Schleiden, Matthias Jacob: Das Alter des Menschengeschlechts, die Entstehung der Arten und die Stellung des Menschen in der Natur. Leipzig, 1863.Stellung des Menschen in der Natur. wußtsein, durch welches wir eben zur Erkenntniß unseres geistigen We¬sens kommen die höchste, auch ihr muß eine bestimmte Organisation des Gehirns entsprechen. Wie jeder Theil des Körpers kann auch die¬ ser Theil mehr oder weniger vollkommen ausgebildet werden. -- Der Unterschied zwischen Thier und Menschen besteht also im Allgemeinen darin, daß das Gehirn des letzteren so entwickelt ist, daß er sich seiner selbst bewußt werden und damit gleichsam sich selbst in Besitz nehmen kann. Der Unterschied zwischen Thier und Menschen besteht aber auch nur in dieser Möglichkeit. Für die Realisirung des Unterschieds bleibt das angegebene Merkmal des Bewußtseins nur eine Aufgabe, die er mit allen seinen Kräften, so weit wie es dem körperlich gebundenen Menschen überhaupt möglich ist, zu lösen hat. Sobald eine Körper¬ form, die vom Affen, wenn auch in langen Generationsreihen abge¬ wandelt ist, gerade in dieser Beziehung begünstigt wurde, daß das ent¬ wickeltere Gehirn das allmählich aufdämmernde geistige Selbstbewußt¬ sein möglich macht, so ist damit gleichsam die Schöpfung des Menschen vollendet, zu der Entwicklung der körperlichen Form tritt nun plötzlich der göttliche Odem, die Fähigkeit sich seiner geistigen Wesenhaftigkeit bewußt zu werden, und damit die Möglichkeit der Zwecksetzung und der Selbsterziehung damit zugleich die unendlich viel vortheilhaftere Stel¬ lung im Vergleich mit den nächst verwandten Thieren, welche dem Menschen seine Dauer und seine Herrschaft über die anderen Geschöpfe sichert. Nun beginnt innerhalb dieser vollkommneren Geschöpfe eine ganz neue Geschichte der Erde in der allmählichen Ausbildung dieser Geschöpfe, und dem allmählichen Fortschritt bis zur höchsten Vollen¬ dung, deren der Mensch fähig ist, welche sich aber bis jetzt nur in ein¬ zelnen Individuen und auch bei diesen fast immer nur einseitig ausge¬ prägt hat. Ich möchte unter den mir bekannt gewordenen Menschen einen Plato, Galilei, Lessing, Kant und Goethe als die am meisten all¬ seitig Entwickelten nennen. Geistiges Wesen liegt allen körperlichen Erscheinungen zum Stellung des Menſchen in der Natur. wußtſein, durch welches wir eben zur Erkenntniß unſeres geiſtigen We¬ſens kommen die höchſte, auch ihr muß eine beſtimmte Organiſation des Gehirns entſprechen. Wie jeder Theil des Körpers kann auch die¬ ſer Theil mehr oder weniger vollkommen ausgebildet werden. — Der Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht alſo im Allgemeinen darin, daß das Gehirn des letzteren ſo entwickelt iſt, daß er ſich ſeiner ſelbſt bewußt werden und damit gleichſam ſich ſelbſt in Beſitz nehmen kann. Der Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht aber auch nur in dieſer Möglichkeit. Für die Realiſirung des Unterſchieds bleibt das angegebene Merkmal des Bewußtſeins nur eine Aufgabe, die er mit allen ſeinen Kräften, ſo weit wie es dem körperlich gebundenen Menſchen überhaupt möglich iſt, zu löſen hat. Sobald eine Körper¬ form, die vom Affen, wenn auch in langen Generationsreihen abge¬ wandelt iſt, gerade in dieſer Beziehung begünſtigt wurde, daß das ent¬ wickeltere Gehirn das allmählich aufdämmernde geiſtige Selbſtbewußt¬ ſein möglich macht, ſo iſt damit gleichſam die Schöpfung des Menſchen vollendet, zu der Entwicklung der körperlichen Form tritt nun plötzlich der göttliche Odem, die Fähigkeit ſich ſeiner geiſtigen Weſenhaftigkeit bewußt zu werden, und damit die Möglichkeit der Zweckſetzung und der Selbſterziehung damit zugleich die unendlich viel vortheilhaftere Stel¬ lung im Vergleich mit den nächſt verwandten Thieren, welche dem Menſchen ſeine Dauer und ſeine Herrſchaft über die anderen Geſchöpfe ſichert. Nun beginnt innerhalb dieſer vollkommneren Geſchöpfe eine ganz neue Geſchichte der Erde in der allmählichen Ausbildung dieſer Geſchöpfe, und dem allmählichen Fortſchritt bis zur höchſten Vollen¬ dung, deren der Menſch fähig iſt, welche ſich aber bis jetzt nur in ein¬ zelnen Individuen und auch bei dieſen faſt immer nur einſeitig ausge¬ prägt hat. Ich möchte unter den mir bekannt gewordenen Menſchen einen Plato, Galilei, Leſſing, Kant und Goethe als die am meiſten all¬ ſeitig Entwickelten nennen. Geiſtiges Weſen liegt allen körperlichen Erſcheinungen zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="61"/><fw place="top" type="header">Stellung des Menſchen in der Natur.