den macassarischen Giftbaum auf Celebes, und nach und nach mel- deten Aerzte und Naturforscher von den Wirkungen des Giftes, welche so schrecklich geschildert wurden, daß die geringste Menge, in's Blut gebracht, nicht nur augenblicklich tödte, sondern so furchtbar zerstörend wirke, daß schon nach einer halben Stunde das Fleisch von den Knochen falle. Die erste Beschreibung des Baumes gab im J. 1682 Neuhof. So fürchterlich aber auch die ältern Schriftsteller das Gift darstellen, so sind ihre Berichte doch noch frei von den finstern Fabeln, welche Spätere darüber mittheilen. Schon zu Ende des 17. Jahrh. behauptete Gervaise, daß das bloße Anrühren und Beriechen des Giftes tödtlich werde, und bei Camel (1704) kommt schon die Er- zählung vor, daß die Ausdünstung des Baumes alles Lebende auf eine beträchtliche Strecke ringsumher vertilge, und daß Vögel, welche sich auf ihm niederlassen, sterben, wenn sie nicht gleich darauf Krähenaugen (die Saamen von Strychnos nux vomica) fressen, wodurch sie zwar am Leben erhalten werden, wenn sie schon alle Federn verlieren. Schon früher hatte Argensola (Conquista de las islas Molucas) von einem Baume berichtet, in dessen Nähe Jeder einschlafe und sterbe, wenn er von der Westseite darauf zugehe, wäh- rend die von der Ostseite sich Nähernden gerade durch den Schlaf von der tödtlichen Wirkung befreit blieben. Jetzt berichtete man auch, daß das Sammeln des Giftes lediglich Verbrechern übertragen werde, welche ihr Leben verwirkt und welche von der Strafe befreit blieben, wenn sie ihr Geschäft glücklich vollendet. Durch Rumph erfuhr man, daß der Giftbaum außer auf Celebes auch auf Sumatra, Borneo und Bali vorkomme. Die abenteuerlichsten Berichte brachten aber erst gegen das Ende des 18. Jahrh. der holländische Wundarzt Försch über den javanischen Giftbaum in Umlauf. Sein Brief über denselben erschien zuerst 1781 und wurde nach und nach in fast alle europäischen Sprachen übersetzt, und sein Inhalt in alle Handbücher der Natur- geschichte, der Länder- und Völkerkunde aufgenommen. Ganz im ent- gegengesetzten Sinne berichteten freilich schon 1789 die Commissäre der batavischen Societät van Rhyn und Palm, welche nicht allein
den macaſſariſchen Giftbaum auf Celebes, und nach und nach mel- deten Aerzte und Naturforſcher von den Wirkungen des Giftes, welche ſo ſchrecklich geſchildert wurden, daß die geringſte Menge, in's Blut gebracht, nicht nur augenblicklich tödte, ſondern ſo furchtbar zerſtörend wirke, daß ſchon nach einer halben Stunde das Fleiſch von den Knochen falle. Die erſte Beſchreibung des Baumes gab im J. 1682 Neuhof. So fürchterlich aber auch die ältern Schriftſteller das Gift darſtellen, ſo ſind ihre Berichte doch noch frei von den finſtern Fabeln, welche Spätere darüber mittheilen. Schon zu Ende des 17. Jahrh. behauptete Gervaiſe, daß das bloße Anrühren und Beriechen des Giftes tödtlich werde, und bei Camel (1704) kommt ſchon die Er- zählung vor, daß die Ausdünſtung des Baumes alles Lebende auf eine beträchtliche Strecke ringsumher vertilge, und daß Vögel, welche ſich auf ihm niederlaſſen, ſterben, wenn ſie nicht gleich darauf Krähenaugen (die Saamen von Strychnos nux vomica) freſſen, wodurch ſie zwar am Leben erhalten werden, wenn ſie ſchon alle Federn verlieren. Schon früher hatte Argenſola (Conquista de las islas Molucas) von einem Baume berichtet, in deſſen Nähe Jeder