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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Erste Vorlesung.
ließ. In beiden Bänden theilte er zahlreiche Abbildungen der gefunde¬
nen Kunstprodukte, namentlich aus Feuerstein gearbeitete Beile, Lan¬
zen- und Pfeilspitzen, Messer und dergleichen mit. Seine Entdeckungen
wurden anfänglich mit kindischem Lachen, dann mit Zweifel und Wider¬
spruch aufgenommen. Er verlor aber nicht den Muth; alle Einwürfe
widerlegend, zwang er endlich die Geognosten, von der Sache Kennt¬
niß zu nehmen; die Fundorte wurden von den ausgezeichnetsten Män¬
nern der Wissenschaft genau untersucht, die Entdeckungen und die Rich¬
tigkeit der daraus gezogenen Schlüsse bestätigt und endlich der Satz in
der Wissenschaft zugelassen, daß in einer undenklich frühen Zeit zusam¬
men mit Mammuth, Rhinoceros, Höhlenlöwen, Höhlenhyänen, Höh¬
lenbären und anderen einer längst vergangenen Periode der Erdbildung
angehörigen, lange vor der ältesten Sagenzeit ausgestorbenen Thier¬
arten auch der Mensch schon Bewohner der Erde gewesen sei. Wenn
vor Boucher de Perthes Niemand einem solchen Gedanken hatte
Raum geben wollen, so wurden jetzt von allen Seiten ähnliche That¬
sachen bekannt gemacht oder früher schon entdeckte, aber unbeachtet ge¬
bliebene Erscheinungen aus der Nacht der Vergessenheit hervorgezogen.
Gegenwärtig sind schon gegen 35 bis 40 solcher Beobachtungen bekannt
geworden, deren älteste sogar bis auf das Jahr 1715 zurückgeht, Be¬
obachtungen, welche sich auf die verschiedensten Oertlichkeiten, Aegyp¬
ten
, Sicilien und Sardinien, die Pyrenäen, das mittlere
Frankreich, das Seine-, Oise- und Sommethal, die Schweiz,
den Rhein, Dänemark, ganz England und Schottland,
Brasilien, Florida, das Mississippi- und Ohiogebiet bezie¬
hen. Nach diesen sämmtlichen Entdeckungen zusammengenommen kann
man die Anwesenheit der Menschen auf der Erde schon gegenwärtig auf
weit über 100,000 Jahre zurückdatiren und doch stehen wir jedenfalls
erst im allerersten Anfang und keineswegs am Ende der Entdeckungen.

Um die Sache dem allgemeinen Verständnisse näher zu bringen,
will ich zunächst eine Uebersicht der allmählichen Entwickelung der Erd¬
oberfläche und ihrer Perioden geben und dann die wichtigeren der ge¬

Erſte Vorleſung.
ließ. In beiden Bänden theilte er zahlreiche Abbildungen der gefunde¬
nen Kunſtprodukte, namentlich aus Feuerſtein gearbeitete Beile, Lan¬
zen- und Pfeilſpitzen, Meſſer und dergleichen mit. Seine Entdeckungen
wurden anfänglich mit kindiſchem Lachen, dann mit Zweifel und Wider¬
ſpruch aufgenommen. Er verlor aber nicht den Muth; alle Einwürfe
widerlegend, zwang er endlich die Geognoſten, von der Sache Kennt¬
niß zu nehmen; die Fundorte wurden von den ausgezeichnetſten Män¬
nern der Wiſſenſchaft genau unterſucht, die Entdeckungen und die Rich¬
tigkeit der daraus gezogenen Schlüſſe beſtätigt und endlich der Satz in
der Wiſſenſchaft zugelaſſen, daß in einer undenklich frühen Zeit zuſam¬
men mit Mammuth, Rhinoceros, Höhlenlöwen, Höhlenhyänen, Höh¬
lenbären und anderen einer längſt vergangenen Periode der Erdbildung
angehörigen, lange vor der älteſten Sagenzeit ausgeſtorbenen Thier¬
arten auch der Menſch ſchon Bewohner der Erde geweſen ſei. Wenn
vor Boucher de Perthes Niemand einem ſolchen Gedanken hatte
Raum geben wollen, ſo wurden jetzt von allen Seiten ähnliche That¬
ſachen bekannt gemacht oder früher ſchon entdeckte, aber unbeachtet ge¬
bliebene Erſcheinungen aus der Nacht der Vergeſſenheit hervorgezogen.
Gegenwärtig ſind ſchon gegen 35 bis 40 ſolcher Beobachtungen bekannt
geworden, deren älteſte ſogar bis auf das Jahr 1715 zurückgeht, Be¬
obachtungen, welche ſich auf die verſchiedenſten Oertlichkeiten, Aegyp¬
ten
, Sicilien und Sardinien, die Pyrenäen, das mittlere
Frankreich, das Seine-, Oiſe- und Sommethal, die Schweiz,
den Rhein, Dänemark, ganz England und Schottland,
Braſilien, Florida, das Miſſiſſippi- und Ohiogebiet bezie¬
hen. Nach dieſen ſämmtlichen Entdeckungen zuſammengenommen kann
man die Anweſenheit der Menſchen auf der Erde ſchon gegenwärtig auf
weit über 100,000 Jahre zurückdatiren und doch ſtehen wir jedenfalls
erſt im allererſten Anfang und keineswegs am Ende der Entdeckungen.

Um die Sache dem allgemeinen Verſtändniſſe näher zu bringen,
will ich zunächſt eine Ueberſicht der allmählichen Entwickelung der Erd¬
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[8/0018] Erſte Vorleſung. ließ. In beiden Bänden theilte er zahlreiche Abbildungen der gefunde¬ nen Kunſtprodukte, namentlich aus Feuerſtein gearbeitete Beile, Lan¬ zen- und Pfeilſpitzen, Meſſer und dergleichen mit. Seine Entdeckungen wurden anfänglich mit kindiſchem Lachen, dann mit Zweifel und Wider¬ ſpruch aufgenommen. Er verlor aber nicht den Muth; alle Einwürfe widerlegend, zwang er endlich die Geognoſten, von der Sache Kennt¬ niß zu nehmen; die Fundorte wurden von den ausgezeichnetſten Män¬ nern der Wiſſenſchaft genau unterſucht, die Entdeckungen und die Rich¬ tigkeit der daraus gezogenen Schlüſſe beſtätigt und endlich der Satz in der Wiſſenſchaft zugelaſſen, daß in einer undenklich frühen Zeit zuſam¬ men mit Mammuth, Rhinoceros, Höhlenlöwen, Höhlenhyänen, Höh¬ lenbären und anderen einer längſt vergangenen Periode der Erdbildung angehörigen, lange vor der älteſten Sagenzeit ausgeſtorbenen Thier¬ arten auch der Menſch ſchon Bewohner der Erde geweſen ſei. Wenn vor Boucher de Perthes Niemand einem ſolchen Gedanken hatte Raum geben wollen, ſo wurden jetzt von allen Seiten ähnliche That¬ ſachen bekannt gemacht oder früher ſchon entdeckte, aber unbeachtet ge¬ bliebene Erſcheinungen aus der Nacht der Vergeſſenheit hervorgezogen. Gegenwärtig ſind ſchon gegen 35 bis 40 ſolcher Beobachtungen bekannt geworden, deren älteſte ſogar bis auf das Jahr 1715 zurückgeht, Be¬ obachtungen, welche ſich auf die verſchiedenſten Oertlichkeiten, Aegyp¬ ten, Sicilien und Sardinien, die Pyrenäen, das mittlere Frankreich, das Seine-, Oiſe- und Sommethal, die Schweiz, den Rhein, Dänemark, ganz England und Schottland, Braſilien, Florida, das Miſſiſſippi- und Ohiogebiet bezie¬ hen. Nach dieſen ſämmtlichen Entdeckungen zuſammengenommen kann man die Anweſenheit der Menſchen auf der Erde ſchon gegenwärtig auf weit über 100,000 Jahre zurückdatiren und doch ſtehen wir jedenfalls erſt im allererſten Anfang und keineswegs am Ende der Entdeckungen. Um die Sache dem allgemeinen Verſtändniſſe näher zu bringen, will ich zunächſt eine Ueberſicht der allmählichen Entwickelung der Erd¬ oberfläche und ihrer Perioden geben und dann die wichtigeren der ge¬

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/18>, abgerufen am 23.11.2024.