<lb/></fw>wußtſein, durch welches wir eben zur Erkenntniß unſeres geiſtigen We¬<lb/> ſens kommen die höchſte, auch ihr muß eine beſtimmte Organiſation<lb/> des Gehirns entſprechen. Wie jeder Theil des Körpers kann auch die¬<lb/> ſer Theil mehr oder weniger vollkommen ausgebildet werden. — Der<lb/> Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht alſo im Allgemeinen<lb/> darin, daß das Gehirn des letzteren ſo entwickelt iſt, daß er ſich ſeiner<lb/> ſelbſt bewußt werden und damit gleichſam ſich ſelbſt in Beſitz nehmen<lb/><hi rendition="#g">kann</hi>. Der Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht aber auch<lb/> nur in dieſer Möglichkeit. Für die Realiſirung des Unterſchieds bleibt<lb/> das angegebene Merkmal des Bewußtſeins nur eine Aufgabe, die er<lb/> mit allen ſeinen Kräften, ſo weit wie es dem körperlich gebundenen<lb/> Menſchen überhaupt möglich iſt, zu löſen hat. Sobald eine Körper¬<lb/> form, die vom Affen, wenn auch in langen Generationsreihen abge¬<lb/> wandelt iſt, gerade in dieſer Beziehung begünſtigt wurde, daß das ent¬<lb/> wickeltere Gehirn das allmählich aufdämmernde geiſtige Selbſtbewußt¬<lb/> ſein möglich macht, ſo iſt damit gleichſam die Schöpfung des Menſchen<lb/> vollendet, zu der Entwicklung der körperlichen Form tritt nun plötzlich<lb/> der göttliche Odem, die Fähigkeit ſich ſeiner geiſtigen Weſenhaftigkeit<lb/> bewußt zu werden, und damit die Möglichkeit der Zweckſetzung und der<lb/> Selbſterziehung damit zugleich die unendlich viel vortheilhaftere Stel¬<lb/> lung im Vergleich mit den nächſt verwandten Thieren, welche dem<lb/> Menſchen ſeine Dauer und ſeine Herrſchaft über die anderen Geſchöpfe<lb/> ſichert. Nun beginnt innerhalb dieſer vollkommneren Geſchöpfe eine<lb/> ganz neue Geſchichte der Erde in der allmählichen Ausbildung dieſer<lb/> Geſchöpfe, und dem allmählichen Fortſchritt bis zur höchſten Vollen¬<lb/> dung, deren der Menſch fähig iſt, welche ſich aber bis jetzt nur in ein¬<lb/> zelnen Individuen und auch bei dieſen faſt immer nur einſeitig ausge¬<lb/> prägt hat. Ich möchte unter den mir bekannt gewordenen Menſchen<lb/> einen Plato, Galilei, Leſſing, Kant und Goethe als die am meiſten all¬<lb/> ſeitig Entwickelten nennen.</p><lb/> <p>Geiſtiges Weſen liegt allen körperlichen Erſcheinungen zum<lb/> Grunde, nur im Menſchen erſcheint es mit der Fähigkeit ſich ſeiner<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0071]
Stellung des Menſchen in der Natur.
wußtſein, durch welches wir eben zur Erkenntniß unſeres geiſtigen We¬
ſens kommen die höchſte, auch ihr muß eine beſtimmte Organiſation
des Gehirns entſprechen. Wie jeder Theil des Körpers kann auch die¬
ſer Theil mehr oder weniger vollkommen ausgebildet werden. — Der
Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht alſo im Allgemeinen
darin, daß das Gehirn des letzteren ſo entwickelt iſt, daß er ſich ſeiner
ſelbſt bewußt werden und damit gleichſam ſich ſelbſt in Beſitz nehmen
kann. Der Unterſchied zwiſchen Thier und Menſchen beſteht aber auch
nur in dieſer Möglichkeit. Für die Realiſirung des Unterſchieds bleibt
das angegebene Merkmal des Bewußtſeins nur eine Aufgabe, die er
mit allen ſeinen Kräften, ſo weit wie es dem körperlich gebundenen
Menſchen überhaupt möglich iſt, zu löſen hat. Sobald eine Körper¬
form, die vom Affen, wenn auch in langen Generationsreihen abge¬
wandelt iſt, gerade in dieſer Beziehung begünſtigt wurde, daß das ent¬
wickeltere Gehirn das allmählich aufdämmernde geiſtige Selbſtbewußt¬
ſein möglich macht, ſo iſt damit gleichſam die Schöpfung des Menſchen
vollendet, zu der Entwicklung der körperlichen Form tritt nun plötzlich
der göttliche Odem, die Fähigkeit ſich ſeiner geiſtigen Weſenhaftigkeit
bewußt zu werden, und damit die Möglichkeit der Zweckſetzung und der
Selbſterziehung damit zugleich die unendlich viel vortheilhaftere Stel¬
lung im Vergleich mit den nächſt verwandten Thieren, welche dem
Menſchen ſeine Dauer und ſeine Herrſchaft über die anderen Geſchöpfe
ſichert. Nun beginnt innerhalb dieſer vollkommneren Geſchöpfe eine
ganz neue Geſchichte der Erde in der allmählichen Ausbildung dieſer
Geſchöpfe, und dem allmählichen Fortſchritt bis zur höchſten Vollen¬
dung, deren der Menſch fähig iſt, welche ſich aber bis jetzt nur in ein¬
zelnen Individuen und auch bei dieſen faſt immer nur einſeitig ausge¬
prägt hat. Ich möchte unter den mir bekannt gewordenen Menſchen
einen Plato, Galilei, Leſſing, Kant und Goethe als die am meiſten all¬
ſeitig Entwickelten nennen.
Geiſtiges Weſen liegt allen körperlichen Erſcheinungen zum
Grunde, nur im Menſchen erſcheint es mit der Fähigkeit ſich ſeiner
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |