und r (l ist eine secundäre abart des r) und sechs vocale. Im späteren stande der sprache, kurz vor der ersten trennung, gab es neun moment. laute und neun vocalische laute. Man übersehe nicht dise eigentümli- chen zalenverhältnisse in der anzal der laute. Anm. 2. Tönend (oder medial) sind die consonanten, bei deren her- vorbringung die stimritze mittönt; diß ist bei allen nasalen und r und l-lauten der fall, wärend die momentanen consonanten und die spiranten mit und one begleitung von stimton gesprochen wer- den können. Tön. consonanten haben also eine vocalische beimi- schung. Die aspiraten sind doppellaute; beide laute, auß denen sie bestehen, der vorauß gehende momentane consonant und der nach folgende hauch müßen bei der außsprache gehört werden. Vocale der indogermanischen ursprache.§. 2.
Anm. 1. Die zweite steigerung findet sich in der asiatischen, süd- europäischen und nordeuropäischen abteilung der indogerm. spra- chen, gehört also mit höchster warscheinlichkeit zu den auß der ursprache überkommenen wortbildungsmitteln, obgleich die einzel- nen sprachen im gebrauche derselben oft nicht zusammen stimmen. Anm. 2. aa und aa wurden warscheinlich frühe bereits beide in a zusammen gezogen. Indessen müßen die so entstandenen beiden a doch verschiden gewesen sein, da z. b. gotisch und griechisch noch das a der ersten steigerung von dem der zweiten steigerung scheiden. a, der häufigste vocal, bildet eine classe für sich; i und u Indogerman. ursprache. Vocale. Anm. 1. In einer älteren lebensperiode der indogermanischen ur- sprache felten wol die drei aspiraten und die vocalischen doppel- laute mit â (also âa, âi, âu); dem ursprünglichsten, noch nicht flectierenden sprachstande giengen die sämtlichen vocalischen doppellaute ab. Ursprünglich besaß also das indogermanische warscheinlich sechs momentane laute, nämlich drei stumme und drei tönende; sechs consonantische dauerlaute, nämlich drei spiranten und drei so genante liquidae, d. h. die beiden nasale n, m und r (l ist eine secundäre abart des r) und sechs vocale. Im späteren stande der sprache, kurz vor der ersten trennung, gab es neun moment. laute und neun vocalische laute. Man übersehe nicht dise eigentümli- chen zalenverhältnisse in der anzal der laute. Anm. 2. Tönend (oder medial) sind die consonanten, bei deren her- vorbringung die stimritze mittönt; diß ist bei allen nasalen und r und l-lauten der fall, wärend die momentanen consonanten und die spiranten mit und one begleitung von stimton gesprochen wer- den können. Tön. consonanten haben also eine vocalische beimi- schung. Die aspiraten sind doppellaute; beide laute, auß denen sie bestehen, der vorauß gehende momentane consonant und der nach folgende hauch müßen bei der außsprache gehört werden. Vocale der indogermanischen ursprache.§. 2.
Anm. 1. Die zweite steigerung findet sich in der asiatischen, süd- europäischen und nordeuropäischen abteilung der indogerm. spra- chen, gehört also mit höchster warscheinlichkeit zu den auß der ursprache überkommenen wortbildungsmitteln, obgleich die einzel- nen sprachen im gebrauche derselben oft nicht zusammen stimmen. Anm. 2. aa und âa wurden warscheinlich frühe bereits beide in â zusammen gezogen. Indessen müßen die so entstandenen beiden â doch verschiden gewesen sein, da z. b. gotisch und griechisch noch das â der ersten steigerung von dem der zweiten steigerung scheiden. a, der häufigste vocal, bildet eine classe für sich; i und u <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0023" n="9"/> <fw place="top" type="header">Indogerman. ursprache. Vocale.</fw><lb/> <list> <item><hi rendition="#g">Anm</hi>. 1. In einer älteren lebensperiode der indogermanischen ur-<lb/> sprache felten wol die drei aspiraten und die vocalischen doppel-<lb/> laute mit <hi rendition="#i">â</hi> (also <hi rendition="#i">âa</hi>, <hi rendition="#i">âi, âu</hi>); dem ursprünglichsten, noch nicht<lb/> flectierenden sprachstande giengen die sämtlichen vocalischen<lb/> doppellaute ab.<lb/><hi rendition="#et">Ursprünglich besaß also das indogermanische warscheinlich sechs<lb/> momentane laute, nämlich drei stumme und drei tönende; sechs<lb/> consonantische dauerlaute, nämlich drei spiranten und drei so<lb/> genante liquidae, d. h. die beiden nasale <hi rendition="#i">n, m</hi> und <hi rendition="#i">r</hi> (<hi rendition="#i">l</hi> ist eine<lb/> secundäre abart des <hi rendition="#i">r</hi>) und sechs vocale. Im späteren stande der<lb/> sprache, kurz vor der ersten trennung, gab es neun moment. laute<lb/> und neun vocalische laute. Man übersehe nicht dise eigentümli-<lb/> chen zalenverhältnisse in der anzal der laute.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#g">Anm</hi>. 