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Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.

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Erste Vorlesung.
hauptsächlich dem Dr. Steenstrup, Dr. Bush und einigen
Anderen.

An diese eben erwähnten Funde schließen sich sehr eng die viel in¬
teressanteren an, mit denen uns seit 1858 durch eine Reihe von Auf¬
sätzen in den Acten der Zürcher antiquarischen Gesellschaft, sowie in
selbständigen Werken Keller und Rütimeyer bekannt gemacht ha¬
ben. Man fand nämlich zuerst in dem trocknen Winter 1853/4 im Zür¬
cher See bei Meilen, später in fast allen übrigen Schweizer Seen
die Reste von Pfahlbauten (auf Platformen im Wasser errichteten Woh¬
nungen) wie sie schon in ältester Zeit von Herodot bei einem Thraki¬
schen Stamme, der im See Prasias im heutigen Rumelien seine
Wohnsitze aufgeschlagen hatte, 520 vor Chr. beschrieben worden sind.
Zugleich umschloß der Schlamm der Schweizer Seen zahlreiche Knochen¬
reste, Stein-, Bronce- und Eisenwaffen, Töpfergeschirr, Kähne u. dgl.
m. -- Die genauere Durchforschung dieser Reste führte zu einer ganzen
Geschichte dieser Pfahlbautenbewohner, die wohl auch über 10,000
Jahre zurückreicht und sich kurz so wiedergeben läßt. Die ersten Grün¬
der dieser Pfahlbauten kamen aus Asien, von woher sie noch Stein¬
waffen aus Beilstein, der in Europa nicht gefunden wird, mitbrachten.
Sie wurden von anderen wahrscheinlich Iberischen Stämmen ver¬
drängt und diese mußten wieder den Kelten der ächten Broncezeit
weichen. Von diesen wissen wir durch Meyer, daß sie noch 1500
Jahre vor Chr. von Kleinasien bis zum Westen Europa's sehr
verbreitet waren. -- Den Kelten folgten jüngere Stämme, die bereits
Eisenwaffen führten und etwa 200 Jahre vor Chr. zur Zeit der Grie¬
chischen Besitzungen in Marseille, aus welcher Zeit einige Münzen
gefunden wurden, diese Pfahlbauten verließen, die dann verfielen und
vergessen wurden, so daß Cäsar schon keine Kunde mehr von ihnen
erhielt. Man unterscheidet hier deutlich ein Zeitalter der rohen nur
durch Absplittern geformten und ein anderes der sorgfältig durch Schlei¬
fen geglätteten Steinwaffen. Beide gehen der Zeit der Iberischen und
der diese verdrängenden Keltischen Stämme vorher, denn diese beiden

Erſte Vorleſung.
hauptſächlich dem Dr. Steenſtrup, Dr. Buſh und einigen
Anderen.

An dieſe eben erwähnten Funde ſchließen ſich ſehr eng die viel in¬
tereſſanteren an, mit denen uns ſeit 1858 durch eine Reihe von Auf¬
ſätzen in den Acten der Zürcher antiquariſchen Geſellſchaft, ſowie in
ſelbſtändigen Werken Keller und Rütimeyer bekannt gemacht ha¬
ben. Man fand nämlich zuerſt in dem trocknen Winter 185¾ im Zür¬
cher See bei Meilen, ſpäter in faſt allen übrigen Schweizer Seen
die Reſte von Pfahlbauten (auf Platformen im Waſſer errichteten Woh¬
nungen) wie ſie ſchon in älteſter Zeit von Herodot bei einem Thraki¬
ſchen Stamme, der im See Praſias im heutigen Rumelien ſeine
Wohnſitze aufgeſchlagen hatte, 520 vor Chr. beſchrieben worden ſind.
Zugleich umſchloß der Schlamm der Schweizer Seen zahlreiche Knochen¬
reſte, Stein-, Bronce- und Eiſenwaffen, Töpfergeſchirr, Kähne u. dgl.
m. — Die genauere Durchforſchung dieſer Reſte führte zu einer ganzen
Geſchichte dieſer Pfahlbautenbewohner, die wohl auch über 10,000
Jahre zurückreicht und ſich kurz ſo wiedergeben läßt. Die erſten Grün¬
der dieſer Pfahlbauten kamen aus Aſien, von woher ſie noch Stein¬
waffen aus Beilſtein, der in Europa nicht gefunden wird, mitbrachten.
Sie wurden von anderen wahrſcheinlich Iberiſchen Stämmen ver¬
drängt und dieſe mußten wieder den Kelten der ächten Broncezeit
weichen. Von dieſen wiſſen wir durch Meyer, daß ſie noch 1500
Jahre vor Chr. von Kleinaſien bis zum Weſten Europa's ſehr
verbreitet waren. — Den Kelten folgten jüngere Stämme, die bereits
Eiſenwaffen führten und etwa 200 Jahre vor Chr. zur Zeit der Grie¬
chiſchen Beſitzungen in Marſeille, aus welcher Zeit einige Münzen
gefunden wurden, dieſe Pfahlbauten verließen, die dann verfielen und
vergeſſen wurden, ſo daß Cäſar ſchon keine Kunde mehr von ihnen
erhielt. Man unterſcheidet hier deutlich ein Zeitalter der rohen nur
durch Abſplittern geformten und ein anderes der ſorgfältig durch Schlei¬
fen geglätteten Steinwaffen. Beide gehen der Zeit der Iberiſchen und
der dieſe verdrängenden Keltiſchen Stämme vorher, denn dieſe beiden

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[14/0024] Erſte Vorleſung. hauptſächlich dem Dr. Steenſtrup, Dr. Buſh und einigen Anderen. An dieſe eben erwähnten Funde ſchließen ſich ſehr eng die viel in¬ tereſſanteren an, mit denen uns ſeit 1858 durch eine Reihe von Auf¬ ſätzen in den Acten der Zürcher antiquariſchen Geſellſchaft, ſowie in ſelbſtändigen Werken Keller und Rütimeyer bekannt gemacht ha¬ ben. Man fand nämlich zuerſt in dem trocknen Winter 185¾ im Zür¬ cher See bei Meilen, ſpäter in faſt allen übrigen Schweizer Seen die Reſte von Pfahlbauten (auf Platformen im Waſſer errichteten Woh¬ nungen) wie ſie ſchon in älteſter Zeit von Herodot bei einem Thraki¬ ſchen Stamme, der im See Praſias im heutigen Rumelien ſeine Wohnſitze aufgeſchlagen hatte, 520 vor Chr. beſchrieben worden ſind. Zugleich umſchloß der Schlamm der Schweizer Seen zahlreiche Knochen¬ reſte, Stein-, Bronce- und Eiſenwaffen, Töpfergeſchirr, Kähne u. dgl. m. — Die genauere Durchforſchung dieſer Reſte führte zu einer ganzen Geſchichte dieſer Pfahlbautenbewohner, die wohl auch über 10,000 Jahre zurückreicht und ſich kurz ſo wiedergeben läßt. Die erſten Grün¬ der dieſer Pfahlbauten kamen aus Aſien, von woher ſie noch Stein¬ waffen aus Beilſtein, der in Europa nicht gefunden wird, mitbrachten. Sie wurden von anderen wahrſcheinlich Iberiſchen Stämmen ver¬ drängt und dieſe mußten wieder den Kelten der ächten Broncezeit weichen. Von dieſen wiſſen wir durch Meyer, daß ſie noch 1500 Jahre vor Chr. von Kleinaſien bis zum Weſten Europa's ſehr verbreitet waren. — Den Kelten folgten jüngere Stämme, die bereits Eiſenwaffen führten und etwa 200 Jahre vor Chr. zur Zeit der Grie¬ chiſchen Beſitzungen in Marſeille, aus welcher Zeit einige Münzen gefunden wurden, dieſe Pfahlbauten verließen, die dann verfielen und vergeſſen wurden, ſo daß Cäſar ſchon keine Kunde mehr von ihnen erhielt. Man unterſcheidet hier deutlich ein Zeitalter der rohen nur durch Abſplittern geformten und ein anderes der ſorgfältig durch Schlei¬ fen geglätteten Steinwaffen. Beide gehen der Zeit der Iberiſchen und der dieſe verdrängenden Keltiſchen Stämme vorher, denn dieſe beiden

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_menschengeschlecht_1863/24>, abgerufen am 09.11.2024.