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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Engländer. 1830 wurden über 52,000 Lb. in England eingeführt.
Im Jahr 1829 fast 100,000 Lb. Im Zolljahr, welches mit 1833 zu
Ende ging, waren 178,676 Lb. verzollt. Seitdem hat sich der Ver-
brauch fortwährend gesteigert. In Greenwich werden in einer Fabrik
allein täglich an 800 Lb. in eisernen Gefäßen der trocknen Destillation
unterworfen. Der Rückstand ist eine eigenthümliche schmierige Sub-
stanz, welche nie ihre Zähigkeit und Biegsamkeit verliert, jedem
Einflusse von Luft und Wasser Trotz bietet, und deshalb benutzt
wird, die Stricke der englischen Marine zu tränken und sie dadurch
dauerhafter zu machen. Die überdestillirte Flüssigkeit dagegen ist ein
flüchtiges, brenzliches Oel, welches die Eigenschaft besitzt, das
Kaoutschouck leicht aufzulösen, aber nachher beim Verdunsten mit al-
len seinen Eigenschaften wieder zurückzulassen. Dadurch wurde es
möglich, auf leichte Weise das Kaoutschouck allen beliebigen Formen
anzupassen und seine Undurchdringlichkeit für Luft und Flüssigkeiten
fast aller Art auf jeden andern Stoff zu übertragen. So entstanden
denn die vielen wasserdichten Zeuge, von denen eins nach seinem
Erfinder Mackintosh genannt wird. Auf die mannigfachste Weise
macht man ferner Gebrauch von seiner großen Elasticität, einer für
manche Zwecke höchst schätzbaren Eigenschaft. Zu dem Ende werden
auf eignen Maschinen die größern Kaoutschouckmassen erst in dünne
Platten und dann in ganz feine Fäden zerschnitten. Diese Fäden
werden mit Leinen, Baumwolle oder Seide umsponnen und dann
mit anderm gewöhnlichen Garn, welches als Einschlag dient, zu
Bändern u. dgl. verwebt. Endlich wird auch im unbereiteten Zu-
stande das Kaoutschouck vielfach angewendet, wobei ich nur an die
sogenannten Gummischuhe erinnern will.

Südamerika ist das Land, welches für diesen großen Bedarf
die reichlichste Menge Kaoutschouck liefert; aber auch aus Ostindien
wird gar viel eingeführt und selbst Afrika würde diesen Stoff liefern
können, wenn dort nicht die socialen Verhältnisse der Eingebornen
sich der Benutzung ihrer einheimischen Hülfsquellen entgegensetzten.
Alle die Länder, welche Kaoutschouck unter ihre Produkte zählen,

Engländer. 1830 wurden über 52,000 ℔. in England eingeführt.
Im Jahr 1829 faſt 100,000 ℔. Im Zolljahr, welches mit 1833 zu
Ende ging, waren 178,676 ℔. verzollt. Seitdem hat ſich der Ver-
brauch fortwährend geſteigert. In Greenwich werden in einer Fabrik
allein täglich an 800 ℔. in eiſernen Gefäßen der trocknen Deſtillation
unterworfen. Der Rückſtand iſt eine eigenthümliche ſchmierige Sub-
ſtanz, welche nie ihre Zähigkeit und Biegſamkeit verliert, jedem
Einfluſſe von Luft und Waſſer Trotz bietet, und deshalb benutzt
wird, die Stricke der engliſchen Marine zu tränken und ſie dadurch
dauerhafter zu machen. Die überdeſtillirte Flüſſigkeit dagegen iſt ein
flüchtiges, brenzliches Oel, welches die Eigenſchaft beſitzt, das
Kaoutſchouck leicht aufzulöſen, aber nachher beim Verdunſten mit al-
len ſeinen Eigenſchaften wieder zurückzulaſſen. Dadurch wurde es
möglich, auf leichte Weiſe das Kaoutſchouck allen beliebigen Formen
anzupaſſen und ſeine Undurchdringlichkeit für Luft und Flüſſigkeiten
faſt aller Art auf jeden andern Stoff zu übertragen. So entſtanden
denn die vielen waſſerdichten Zeuge, von denen eins nach ſeinem
Erfinder Mackintoſh genannt wird. Auf die mannigfachſte Weiſe
macht man ferner Gebrauch von ſeiner großen Elaſticität, einer für
manche Zwecke höchſt ſchätzbaren Eigenſchaft. Zu dem Ende werden
auf eignen Maſchinen die größern Kaoutſchouckmaſſen erſt in dünne
Platten und dann in ganz feine Fäden zerſchnitten. Dieſe Fäden
werden mit Leinen, Baumwolle oder Seide umſponnen und dann
mit anderm gewöhnlichen Garn, welches als Einſchlag dient, zu
Bändern u. dgl. verwebt. Endlich wird auch im unbereiteten Zu-
ſtande das Kaoutſchouck vielfach angewendet, wobei ich nur an die
ſogenannten Gummiſchuhe erinnern will.

Südamerika iſt das Land, welches für dieſen großen Bedarf
die reichlichſte Menge Kaoutſchouck liefert; aber auch aus Oſtindien
wird gar viel eingeführt und ſelbſt Afrika würde dieſen Stoff liefern
können, wenn dort nicht die ſocialen Verhältniſſe der Eingebornen
ſich der Benutzung ihrer einheimiſchen Hülfsquellen entgegenſetzten.
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[174/0190] Engländer. 1830 wurden über 52,000 ℔. in England eingeführt. Im Jahr 1829 faſt 100,000 ℔. Im Zolljahr, welches mit 1833 zu Ende ging, waren 178,676 ℔. verzollt. Seitdem hat ſich der Ver- brauch fortwährend geſteigert. In Greenwich werden in einer Fabrik allein täglich an 800 ℔. in eiſernen Gefäßen der trocknen Deſtillation unterworfen. Der Rückſtand iſt eine eigenthümliche ſchmierige Sub- ſtanz, welche nie ihre Zähigkeit und Biegſamkeit verliert, jedem Einfluſſe von Luft und Waſſer Trotz bietet, und deshalb benutzt wird, die Stricke der engliſchen Marine zu tränken und ſie dadurch dauerhafter zu machen. Die überdeſtillirte Flüſſigkeit dagegen iſt ein flüchtiges, brenzliches Oel, welches die Eigenſchaft beſitzt, das Kaoutſchouck leicht aufzulöſen, aber nachher beim Verdunſten mit al- len ſeinen Eigenſchaften wieder zurückzulaſſen. Dadurch wurde es möglich, auf leichte Weiſe das Kaoutſchouck allen beliebigen Formen anzupaſſen und ſeine Undurchdringlichkeit für Luft und Flüſſigkeiten faſt aller Art auf jeden andern Stoff zu übertragen. So entſtanden denn die vielen waſſerdichten Zeuge, von denen eins nach ſeinem Erfinder Mackintoſh genannt wird. Auf die mannigfachſte Weiſe macht man ferner Gebrauch von ſeiner großen Elaſticität, einer für manche Zwecke höchſt ſchätzbaren Eigenſchaft. Zu dem Ende werden auf eignen Maſchinen die größern Kaoutſchouckmaſſen erſt in dünne Platten und dann in ganz feine Fäden zerſchnitten. Dieſe Fäden werden mit Leinen, Baumwolle oder Seide umſponnen und dann mit anderm gewöhnlichen Garn, welches als Einſchlag dient, zu Bändern u. dgl. verwebt. Endlich wird auch im unbereiteten Zu- ſtande das Kaoutſchouck vielfach angewendet, wobei ich nur an die ſogenannten Gummiſchuhe erinnern will. Südamerika iſt das Land, welches für dieſen großen Bedarf die reichlichſte Menge Kaoutſchouck liefert; aber auch aus Oſtindien wird gar viel eingeführt und ſelbſt Afrika würde dieſen Stoff liefern können, wenn dort nicht die ſocialen Verhältniſſe der Eingebornen ſich der Benutzung ihrer einheimiſchen Hülfsquellen entgegenſetzten. Alle die Länder, welche Kaoutſchouck unter ihre Produkte zählen,

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/190>, abgerufen am 21.11.2024.