einſchlafe und ſterbe, wenn er von der Weſtſeite darauf zugehe, wäh- rend die von der Oſtſeite ſich Nähernden gerade durch den Schlaf von der tödtlichen Wirkung befreit blieben. Jetzt berichtete man auch, daß das Sammeln des Giftes lediglich Verbrechern übertragen werde, welche ihr Leben verwirkt und welche von der Strafe befreit blieben, wenn ſie ihr Geſchäft glücklich vollendet. Durch Rumph erfuhr man, daß der Giftbaum außer auf Celebes auch auf Sumatra, Borneo und Bali vorkomme. Die abenteuerlichſten Berichte brachten aber erſt gegen das Ende des 18. Jahrh. der holländiſche Wundarzt Förſch über den javaniſchen Giftbaum in Umlauf. Sein Brief über denſelben erſchien zuerſt 1781 und wurde nach und nach in faſt alle europäiſchen Sprachen überſetzt, und ſein Inhalt in alle Handbücher der Natur- geſchichte, der Länder- und Völkerkunde aufgenommen. Ganz im ent- gegengeſetzten Sinne berichteten freilich ſchon 1789 die Commiſſäre der bataviſchen Societät van Rhyn und Palm, welche nicht allein
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den macaſſariſchen Giftbaum auf Celebes, und nach und nach mel-
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ſo ſchrecklich geſchildert wurden, daß die geringſte Menge, in's Blut
gebracht, nicht nur augenblicklich tödte, ſondern ſo furchtbar zerſtörend
wirke, daß ſchon nach einer halben Stunde das Fleiſch von den
Knochen falle. Die erſte Beſchreibung des Baumes gab im J. 1682
Neuhof. So fürchterlich aber auch die ältern Schriftſteller das Gift
darſtellen, ſo ſind ihre Berichte doch noch frei von den finſtern Fabeln,
welche Spätere darüber mittheilen. Schon zu Ende des 17. Jahrh.
behauptete Gervaiſe, daß das bloße Anrühren und Beriechen des
Giftes tödtlich werde, und bei Camel (1704) kommt ſchon die Er-
zählung vor, daß die Ausdünſtung des Baumes alles Lebende auf
eine beträchtliche Strecke ringsumher vertilge, und daß Vögel, welche
ſich auf ihm niederlaſſen, ſterben, wenn ſie nicht gleich darauf
Krähenaugen (die Saamen von Strychnos nux vomica) freſſen,
wodurch ſie zwar am Leben erhalten werden, wenn ſie ſchon alle
Federn verlieren. Schon früher hatte Argenſola (Conquista de
las islas Molucas) von einem Baume berichtet, in deſſen Nähe Jeder
einſchlafe und ſterbe, wenn er von der Weſtſeite darauf zugehe, wäh-
rend die von der Oſtſeite ſich Nähernden gerade durch den Schlaf von
der tödtlichen Wirkung befreit blieben. Jetzt berichtete man auch, daß
das Sammeln des Giftes lediglich Verbrechern übertragen werde,
welche ihr Leben verwirkt und welche von der Strafe befreit blieben,
wenn ſie ihr Geſchäft glücklich vollendet. Durch Rumph erfuhr man,
daß der Giftbaum außer auf Celebes auch auf Sumatra, Borneo und
Bali vorkomme. Die abenteuerlichſten Berichte brachten aber erſt
gegen das Ende des 18. Jahrh. der holländiſche Wundarzt Förſch
über den javaniſchen Giftbaum in Umlauf. Sein Brief über denſelben
erſchien zuerſt 1781 und wurde nach und nach in faſt alle europäiſchen
Sprachen überſetzt, und ſein Inhalt in alle Handbücher der Natur-
geſchichte, der Länder- und Völkerkunde aufgenommen. Ganz im ent-
gegengeſetzten Sinne berichteten freilich ſchon 1789 die Commiſſäre
der bataviſchen Societät van Rhyn und Palm, welche nicht allein
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/203>, abgerufen am 22.11.2024.
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