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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Das Alter des Menschengeschlechts.
wir nun immerhin aussprechen, daß fast jeder Theil der Erdoberfläche
einmal seine Eiszeit erlebt hat. -- Die Geographie des nördlichen
Europa war nun folgende:

Anfänglich bedeckte Meer fast den ganzen nördlichen Theil von
Finnland, durch die Ostseeprovinzen, das nördliche Deutsch¬
land
bis Dünkerken und ebenso Großbritannien mit Ausnahme
eines schmalen südlichen Streifens und der höchsten Gebirgspunkte, die
als Inseln aus dem Meere hervorragten. Gleichzeitig war nur der
mittlere höchste Theil von Skandinavien frei vom Meere und ge¬
rade wie gegenwärtig Grönland ganz in Eis gehüllt. In dieser Zeit
trugen die sich ablösenden Eisberge und Eisinseln Schutt, große und
kleine Blöcke skandinavischer Felsen über das Meer nach Osten, Süden
und Westen und wo das Eis strandete und in der südlicheren Luft
schmolz, fielen jener Schutt, jene Felsblöcke auf den Meeresboden.
Darauf folgte eine Zeit, in welcher sich der Boden allmählich hob und
zwar bis zu einem solchen Niveau, daß England und Frankreich
in feste Landverbindung gesetzt und ein großer Theil der Nordsee trocken
gelegt wurde. In dieser Zeit breiteten sich denn auch Nordfranzösische
und Deutsche Pflanzen und Thiere über England aus. Gerade in
dieser Periode dehnten sich die Gletscher in Tyrol, der Schweiz,
Frankreich und Großbritannien von den viel höheren und da¬
her viel kälteren Bergen zu einem Umfange aus, von dem uns jetzt nur
noch die Schliffe und Schrunden auf den Felsen, die alten noch erkenn¬
baren Moränen und Gufferlinien Nachricht geben. Diese Gletscher, mit
ihren gewaltigen schweren Massen auf den felsigen Unterlagen sich fort¬
schiebend rieben von denselben, wie das auch noch jetzt geschieht, eine
große Masse des feinsten Staubes ab, die dann von Bächen und Flüssen
fortgeschwemmt, in den Ebenen, wo die letzteren sich ausbreiteten, ab¬
gelagert wurde und so die eigenthümlichen oft mächtigen Schichten bil¬
dete, welche von den Geognosten als Löß bezeichnet werden. -- Nun
erst trat wieder eine allmähliche Senkung ein, welche England und
Frankreich von einander trennte und die Nordsee wieder als Meer

Das Alter des Menſchengeſchlechts.
wir nun immerhin ausſprechen, daß faſt jeder Theil der Erdoberfläche
einmal ſeine Eiszeit erlebt hat. — Die Geographie des nördlichen
Europa war nun folgende:

Anfänglich bedeckte Meer faſt den ganzen nördlichen Theil von
Finnland, durch die Oſtſeeprovinzen, das nördliche Deutsch¬
land
bis Dünkerken und ebenſo Großbritannien mit Ausnahme
eines ſchmalen ſüdlichen Streifens und der höchſten Gebirgspunkte, die
als Inſeln aus dem Meere hervorragten. Gleichzeitig war nur der
mittlere höchſte Theil von Skandinavien frei vom Meere und ge¬
rade wie gegenwärtig Grönland ganz in Eis gehüllt. In dieſer Zeit
trugen die ſich ablöſenden Eisberge und Eisinſeln Schutt, große und
kleine Blöcke ſkandinaviſcher Felſen über das Meer nach Oſten, Süden
und Weſten und wo das Eis ſtrandete und in der ſüdlicheren Luft
ſchmolz, fielen jener Schutt, jene Felsblöcke auf den Meeresboden.
Darauf folgte eine Zeit, in welcher ſich der Boden allmählich hob und
zwar bis zu einem ſolchen Niveau, daß England und Frankreich
in feſte Landverbindung geſetzt und ein großer Theil der Nordſee trocken
gelegt wurde. In dieſer Zeit breiteten ſich denn auch Nordfranzöſiſche
und Deutſche Pflanzen und Thiere über England aus. Gerade in
dieſer Periode dehnten ſich die Gletſcher in Tyrol, der Schweiz,
Frankreich und Großbritannien von den viel höheren und da¬
her viel kälteren Bergen zu einem Umfange aus, von dem uns jetzt nur
noch die Schliffe und Schrunden auf den Felſen, die alten noch erkenn¬
baren Moränen und Gufferlinien Nachricht geben. Dieſe Gletſcher, mit
ihren gewaltigen ſchweren Maſſen auf den felſigen Unterlagen ſich fort¬
ſchiebend rieben von denſelben, wie das auch noch jetzt geſchieht, eine
große Maſſe des feinſten Staubes ab, die dann von Bächen und Flüſſen
fortgeſchwemmt, in den Ebenen, wo die letzteren ſich ausbreiteten, ab¬
gelagert wurde und ſo die eigenthümlichen oft mächtigen Schichten bil¬
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[11/0021] Das Alter des Menſchengeſchlechts. wir nun immerhin ausſprechen, daß faſt jeder Theil der Erdoberfläche einmal ſeine Eiszeit erlebt hat. — Die Geographie des nördlichen Europa war nun folgende: Anfänglich bedeckte Meer faſt den ganzen nördlichen Theil von Finnland, durch die Oſtſeeprovinzen, das nördliche Deutsch¬ land bis Dünkerken und ebenſo Großbritannien mit Ausnahme eines ſchmalen ſüdlichen Streifens und der höchſten Gebirgspunkte, die als Inſeln aus dem Meere hervorragten. Gleichzeitig war nur der mittlere höchſte Theil von Skandinavien frei vom Meere und ge¬ rade wie gegenwärtig Grönland ganz in Eis gehüllt. In dieſer Zeit trugen die ſich ablöſenden Eisberge und Eisinſeln Schutt, große und kleine Blöcke ſkandinaviſcher Felſen über das Meer nach Oſten, Süden und Weſten und wo das Eis ſtrandete und in der ſüdlicheren Luft ſchmolz, fielen jener Schutt, jene Felsblöcke auf den Meeresboden. Darauf folgte eine Zeit, in welcher ſich der Boden allmählich hob und zwar bis zu einem ſolchen Niveau, daß England und Frankreich in feſte Landverbindung geſetzt und ein großer Theil der Nordſee trocken gelegt wurde. In dieſer Zeit breiteten ſich denn auch Nordfranzöſiſche und Deutſche Pflanzen und Thiere über England aus. Gerade in dieſer Periode dehnten ſich die Gletſcher in Tyrol, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien von den viel höheren und da¬ her viel kälteren Bergen zu einem Umfange aus, von dem uns jetzt nur noch die Schliffe und Schrunden auf den Felſen, die alten noch erkenn¬ baren Moränen und Gufferlinien Nachricht geben. Dieſe Gletſcher, mit ihren gewaltigen ſchweren Maſſen auf den felſigen Unterlagen ſich fort¬ ſchiebend rieben von denſelben, wie das auch noch jetzt geſchieht, eine große Maſſe des feinſten Staubes ab, die dann von Bächen und Flüſſen fortgeſchwemmt, in den Ebenen, wo die letzteren ſich ausbreiteten, ab¬ gelagert wurde und ſo die eigenthümlichen oft mächtigen Schichten bil¬ dete, welche von den Geognoſten als Löß bezeichnet werden. — Nun erſt trat wieder eine allmähliche Senkung ein, welche England und Frankreich von einander trennte und die Nordſee wieder als Meer

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/21>, abgerufen am 23.11.2024.