anderes, welches das erste modificirt und da wo es dieselben Wir- kungen hervorbringt, dazu beiträgt, gewisse Pflanzen desto fester aus- schließlich an gewisse Bodenarten zu fesseln, im entgegengesetzten Fall auch dazu beiträgt den Zusammenhang zwischen Pflanzen und chemi- schem Gehalt des Bodens zu verdecken oder zu verwischen. Es ist dieses der mechanische Zusammenhang und die physicalischen Eigen- schaften des Bodens. So giebt es Pflanzen, die nur auf den unzer- kleinerten Felsen sich ansiedeln, die dann, wenn die übrigen Bedingun- gen sich dazu finden, von den Felsen auf unsere Mauern überspringen wie die Mauerraute*), ein kleines Farnkraut, das von seinem Standort den Namen führt. Andere finden sich nur da wo die Ver- witterung das derbe Gestein zu kleinen Brocken zertheilt hat, Geröll- pflanzen, die dann dem Menschen sich anschmiegend die ihrem natür- lichen Standort ähnlichen Schutthaufen wählen; unsere große Nessel und das Bilsenkraut mögen als Beispiele dienen. Endlich andere Pflanzen wachsen nur in dem völlig zu feinen Pulver aufgelösten Gebirge, im Sande oder in dem noch feinkörnigeren durch chemische Zersetzung entstandenen Thon. Die sogenannte deutsche Sassapa- rille, das Sandrietgras, ist ein Beispiel für das erste Ver- hältniß, dem nicht wohl ein bestimmtes Verhältniß in der Nähe menschlicher Wohnungen entspricht. Dem Thone dagegen stellt sich die aus Zerstörung organischer Stoffe hervorgegangene schwarze Sub- stanz, der Humus, an die Seite. Beide reich an auflöslichen der Vege- tation wichtigen Salzen, beide ausgezeichnet in Rücksicht auf ihre Eigenschaft, Gase und Wasserdünste aus der Atmosphäre aufzu- saugen und so den Pflanzenwurzeln zuzuführen, bedingen einzeln oder in Verbindung miteinander die üppigste Vegetation. Wir erhalten so eigentlich drei Stufen, hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit: reine Erdarten als völlig vegetationsleer, -- gemischte Erden ohne Thon und Humus mit zwar dürftiger aber characteristischer Vegetation -- und endlich thon- und humusreicher Boden mit der größten Fülle und
*)Asplenium Ruta muraria.
anderes, welches das erſte modificirt und da wo es dieſelben Wir- kungen hervorbringt, dazu beiträgt, gewiſſe Pflanzen deſto feſter aus- ſchließlich an gewiſſe Bodenarten zu feſſeln, im entgegengeſetzten Fall auch dazu beiträgt den Zuſammenhang zwiſchen Pflanzen und chemi- ſchem Gehalt des Bodens zu verdecken oder zu verwiſchen. Es iſt dieſes der mechaniſche Zuſammenhang und die phyſicaliſchen Eigen- ſchaften des Bodens. So giebt es Pflanzen, die nur auf den unzer- kleinerten Felſen ſich anſiedeln, die dann, wenn die übrigen Bedingun- gen ſich dazu finden, von den Felſen auf unſere Mauern überſpringen wie die Mauerraute*), ein kleines Farnkraut, das von ſeinem Standort den Namen führt. Andere finden ſich nur da wo die Ver- witterung das derbe Geſtein zu kleinen Brocken zertheilt hat, Geröll- pflanzen, die dann dem Menſchen ſich anſchmiegend die ihrem natür- lichen Standort ähnlichen Schutthaufen wählen; unſere große Neſſel und das Bilſenkraut mögen als Beiſpiele dienen. Endlich andere Pflanzen wachſen nur in dem völlig zu feinen Pulver aufgelöſten Gebirge, im Sande oder in dem noch