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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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gehören der heißen Zone an. Schon A. v. Humboldt bemerkt in
seinen Ideen zu einer Pflanzengeographie, daß sich die Milchsaft ge-
benden Pflanzen vermehren, so wie man sich den Tropen nähert.
Es ist aber gerade der Milchsaft der Pflanzen, welcher diese eigen-
thümliche elastische Substanz enthält. Die tropische Wärme scheint
auf die Ausbildung derselben einen entschiedenen Einfluß auszuü-
ben, denn man hat die Bemerkung gemacht, daß dieselben Pflanzen,
welche unter dem Aequator reichlich Kaoutschouck liefern, statt des-
sen bei uns, selbst in den Treibhäusern, einen Stoff enthalten,
der dem aus unserer einheimischen Mistel gewonnenen Vogelleim
gleichkommt.

Wer von meinen Lesern hätte nicht unsre einheimische Wolfs-
milch gesehen, deren weißer, milchähnlicher Saft vom Volksglau-
ben als Mittel gegen Warzen empfohlen wird. Wer hätte nicht in
seiner Jugend wenigstens mit dem Schöllkraut Bekanntschaft ge-
macht, aus dessen Stengel und Blatt, wenn man sie abreißt, eine
schöne orangenfarbene Milch ausfließt. Wer hätte nicht schon
beobachtet, daß aus unserem Salat, wenn er aufgeschossen, bei der
leisesten Berührung eine milchweiße Flüssigkeit hervorspritzt. Aber
das Vorkommen solcher milchiger Säfte bei den Pflanzen ist nicht
auf diese wenigen beschränkt. Die nützlichsten wie die giftigsten
Stoffe bietet uns die Pflanzenwelt zum Theil in diesen Milchsäften,
und ich will hier nur an das Opium, den eingetrockneten Milchsaft
unseres großen Gartenmohns, erinnern.

Eine größere Anzahl von Pflanzen, welche insbesondere drei
großen Familien angehören, nämlich den Wolfsmilcharten, den
Apocyneen (Juss.) und den Nesselpflanzen, zeichnen sich durch
einen eigenthümlichen anatomischen Bau aus. In ihrer Rinde und auch
zum Theil in ihrem Marke finden wir eine Menge langer, vielfach
gebogener und unter einander verästelter Röhren, die den Adern der
Thiere nicht ganz unähnlich sind. Diese Aehnlichkeit hat auch den
Prof. Schultze in Berlin verführt, eine weitläufige Theorie der Cir-
culation über diese Gebilde und die in ihnen enthaltenen Flüssigkei-

gehören der heißen Zone an. Schon A. v. Humboldt bemerkt in
ſeinen Ideen zu einer Pflanzengeographie, daß ſich die Milchſaft ge-
benden Pflanzen vermehren, ſo wie man ſich den Tropen nähert.
Es iſt aber gerade der Milchſaft der Pflanzen, welcher dieſe eigen-
thümliche elaſtiſche Subſtanz enthält. Die tropiſche Wärme ſcheint
auf die Ausbildung derſelben einen entſchiedenen Einfluß auszuü-
ben, denn man hat die Bemerkung gemacht, daß dieſelben Pflanzen,
welche unter dem Aequator reichlich Kaoutſchouck liefern, ſtatt deſ-
ſen bei uns, ſelbſt in den Treibhäuſern, einen Stoff enthalten,
der dem aus unſerer einheimiſchen Miſtel gewonnenen Vogelleim
gleichkommt.