2. Tönend (oder medial) sind die consonanten, bei deren her-<lb/> vorbringung die stimritze mittönt; diß ist bei allen nasalen und<lb/><hi rendition="#i">r</hi> und <hi rendition="#i">l</hi>-lauten der fall, wärend die momentanen consonanten und<lb/> die spiranten mit und one begleitung von stimton gesprochen wer-<lb/> den können. Tön. consonanten haben also eine vocalische beimi-<lb/> schung. Die aspiraten sind doppellaute; beide laute, auß denen<lb/> sie bestehen, der vorauß gehende momentane consonant und der<lb/> nach folgende hauch müßen bei der außsprache gehört werden.</item> </list> </div><lb/> <div n="5"> <head>Vocale der indogermanischen ursprache.</head> <note place="right">§. 2.</note><lb/> <table> <row> <cell>grundvocal</cell> <cell>erste steigerung</cell> <cell>zweite steigerung.</cell> </row><lb/> <row> <cell>1. a-reihe <hi rendition="#i">a</hi></cell> <cell>a + a = <hi rendition="#i">aa</hi> (<hi rendition="#i">â</hi>)</cell> <cell>a + aa = <hi rendition="#i">âa</hi> (<hi rendition="#i">â</hi>)</cell> </row><lb/> <row> <cell>2. i-reihe <hi rendition="#i">i</hi></cell> <cell>a + i = <hi rendition="#i">ai</hi></cell> <cell>a + ai = <hi rendition="#i">âi</hi></cell> </row><lb/> <row> <cell>3. u-reihe <hi rendition="#i">u</hi></cell> <cell>a + u = <hi rendition="#i">au</hi></cell> <cell>a + au = <hi rendition="#i">âu</hi></cell> </row><lb/> </table> <list> <item><hi rendition="#g">Anm</hi>. 1. Die zweite steigerung findet sich in der asiatischen, süd-<lb/> europäischen und nordeuropäischen abteilung der indogerm. spra-<lb/> chen, gehört also mit höchster warscheinlichkeit zu den auß der<lb/> ursprache überkommenen wortbildungsmitteln, obgleich die einzel-<lb/> nen sprachen im gebrauche derselben oft nicht zusammen stimmen.</item><lb/> <item><hi rendition="#g">Anm</hi>. 2. <hi rendition="#i">aa</hi> und <hi rendition="#i">âa</hi> wurden warscheinlich frühe bereits beide in <hi rendition="#i">â</hi><lb/> zusammen gezogen. Indessen müßen die so entstandenen beiden<lb/><hi rendition="#i">â</hi> doch verschiden gewesen sein, da z. b. gotisch und griechisch<lb/> noch das <hi rendition="#i">â</hi> der ersten steigerung von dem der zweiten steigerung<lb/> scheiden.</item> </list><lb/> <p><hi rendition="#i">a,</hi> der häufigste vocal, bildet eine classe für sich; <hi rendition="#i">i</hi> und <hi rendition="#i">u</hi><lb/> sind sich in irem wesen ser änlich und stehen dem <hi rendition="#i">a</hi> als grund-<lb/> verschiden gegenüber. Beide haben die inen nahe stehenden<lb/> und sie oft vertretenden consonanten <hi rendition="#i">j, v</hi> zur seite, wärend das<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0023]
Indogerman. ursprache. Vocale.
Anm. 1. In einer älteren lebensperiode der indogermanischen ur-
sprache felten wol die drei aspiraten und die vocalischen doppel-
laute mit â (also âa, âi, âu); dem ursprünglichsten, noch nicht
flectierenden sprachstande giengen die sämtlichen vocalischen
doppellaute ab.
Ursprünglich besaß also das indogermanische warscheinlich sechs
momentane laute, nämlich drei stumme und drei tönende; sechs
consonantische dauerlaute, nämlich drei spiranten und drei so
genante liquidae, d. h. die beiden nasale n, m und r (l ist eine
secundäre abart des r) und sechs vocale. Im späteren stande der
sprache, kurz vor der ersten trennung, gab es neun moment. laute
und neun vocalische laute. Man übersehe nicht dise eigentümli-
chen zalenverhältnisse in der anzal der laute.
Anm. 2. Tönend (oder medial) sind die consonanten, bei deren her-
vorbringung die stimritze mittönt; diß ist bei allen nasalen und
r und l-lauten der fall, wärend die momentanen consonanten und
die spiranten mit und one begleitung von stimton gesprochen wer-
den können. Tön. consonanten haben also eine vocalische beimi-
schung. Die aspiraten sind doppellaute; beide laute, auß denen
sie bestehen, der vorauß gehende momentane consonant und der
nach folgende hauch müßen bei der außsprache gehört werden.
Vocale der indogermanischen ursprache.
grundvocal erste steigerung zweite steigerung.
1. a-reihe a a + a = aa (â) a + aa = âa (â)
2. i-reihe i a + i = ai a + ai = âi
3. u-reihe u a + u = au a + au = âu
Anm. 1. Die zweite steigerung findet sich in der asiatischen, süd-
europäischen und nordeuropäischen abteilung der indogerm. spra-
chen, gehört also mit höchster warscheinlichkeit zu den auß der
ursprache überkommenen wortbildungsmitteln, obgleich die einzel-
nen sprachen im gebrauche derselben oft nicht zusammen stimmen.
Anm. 2. aa und âa wurden warscheinlich frühe bereits beide in â
zusammen gezogen. Indessen müßen die so entstandenen beiden
â doch verschiden gewesen sein, da z. b. gotisch und griechisch
noch das â der ersten steigerung von dem der zweiten steigerung
scheiden.
a, der häufigste vocal, bildet eine classe für sich; i und u
sind sich in irem wesen ser änlich und stehen dem a als grund-
verschiden gegenüber. Beide haben die inen nahe stehenden
und sie oft vertretenden consonanten j, v zur seite, wärend das
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