feinkörnigeren durch chemiſche Zerſetzung entſtandenen Thon. Die ſogenannte deutſche Saſſapa- rille, das Sandrietgras, iſt ein Beiſpiel für das erſte Ver- hältniß, dem nicht wohl ein beſtimmtes Verhältniß in der Nähe menſchlicher Wohnungen entſpricht. Dem Thone dagegen ſtellt ſich die aus Zerſtörung organiſcher Stoffe hervorgegangene ſchwarze Sub- ſtanz, der Humus, an die Seite. Beide reich an auflöslichen der Vege- tation wichtigen Salzen, beide ausgezeichnet in Rückſicht auf ihre Eigenſchaft, Gaſe und Waſſerdünſte aus der Atmoſphäre aufzu- ſaugen und ſo den Pflanzenwurzeln zuzuführen, bedingen einzeln oder in Verbindung miteinander die üppigſte Vegetation. Wir erhalten ſo eigentlich drei Stufen, hinſichtlich der Bodenbeſchaffenheit: reine Erdarten als völlig vegetationsleer, — gemiſchte Erden ohne Thon und Humus mit zwar dürftiger aber characteriſtiſcher Vegetation — und endlich thon- und humusreicher Boden mit der größten Fülle und
*)Asplenium Ruta muraria.
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anderes, welches das erſte modificirt und da wo es dieſelben Wir-
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ſchließlich an gewiſſe Bodenarten zu feſſeln, im entgegengeſetzten Fall
auch dazu beiträgt den Zuſammenhang zwiſchen Pflanzen und chemi-
ſchem Gehalt des Bodens zu verdecken oder zu verwiſchen. Es iſt
dieſes der mechaniſche Zuſammenhang und die phyſicaliſchen Eigen-
ſchaften des Bodens. So giebt es Pflanzen, die nur auf den unzer-
kleinerten Felſen ſich anſiedeln, die dann, wenn die übrigen Bedingun-
gen ſich dazu finden, von den Felſen auf unſere Mauern überſpringen
wie die Mauerraute *), ein kleines Farnkraut, das von ſeinem
Standort den Namen führt. Andere finden ſich nur da wo die Ver-
witterung das derbe Geſtein zu kleinen Brocken zertheilt hat, Geröll-
pflanzen, die dann dem Menſchen ſich anſchmiegend die ihrem natür-
lichen Standort ähnlichen Schutthaufen wählen; unſere große
Neſſel und das Bilſenkraut mögen als Beiſpiele dienen. Endlich
andere Pflanzen wachſen nur in dem völlig zu feinen Pulver aufgelöſten
Gebirge, im Sande oder in dem noch feinkörnigeren durch chemiſche
Zerſetzung entſtandenen Thon. Die ſogenannte deutſche Saſſapa-
rille, das Sandrietgras, iſt ein Beiſpiel für das erſte Ver-
hältniß, dem nicht wohl ein beſtimmtes Verhältniß in der Nähe
menſchlicher Wohnungen entſpricht. Dem Thone dagegen ſtellt ſich
die aus Zerſtörung organiſcher Stoffe hervorgegangene ſchwarze Sub-
ſtanz, der Humus, an die Seite. Beide reich an auflöslichen der Vege-
tation wichtigen Salzen, beide ausgezeichnet in Rückſicht auf ihre
Eigenſchaft, Gaſe und Waſſerdünſte aus der Atmoſphäre aufzu-
ſaugen und ſo den Pflanzenwurzeln zuzuführen, bedingen einzeln oder
in Verbindung miteinander die üppigſte Vegetation. Wir erhalten
ſo eigentlich drei Stufen, hinſichtlich der Bodenbeſchaffenheit: reine
Erdarten als völlig vegetationsleer, — gemiſchte Erden ohne Thon
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und endlich thon- und humusreicher Boden mit der größten Fülle und
*) Asplenium Ruta muraria.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/252>, abgerufen am 21.11.2024.
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