Wer von meinen Leſern hätte nicht unſre einheimiſche Wolfs-
milch geſehen, deren weißer, milchähnlicher Saft vom Volksglau-
ben als Mittel gegen Warzen empfohlen wird. Wer hätte nicht in
ſeiner Jugend wenigſtens mit dem Schöllkraut Bekanntſchaft ge-
macht, aus deſſen Stengel und Blatt, wenn man ſie abreißt, eine
ſchöne orangenfarbene Milch ausfließt. Wer hätte nicht ſchon
beobachtet, daß aus unſerem Salat, wenn er aufgeſchoſſen, bei der
leiſeſten Berührung eine milchweiße Flüſſigkeit hervorſpritzt. Aber
das Vorkommen ſolcher milchiger Säfte bei den Pflanzen iſt nicht
auf dieſe wenigen beſchränkt. Die nützlichſten wie die giftigſten
Stoffe bietet uns die Pflanzenwelt zum Theil in dieſen Milchſäften,
und ich will hier nur an das Opium, den eingetrockneten Milchſaft
unſeres großen Gartenmohns, erinnern.

Eine größere Anzahl von Pflanzen, welche insbeſondere drei
großen Familien angehören, nämlich den Wolfsmilcharten, den
Apocyneen (Juss.) und den Neſſelpflanzen, zeichnen ſich durch
einen eigenthümlichen anatomiſchen Bau aus. In ihrer Rinde und auch
zum Theil in ihrem Marke finden wir eine Menge langer, vielfach
gebogener und unter einander veräſtelter Röhren, die den Adern der
Thiere nicht ganz unähnlich ſind. Dieſe Aehnlichkeit hat auch den
Prof. Schultze in Berlin verführt, eine weitläufige Theorie der Cir-
culation über dieſe Gebilde und die in ihnen enthaltenen Flüſſigkei-

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[175/0191] gehören der heißen Zone an. Schon A. v. Humboldt bemerkt in ſeinen Ideen zu einer Pflanzengeographie, daß ſich die Milchſaft ge- benden Pflanzen vermehren, ſo wie man ſich den Tropen nähert. Es iſt aber gerade der Milchſaft der Pflanzen, welcher dieſe eigen- thümliche elaſtiſche Subſtanz enthält. Die tropiſche Wärme ſcheint auf die Ausbildung derſelben einen entſchiedenen Einfluß auszuü- ben, denn man hat die Bemerkung gemacht, daß dieſelben Pflanzen, welche unter dem Aequator reichlich Kaoutſchouck liefern, ſtatt deſ- ſen bei uns, ſelbſt in den Treibhäuſern, einen Stoff enthalten, der dem aus unſerer einheimiſchen Miſtel gewonnenen Vogelleim gleichkommt. Wer von meinen Leſern hätte nicht unſre einheimiſche Wolfs- milch geſehen, deren weißer, milchähnlicher Saft vom Volksglau- ben als Mittel gegen Warzen empfohlen wird. Wer hätte nicht in ſeiner Jugend wenigſtens mit dem Schöllkraut Bekanntſchaft ge- macht, aus deſſen Stengel und Blatt, wenn man ſie abreißt, eine ſchöne orangenfarbene Milch ausfließt. Wer hätte nicht ſchon beobachtet, daß aus unſerem Salat, wenn er aufgeſchoſſen, bei der leiſeſten Berührung eine milchweiße Flüſſigkeit hervorſpritzt. Aber das Vorkommen ſolcher milchiger Säfte bei den Pflanzen iſt nicht auf dieſe wenigen beſchränkt. Die nützlichſten wie die giftigſten Stoffe bietet uns die Pflanzenwelt zum Theil in dieſen Milchſäften, und ich will hier nur an das Opium, den eingetrockneten Milchſaft unſeres großen Gartenmohns, erinnern. Eine größere Anzahl von Pflanzen, welche insbeſondere drei großen Familien angehören, nämlich den Wolfsmilcharten, den Apocyneen (Juss.) und den Neſſelpflanzen, zeichnen ſich durch einen eigenthümlichen anatomiſchen Bau aus. In ihrer Rinde und auch zum Theil in ihrem Marke finden wir eine Menge langer, vielfach gebogener und unter einander veräſtelter Röhren, die den Adern der Thiere nicht ganz unähnlich ſind. Dieſe Aehnlichkeit hat auch den Prof. Schultze in Berlin verführt, eine weitläufige Theorie der Cir- culation über dieſe Gebilde und die in ihnen enthaltenen Flüſſigkei-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/191>, abgerufen am 21.11.2024.